Wo Milch und Honig fließen

Gerhard Brand, VBE-Landesvorsitzender zum Koalitionsvertrag

Schon vor der Regierungsbildung waren die Inhalte des Koalitionsvertrages bekannt. Vierzehn von insgesamt 93 Seiten sind der Bildung gewidmet, ein knappes Sechstel immerhin.
Trotz aller anfänglicher Skepsis ist festzustellen: Es liest sich zunächst einmal gut! Alles scheint möglich zu sein. G8 neben G9, differenzierte Systeme neben Gemeinschaftssystemen, ein zehntes Schuljahr für alle und vieles mehr. Die Ankündigungen im Koalitionsvertrag kommen einem Füllhorn gleich, das über der Bildung ausgeschüttet wird.

Nichts von dem Bekannten und Bewährten wird gestrichen. Das differenzierte Schulsystem  mit Grundschule, Hauptschule, Werkrealschule, Realschule, Gymnasium und Sonderschulen wird nicht abgeschafft. Das wird manchen ruhiger schlafen lassen. Aber die Entwicklung beginnt! Es ist kein Geheimnis, die Grünen, wie auch die SPD wollen die Gemeinschaftsschule. Eine Gemeinschaftsschule, die auch das Gymnasium beherbergen soll. Die von Klasse fünf bis Klasse zehn geht. Die zwingend eine Ganztagsschule ist, voll gebunden. Diese Gemeinschaftsschule wird nun auch in Baden-Württemberg kommen, aber sie kommt auf freiwilliger Basis. Wer so weitermachen möchte wie bisher, der darf das, und wer eine Gemeinschaftsschule errichten möchte, der kann einen Antrag stellen. Die Parallelen zu Nordrhein-Westfalen sind deutlich. So deutlich, dass sich ein Blick über den Zaun lohnt. Seit dem Regierungswechsel in Düsseldorf im Juli 2010 von Jürgen Rüttgers zu Hannelore Kraft mit der grünen Schulministerin Sylvia Löhrmann herrscht dort genau das Modell, das die neue baden-württembergische Landesregierung einzuführen gedenkt. Mit Datum vom Januar 2011 hatte Nordrhein-Westfalen von 19 Anträgen auf Einrichtung einer Gemeinschaftsschule 17 genehmigt. Warum zwei Anträge nicht genehmigt wurden, liegt daran, dass sie die grundlegenden Voraussetzungen zur Genehmigung nicht erfüllten. Eine der Voraussetzungen lautet beispielsweise: „Die Gemeinschaftsschule entsteht in der Regel durch die Zusammenführung bestehender Schulen.“ Das Vorhaben ist auf sechs Jahre angelegt und soll wissenschaftlich begleitet werden.

Kommunen, die vor kurzem noch um ihren Schulstandort zitterten, wittern jetzt Morgenluft. Denn der grün-rote Koalitionsvertrag der baden-württembergischen Landesregierung sagt deutlich:

„Die Gemeinschaftsschulen sollen besonders im ländlichen Raum wohnortnahe Schulstandorte mit einem breiten Bildungsangebot sichern.“ Da zu vermuten ist, dass sich die Voraussetzungen zur Genehmigung bei den beiden Bundesländern nicht allzu sehr unterscheiden, wird es – bei allem Wohlwollen – etwas schwierig, eine Stringenz in Kausalität und Aussage zu erkennen. Wenn Schulen zusammengeführt werden, dann werden nicht zwingend wohnortnahe Schulstandorte gesichert. Zumindest nicht flächendeckend! Wo Hauptschule, Realschule und Gymnasium in einem Ort vertreten sind – was im ländlichen Raum eher selten der Fall sein dürfte –, kann es funktionieren. Wo die Hauptschule die einzige Schulart ist, ist sie weg. Sie wird im Nachbardorf mit der Realschule und dem Gymnasium fusioniert werden. Also gerade im ländlichen Raum wird es nicht funktionieren!

Die ersten Schreiben der Kommunen an die Schulleitungen sind eingetroffen. Der Inhalt: „… bitten wir die Schulleitung um Vorlage eines Planes, wie die Weiterentwicklung der Schule aussehen wird …“. Das nennt man nach vorn gedacht! Zum einen ist es Sache der Kommune, diesen Antrag zu stellen „… Grundlage ist ein Beschluss des Schulträgers …“, so steht es im Koalitionsvertrag. Zum anderen ist es korrekt, wenn die Kommune die Schulleitung einbindet. Aber in was, um Gottes Willen, sollen die Schulleitungen denn eingebunden werden? Der Koalitionsvertrag stellt eine Absichtserklärung dar in dem Sinn: „Das wollen wir so machen, wenn wir die Regierung übernommen haben.“ Nicht mehr! Da ist noch nicht im Entferntesten geklärt, welche Rahmenbedingungen vorliegen müssen, damit eine Genehmigung erfolgreich sein kann. Vielleicht orientiert sich Stuttgart an Düsseldorf – das wäre neu! Aber es sind auch sehr landesspezifische Fragen zu klären: die Finanzierung. Wie wird für eine Ganztagsgemeinschaftsschule das Personal finanziert werden? Wie die Lehrerbildung und das Laufbahnrecht? Welche Lehrer sollen in einer Gemeinschaftsschule unterrichten? Die Absicht von Grün-Rot, den Stufenlehrer einzuführen, würde diese Frage beantworten und die aktuell noch unpassende Situation entschärfen. Wie lange dauert es, bis die Studienordnungen geändert, die daraus folgenden Prüfungsordnungen angepasst sind und die ersten Studierenden die Hochschule mit Bachelor oder Master durchlaufen haben? Möglicherweise vergeht mehr Zeit, als eine Legislaturperiode dauert. Niemand kann vorhersagen, was die nächsten Wahlen bringen werden, und so kann auch niemand vorhersagen, ob so ein grundlegender Prozess der Veränderung während des Laufes gestoppt oder ob er fortgeführt werden wird.

„… bitten wir die Schulleitung um Vorlage eines Planes …“, den hätten wir selbst gerne! Wir wissen, die Inklusion soll ohne Wenn und Aber umgesetzt werden. Wir wissen, die aktuelle Werkrealschule soll so nicht fortgeführt werden. Wir wissen, die Bildungshäuser werden nicht weiter aufgelegt und finanziert werden. Wir haben keine Ahnung, was stattdessen kommen soll und wie das, was kommen wird, ausgestaltet werden soll. Bei allem Respekt, auch die Landesregierung wird wohl die Antwort schuldig bleiben. Aber das Schuljahr neigt sich dem Ende zu, und so viele Fragen, die zum Planen des kommenden Schuljahres beantwortet gehören, sind offen. Unter diesen Voraussetzungen kann eine in die Zukunft gerichtete Planung nicht erfolgen. Wir machen zunächst also weiter, wie gewohnt – auch wenn sich`s vielleicht nicht lohnt.

Da Bildung von Kontinuität, von Ruhe, Sorgsamkeit und Weitblick lebt, ergeht die dringende Bitte des Verbandes Bildung und Erziehung VBE an die Regierung, Sorge dafür zu tragen, dass nicht Prozesse eingeläutet werden, die nicht sinnvoll und sicher eingeführt, verlässlich fortgeführt und dauerhaft umgesetzt werden können. Der Scherbenhaufen in der Bildung wäre immens. Zu oft haben wir Schulleiter Reformen  mitgetragen, Veränderungen herbeigeführt, Neuerungen implementiert, Entwicklungen evaluiert und anschließend wieder alles eliminiert. Wie oft haben wir nach Kontinuität gerufen und nach Ruhe im System. Es geht nicht um die viele unnütze Arbeit, die diese temporären Anforderungen hervorgebracht haben, das ertragen wir mit Demut. Es geht vielmehr um die enttäuschten Menschen, die zurück geblieben sind. Die Lehrer, die sich ans Werk gemacht und diese Prozesse mitgestaltet haben, die sie passgenau für die Situation an ihrer Schule zurecht gefeilt haben. Es geht um die Eltern, die geglaubt haben, dass neue Konzepte ihre Kinder nach vorn bringen. Es geht um die Kinder, die zum Spielball politischer Feldversuche wurden. Es geht immer um die Menschen und es geht um Vertrauen!

Wenn Sie jetzt fragen: „Wo fließen denn nun Milch und Honig?“ „Im Märchenland, geneigte Leserinnen und Leser, nur dort!“

Es grüßt Sie herzlichst
Ihr Gerhard Brand
VBE-Landesvorsitzender

Auszüge aus dem Koalitionsvertrag

Inklusion:

Umsetzung der Inklusion in vollem Umfang auch für die frühkindliche Bildung! Schaffung von räumlicher, sächlicher und personeller Ausstattung. Es gilt das Zwei-Pädagogen-¬Prinzip. Sonderpädagogen sind ausdrücklich erforderlich!

Elementar- und Primarbereich:

Eigenständiger Bildungsauftrag für die Kindertageseinrichtungen. Mehr Personal und eine Qualifizierungsoffensive. Sprachförderung mit Mitteln des Landes.
Kein weiterer Ausbau der Bildungshäuser mit Landesmitteln.
Bessere und flächendeckende Kooperation zwischen Grundschule und Kindertagesstätte.

Primar- und Sekundarbereich:

Abschaffung der Grundschulempfehlung
Ganztagsschulprogramm
Innovationspool für Gemeinschaftsschulen
Sonderpädagogische Förderung von Kindern mit Behinderungen in der Regelschule.
Sonderprogramm gegen Unterrichtsausfall
Zehntes Schuljahr für alle Schüler an Haupt- und Werkrealschulen. Der Hauptschulabschluss kann auch nach Klasse 10 erworben werden. Keine Auslagerung von Unterricht in der zehnten Klasse der Werkrealschule an  die Berufsschule. Streichung der Wahlpflichtfächer, dafür breite berufliche Orientierung.
Stärkung der Realschulen
Alle Fächerverbünde werden kritisch geprüft.

Lehrerausbildung und Schulleitung:

Mehr Mitentscheidungskompetenz der Schulkonferenz und des Schulträgers  bei der Besetzung von Schulleitungsstellen.
Schulartbezogene Ausbildung zugunsten des Stufenlehramts.
Umsetzung des Bolognaprozesses in der Lehramtsausbildung. Aber keine klare Aussage, ob der Bachelor- oder der Masterabschluss für Lehrer das Ziel ist (Nordrhein-Westfalen: Zehn Semester für alle und Master als Abschluss).
Neue Beurteilung der Arbeitszeit der Lehrer.

Der komplette Koalitionsvertrag der grün-roten Landesregierung steht auf der Homepage des VBE Baden-Württemberg für Sie zum download bereit.

Eine Schule für die Zukunft

Adolf-Kußmaul-Ganztagsgrundschule, Graben-Neudorf:

Die Adolf-Kußmaul-Schule im Ortsteil Graben ist eine dreizügige eigenständige Grundschule und wird seit dem Schuljahr 07/08 als teilgebundene Ganztagsschule geführt, wobei ein Zug im Regelbetrieb und zwei Züge im gebundenen Ganztagsbetrieb laufen. Wenn alle Klassenstufen einen zweizügigen Ganztagszug aufweisen, sind ca. 200 Kinder an den Ganztagsbetrieb gebunden, während ca. 100 Kinder den Regelbetrieb besuchen. Die derzeit 270 Kinder werden von 23 Lehrkräften geführt, wobei der zusätzliche Personalstand mit Betreuungskräften für den Ganztagsbetrieb mit ca. 35 Personen zu Buche schlägt.

1. Die wichtigsten Elemente unserer Ganztagskonzeption

1.1 Rhythmisierung des Schultages und des Lernprozesses

Im Unterschied zum herkömmlichen auf den Vormittag beschränkten Unterricht an unserer Schule soll die Rhythmisierung des Unterrichtstages ein kindgerechteres Lernen ermöglichen. Einerseits wechseln im Biorhythmus des Menschen Leistungshöhepunkte und -tiefpunkte und andererseits bestimmt der individuelle Biorhythmus auch das persönliche Arbeitstempo jedes einzelnen Kindes. Diesen naturgegebenen Gesetzmäßigkeiten soll die Unterrichtsorganisation mit Phasen der Anspannung und Erholung an unserer Schule entsprechen. Dazu gehören sowohl der Wechsel der Lehr- und Lernformen und der Lernorte als äußere Rhythmisierung (z.B. zwischen der Arbeit mit Wochen- oder sonstigen Lernplänen, Stationenlernen und Frontalunterricht) als auch die Steuerung des Lernprozesses durch jedes einzelne Kind als innere Rhythmisierung (Lernstrategien entwickeln, Lernhilfen erhalten und aufnehmen, Kontakte zu anderen Lernpartnern aufnehmen, Zeit und Lernportionen selbstständig einteilen, Entspannungsphasen bewusst erfahren und gestalten u.a.). Die Rhythmisierung des Tages ist Kernelement der jeweiligen Tagespläne.

Einige kurze Erläuterungen sollen dem besseren Verständnis dienen:

  • Der Beginn der schulischen Betreuung um 7.15 Uhr richtet sich nach den von den schulischen Gremien festgelegten Zeiten und stellt im Wesentlichen die Fortführung der bestehenden Kernzeitenbetreuung dar mit der Finanzierung durch die Eltern.
  • Der gleitende Unterrichtsbeginn ab 7.45 Uhr ermöglicht ein individuelles Ankommen in der Schule und kann im Klassenraum, im Leseraum, im Spielzimmer, im Gespräch mit Mitschülern und Lehrkräften oder mit Arbeitsvorbereitungen erfolgen – unter Aufsicht von Lehrkräften.
  • Die bestehenden Musterpläne ermöglichen durch Variation des Nachmittagsangebots die Garantie des Unterrichts nach der gültigen Stundentafel der AKS (Klasse 1: 22 Stunden; Klasse 2: 24 Stunden; Klasse 3 und 4: 26 Stunden) in Anlehnung an die Kontingentstundentafel.
  • Während der Aktiv- und Bewegungspausen werden von allen Kindern unsere Pausenspielgeräte auf dem Schulhof und -gelände genutzt. Die Verantwortung für die Ausgabe im Spielehaus tragen die Schüler der 4. Klassen.
  • Das gemeinsame Frühstück im Anschluss an die erste Bewegungspause in allen Klassen steht im Sinne der schulischen Gesundheitserziehung und dient ebenso der sozialen Kontaktpflege.
  • Kreativzeit/Ruhezeit/Spielezeit/Lesezeit/Vorlesezeit rund ums Mittagessen verstehen sich als Wahlmöglichkeiten für unsere Kinder. Angebote aus dem Bereich der Kunst, Bastelmöglichkeiten, Einsatz von Leseomas/-paten, Computerarbeit im Klassenzimmer oder PC-Raum, bereitgestellte Gesellschaftsspiele, Schulgartenarbeit … sollen den Kindern individuell gestaltbare Phasen der Erholung anbieten.
  • Kurse und zusätzliche Lernangebote stellen sowohl Stütz- und Fördermöglichkeiten in Zusammenarbeit mit den Lehrkräften als auch zusätzliche Lernmöglichkeiten nach den gegebenen Notwendigkeiten dar.
  • Hausaufgabenbetreuung im klassischen Sinn ist abgelöst durch Lernzeiten mit unterrichtsweiterführenden und -ergänzenden Lerntätigkeiten. (Üben, Wiederholen, Vorbereiten)
  • Beteiligung außerschulischer Partner im AG- oder Kursbereich. Aktuell sind folgende Vereine im Schulalltag aktiv: KSC-Olympia mit Ringen, Schachclub, CVJM, Handballverband,
  • Die Stundentafel der Nicht-Ganztagsklassen bleibt erhalten wie bisher. Die Übernahme der Pausenregelung mit zwei großen Pausen wird aus organisatorischen Gründen der Regelung der Ganztagsklassen angepasst. Während die Ganztagskinder nach der zweiten großen Pause in die Freizeit oder zum Mittagstisch wechseln, findet für die Regelkinder die 5. und 6. Unterrichtsstunde statt.
  • Die Betreuung nach dem Modell Kernzeitenregelung bleibt für die Regelkinder wie bisher erhalten. Für die Ganztagskinder kann Kernzeitenbetreuung am Morgen vor dem Unterricht gewählt werden (gegen Bezahlung).

1.2 Mehr Raum für eine neue Unterrichtskultur

Aus den obigen Ausführungen ist zu entnehmen, dass unsere Schule keine Betreuungsschule ist…Betreuung steht nicht im Vordergrund….Sondern Zeit und Raum für ein neues Lernverständ-nis im Miteinander für alle Schüler: Alle Kinder können von einem ganztägigen Schultag in einer stabilen Gemeinschaft profitieren. Der Betreuungsfaktor ist für viele Familien ein praktischer Ne-beneffekt.

  • Zeit für erkundendes Lernen:
    • Dem Lernprozess in der Schule muss das Erleben der Welt vor Ort vorangehen.
  • Zeit für entdeckendes Lernen:
    • In einer vorwiegend auf Medienwissen ausgerichteten Erfahrungswelt fehlt vielen Kindern die unmittelbare Begegnung mit den Dingen. Unser Gehirn lernt an Beispielen, nicht aus Regeln.
  • Zeit für spielerisches Lernen:
    • Spielen heißt ausprobieren.
  • Zeit für soziales Lernen:
    • Soziales Lernen kommt aus dem Spiel der Kinder, aus den vorbereiteten Gelegenheiten und Vorkommnissen des Miteinander-Umgehens.
  • Zeit zum Nachdenken:
    • Nachdenklichkeit fördert nicht nur das Denken, sondern das Leben an sich.
  • Zeit zum ästhetischen Lernen:
    • In der ästhetischen Erziehung geht es um Empfindungen und Wahrnehmungen unserer Kinder als Voraussetzung für die Entwicklung von Sensibilität, Phantasie, Erfindungsreichtum, Innovation und ästhetisches Urteilen.
  • Zeit zum Lernen lernen:
    • Kinder brauchen Methoden, Strategien, Techniken, das Lernen selbst zu planen, zu organisieren und kritisch zu bedenken. Das Lernen selbst wird zum Lerngegenstand.
  • Zeit für praktisches und Projekt orientiertes Lernen:
    • Zeit für die Förderung von Defiziten, Interessen und Begabungen

Die Entwicklung unserer Kinder erfordert zunehmend das Einlassen auf individuelle Bedürfnisse: ADHS, LRS, Sprachdefizite, Rechenschwäche, Konzentrationsstörungen, Verhaltensauffälligkeiten, Hochbegabung u.a.m. Individuelle Förderung, Lernen in Kleingruppen, jahrgangsübergreifendes Arbeiten, Themen orientiertes Arbeiten sind entsprechende Erfordernisse im Schulalltag.

Als Konsequenz steht die Forderung nach einer veränderten Unterrichtsgestaltung an unserer Schule. Mit der Initiierung individueller Lernprozesse schwerpunktmäßig in offenen Unterrichtsformen, die sich über den gesamten Schultag erstrecken,  Projektarbeiten u.a. wollen wir die Eigenverantwortlichkeit der Kinder für das Lernen fördern.
Während der Lernzeiten am Nachmittag ist jeder GT-Klasse eine Person als kontinuierliche Lernbegleitung zugeordnet, um zusammen mit der zuständigen Lehrkraft die Schüler auf ihrem jeweils individuellen Lern- und Entwicklungsweg zu unterstützen, Hilfestellungen und Tipps zu geben.

1.3 Pädagogische angeleitete Freizeitgestaltung

Kinder im Grundschulalter sollen an unserer Schule lernen, sich in der Freizeit eigenverantwortlich und nach individuellen Interessen ausgerichtet zu bewegen. Daher haben sie z. B. im Mittagsband Gelegenheit sich nach ihren Interessen im Schulhaus aufzuhalten und über ihre Tätigkeiten selbst zu entscheiden.

Außerdem wird für die ersten Klassen ein breit gefächertes Angebot von Freizeittätigkeiten von der Schule organisiert und in Kursform am Nachmittag halbjahres- oder tertialsweise angeboten. Am Ende des Schuljahres hat somit jedes Kind jedes Kurs-Angebot einmal durchlaufen und kennen gelernt.

In Klasse zwei werden unsere Kinder etappenweise zur selbstständigen Entscheidung über ihre Kurswahl angeleitet und sollen während des Schuljahres entscheiden, für welches dauerhafte Angebot eine Vorliebe besteht. Nach dieser Vorliebe werden dann für die Klassen 3 und 4 die Freizeitangebote erarbeitet.

Natürlich bestehen gerade im Freizeitbereich viele systemfeindliche Rahmenbedingungen: Raum-angebot, Hallensituation, Personalbestellung (Lehraufträge, Jugendbegleiter, HSL-Maßnahmen …), finanziellen Spielräume, ev. Transportprobleme. Hier treffen wir ständig auf neue Herausforderungen.
Glücklicherweise hat die Gemeinde Graben-Neudorf mit einem 3,7-Millionen-Neubau die Lebensräume unserer Kinder in unserer Schule wesentlich erweitert:

  • Spielezimmer
  • Lehrküche
  • Tobeparadies
  • Bau- und Puppenwelt
  • Werkstatt für Metall, Holz, Töpfern, Kunst und Experimentieren
  • Ruheinsel
  • Vergrößerter PC-Raum

In diesen Räumen dürfen sich Kinder in ihrer offenen Freizeit nach ihrer eigenen Entscheidung aufhalten und ihre Nischen finden: toben, spielen, werken, computern, sich zurückziehen, lesen oder einfach nur sich unterhalten oder manchmal auch zusätzlich lernen!

1.4 Pädagogischer Mittagstisch

Der Ganztagsbetrieb bringt unweigerlich die Notwendigkeit eines sinnvollen Mittagstisches mit sich. Eine gesunde und den Bedürfnissen unserer Kinder entsprechende Ernährung ist die beste Basis, um die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der Kinder über den ganzen Tag positiv zu beeinflussen.
Dabei wollen wir

  • den Blick für eine ausgewogene Ernährung wecken.
  • Kinder an abwechslungsreiches und vielseitiges Essen gewöhnen.
  • durch Vorbildfunktion den Genuss von Speisen kennen lernen und die Wahrnehmung des Geschmacks schulen.
  • unsere Kinder durch aktive Beteiligung an geregelte Tischsitten gewöhnen (Tischdecken, Essen mit Messer und Gabel, sich einem „Familienbetrieb“ vergleichbar am Tisch bedienen lernen, Beteiligung am Abräumen)
  • hygienische Maßnahmen einüben (Händewaschen, Zähneputzen..)
  • unsere Kinder zum permanenten Trinken anleiten).
  • den Erwerb sozialer Kompetenz durch Dialoge und Erfahrungsaustausch in der „Familiengruppe“ am Tisch unterstützen.

Unsere Kinder werden in zwei Schichten in einer allen erforderlichen Ansprüchen gerecht werdenden neuen Mensa mit Mittagessen versorgt. Dabei werden immer zwei Gruppentische (6-8 Kinder) von einem Erwachsenen, der natürlich mit den Kindern das Mittagessen einnimmt, betreut. Ein wichtiger Aspekt ist uns hierbei, dass auch die Klassen- und Teamlehrer, die gemeinsam die Verantwortung für eine Ganztagsklasse tragen, beim Essen dabei sind und Betreuungs- und Beobachtungsfunktion übernehmen.
Das Essen wird im Cook&Chill-Verfahren in einer modernen Küche in unserer Mensa von Mitarbeiterinnen eines Caterers (Fa. Sauder, Weingarten) endgegart und ausgegeben. Die Auswahl erfolgt durch Mitarbeiterinnen der Schule auf einen Dreifach-Vorschlag des Caterers.

1.5. Weitere Elemente aus dem Schulprofil

LIMA-Kurse (Lese-Intensiv-Maßnahme)

  • Seit dem Schuljahr 2000/2001 wird an der Adolf-Kußmaul-Grundschule Graben-Neudorf eine Intensivbetreuung von Kindern durchgeführt, die im Laufe der ersten Schuljahre eine deutliche Leselernschwäche zeigen. Wenn Probleme während des Leselernprozesses auftauchen, soll mit dieser Maßnahme erreicht werden, einem Leseversagen frühzeitig entgegenzuwirken .
  • Die Betreuung durch unsere Lehrkräfte erfolgt in Kleingruppen mit bis zu 6 Kindern über einen Zeitraum von ca. 12 Wochen in der Adolf-Kußmaul-Schule. Der Unterricht umfasst während dieser Zeit 15 Stunden pro Woche. Täglich von 8.00 – 10.45 Uhr erhalten diese Kinder 2 Stunden Deutschunterricht und 1 Stunde Mathematikunterricht. Die Eltern oder sonstige betreuende Personen werden in die Förderung mit einbezogen und setzen sie in häuslicher Arbeit fort. Nach dieser Intensivbetreuung sollen die Kinder möglichst in ihre Stammklassen zurückkehren.
  • Die LIMA-Kurse sind eine Maßnahme des Staatlichen Schulamtes Karlsruhe und sind für Kinder aus den umliegenden Gemeinden erreichbar.

Faustlos

  • Das Gewaltpräventionsprojekt FAUSTLOS ist ein vom Kultusministerium empfohlenes und mit Auszeichnungen versehenes Programm, das impulsives und aggressives Verhalten von Grundschülern vermindern und ihre soziale Kompetenz erhöhen soll. Aggressivem Verhalten soll vorgebeugt, Konflikte sollen ohne Gewalt gelöst werden.
  • FAUSTLOS geht dabei von drei zentralen Defiziten aus, welche die soziologische Forschung als Gewalt auslösend bei Kindern und Jugendlichen entdeckt hat:
    • Mangelnde Empathie: Man kann sich nicht in einen anderen Menschen hineinversetzen und mit ihm fühlen.
    • Mangelnde Impulskontrolle: Man reagiert intuitiv, direkt, sofort, „kopflos“
    • Mangelndes Umgangsvermögen mit Ärger und Wut: Rein destruktive Umsetzung von Wut und Gewalt.
    • Im Einsatz des Medienkoffers werden in unseren Klassen in regelmäßigen Unterrichtseinheiten die Ziele dieses Präventionsprojektes umgesetzt!

Streitschlichterausbildung

  • Im Streitschlichter-Projekt werden regelmäßig Kinder unserer 3. Klassen zu Streitschlichtern ausgebildet.
  • Zielsetzung: 
    • durch Empathietraining in der Lage sein, sich in die Situation der Hilfesuchenden zu ver-setzen
    • durch aktives Zuhören und faires, neutrales Verhalten eine Brücke bauen zwischen den Streitenden
    • möglichst die Streitenden selbst zu einer Lösung ihres Konflikts und zur Versöhnung führen
    • Nur in Einzelfällen helfen die Streitschlichter durch Lösungsvorschläge.
  • Nach einer zertifizierten Kursteilnahme übernehmen diese Kinder dann im 4. Schuljahr die offizielle Funktion der Streitschlichter – ausgestattet mit leuchtend roten Schulwesten!

Schulreifes Kind

  • Seit dem Schuljahr 2006/07 nimmt die Kußmaul-Schule am Projekt „Schulreifes Kind“ teil. Dabei sollen in enger Zusammenarbeit mit den Kindergärten frühzeitig Defizite in der kindlichen Entwicklung festgestellt und entsprechende Hilfen angeboten werden. Die Förderfelder ent-sprechen der Bildungsmatrix aus dem Orientierungsplan. In 5 Förderbereichen werden Grup-penkurse angeboten: Sprache, Wahrnehmung, Motorik, Sozialverhalten und Gesundheit. Die Teilnahme von Kindern an diesen Fördergruppen wird am „Runden Tisch“ zwischen Erzie-her/innen und Förderlehrkräften in Zusammenarbeit mit den Eltern beraten und festgelegt. Die Förderorte richten sich nach der Anzahl der Kinder aus der jeweiligen Einrichtung und der räumlichen Situation.

Schülermitverantwortung

  • Schülermithilfe in Form von Türdienst, Blumendienst, Aufsichtsdienst, Streitschlichter – jeweils mit unterschiedlichen Schulwesten gekennzeichnet
  • Schülermitsprache: Klassenrat, Klassensprecher, Kinderkonferenz, Vollversammlung

AG-Betrieb

  • Ein regelmäßiger AG-Betrieb soll 
    • ein zusätzliches Bildungsangebot für alle Kinder sein
    • das Profil der Schule wesentlich mitprägen
    • die Identifizierung der Kinder mit den Zielen der Schule vertiefen
  • Daher haben alle Kinder die Möglichkeit zur Teilnahme an einem AG-Angebot: Chor, Flöten, Orff, Computerkurse, Fußball-AG,

QUS  – Qualitätsentwicklung in Unterricht und Schule

  • Im Mittelpunkt steht bei diesem Konzept des Regierungspräsidiums Karlsruhe der Unterricht als Kerngeschäft der täglichen Erziehungs- und Bildungsarbeit und der Austausch darüber. Das QUS-Programm geht davon aus, dass Qualitätsentwicklung in Schulen sich insbesondere auf den Unterricht beziehen muss. Dem QUS-Konzept liegt die Überzeugung zugrunde, dass der zielgerichtete Austausch der Lehrkräfte über Unterrichtsprozesse die notwendige Grundlage ist, um die schulische Qualität nachhaltig zu verändern. Diesem Konzept hat die Gesamtlehrerkonferenz zugestimmt, das RP unserer Schule mit 15 anderen Schulen den Zuschlag erteilt und seither besuchen sich Kollegen/innen gegenseitig im Unterricht, beraten sich und le-gen in Zusammenarbeit mit der Gesamtlehrerkonferenz ständig neue Beobachtungsschwerpunkte fest!

Hausaufgabenbetreuung

  • Für Kinder aus den Regelklassen und für Kinder mit Migrationshintergrund gibt es eine tägliche Hausaufgabenbetreuung.

Intensive und fruchtbare Kooperation

  • der verschiedenen Gremien (Elternbeirat, Förderverein, Gemeinde) ist Grundvoraussetzung für unseren gelingenden Schulbetrieb.

Schulgarten

  • Nach den Umbauarbeiten wird auf unserem Schulgelände gerade erneut ein Schulgarten angelegt, der dann auch wieder in der Verantwortung der einzelnen Klassen und mit einem AG-Angebot, insbesondere im Ganztagsbetrieb, gepflegt werden soll.

Schulhund

  • „Amadeus“, ein junger friedlicher Golden Retriever, heißt momentan der große Star an unserer Schule. Er wird derzeit im Probebetrieb zum möglichen Schulhund ausgebildet und soll unsere pädagogische Arbeit zusätzlich fördern.

1.3 Ausblick auf den GS-Ganztagsbetrieb –
nach fast 3 Jahren Erfahrung

Eine sinnvolle Ganztagspädagogik setzt in der Grundschule an! Dort, wo Schule für das Leben von Kindern an Bedeutung gewinnt und Kinder erfahren, was Schule als Lebensgemeinschaft für sie bedeutet. So erfahren Kinder z.B., dass zum Schulbetrieb eine gesunde Ernährung gehört, was in weiterführenden Schulen ein weitaus größeres Problem darstellen dürfte.
Im Ganztagsbetrieb der Grundschule werden Kinder durch die Erfahrung mit der Selbstentscheidung im Lernprozess, in der offenen und gebundenen Freizeitgestaltung und am Mittagstisch in ihrer Persönlichkeitsentwicklung wesentlich gefördert.
Kinder erfahren gerade in der GT-Grundschule, dass sich dort in einer Umgebung des Vertrauens, Wohlfühlens, gegenseitigen Wertschätzens über den gesamten Tag das persönliche Leistungsvermögen optimal entwickeln kann.
Die gebundene Form der Ganztagsschule eröffnet die Möglichkeit den Tagesablauf der Kinder sinnvoll zu rhythmisieren (Anspannung und Entspannung)  und sie optimiert somit die Leistungsbereitschaft der Kinder.
Die Vertrauensbasis und somit der regelmäßige Austausch zwischen Elternhaus und Schule muss im gebundenen Ganztagsbetrieb wesentlich intensiver sein als im Regelbetrieb und der offenen Form der GTS. Die Verantwortung der Lehrkräfte bezieht sich sowohl auf den individuellen Lernprozess, das Verhalten beim Essen und in der Freizeit. Hierfür ist die Klassenlehrkraft der verlässliche Ansprechpartner für Eltern! Regelmäßige Elterninfostunden in der Schule gehören zum GT-Alltag.
Lehrkräfte im Ganztagsbetrieb haben zwar kein höheres Deputat, aber eine auf viele weitere Bereiche des Tagesablaufs ausgedehnte, somit höhere und andersartige Verantwortung.
In offenen Ganztagsschulen, die von der Ganztagspädagogik als „Gemischtwarenangebot mit Selbstbedienungscharakter“ angesehen wird, kann sich jeder nach Belieben bedienen, wodurch eine Rhythmisierung für alle erst gar nicht ermöglicht wird. Der Unterricht beschränkt sich im Wesentlichen auf den Vormittag oder auf eventuelle Schulnachmittage in Abhängigkeit von der Stundentafel.
Damit muss an weiterführenden Schulen mit zuweilen fast 40 Unterrichtsstunden hinter die Umsetzung einer sinnhaltigen Ganztagspädagogik (Rhythmisierung, pädagogisch organisierte Freizeit, offenen Unterrichtsformen und Mittagstisch) ein dickes Fragezeichen gesetzt werden.
Aber auch in gebundenen GT-Schulen bleiben weiterhin viele Fragen offen: Eine erste Klasse im Ganztagsbetrieb z.B. erhält 22+6 Unterrichtstunden, was einer Zeitstundenanzahl von 21 Stunden entspricht. Diese Kinder verweilen aber ca. 38 Stunden während der Woche im Ganztagsbetrieb! 17 Zeitstunden müssen daher in Betreuungsform abgesichert werden! Wer stellt das Personal?
Die Personalquellen sind Lehrbeauftragte, Jugendbegleiter, HSL-Kräfte und Personal der Kommunen! Alle Verfahren zur Personalgewinnung sind sehr aufwändig, umständlich und verwaltungsfeindlich! Nahezu alle Schulen müssen ums Personal „kämpfen“!  Das Land Ba-Wü und die Gemeinden müssen dringend Lösungen finden, die die Verantwortung für die Finanzierung von dem so besonders wichtigen sonstigen pädagogischen Personal einer GTS regeln. Es braucht an einer gebundenen Ganztagsschule dringend außerunterrichtliche pädagogische Fachkräfte wie Erzieher oder Sozialpädagogen.
Schulsozialarbeit sollte in Ganztagsschulen zur Standardausstattung gehören, da soziale Ungleichheiten im Ganztagsbetrieb belastender sein können als im üblichen Vormittagsbetrieb in Regelklassen.
Die Auswahl und Zuweisung geeigneter Lehrkräfte für Ganztagsschulen, die in noch größerem Maße auf eine Profil-Passung angewiesen sind, sollte vereinfacht werden. Ganztagsschulpädagogik sollte zunehmend in der Ausbildung junger Lehrkräfte einen festen Platz haben.
Ganztagsschulklassen in der Grundschule sind keine Zuliefergaranten für das Gymnasium, wie es zuweilen in der Öffentlichkeit empfunden werden könnte! Auch in Ganztagsklassen finden wir das gesamte Spektrum unserer Schülerpopulation. Dieses sollte berücksichtigt werden, wenn es um Vergleiche mit den „handverlesenen“ Klassen der weiterführenden Schulen geht.
Blamabel bleibt für unseren Dienstherrn der Umgang mit Ganztagsschulleitungen. Während schon für die Beantragung ein komplettes schulspezifisches Konzept erarbeitet werden muss, kann eine solche Organisation nur gelingen, wenn die Verantwortlichen zu einem hohen Einsatz an Energie, Informationsbereitschaft, Organisationstalent, Zeit, Hingabe und viel Herzblut bereit sind! Auch ist eine Ganztagschule nie eine „fertige Einrichtung“, da sich durch Veränderungen in der Schülerzahl, Deputatssituation an der Schule, räumlichen und personellen Abhängigkeiten, Organisation von Vertretungen immer wieder die Bedingungen ändern. Für diese gesamte Arbeit stellt der Dienstherr für Schulleitungen nur 1 Stunde Deputatsanrechnung für Gestaltung und Verwaltungsarbeiten pro Woche (!) zur Verfügung. Eine erwartete „Nebenbei-Organisation“ signalisiert ehe eine politische Mogelpackung!

Ein Kind nach den Anleitungen eines Buches zu erziehen,
ist gut,
nur braucht man für jedes Kind ein anderes Buch.

 

Wir suchen im Sinne dieser Lebensweisheit eines unbekannten Verfassers gemeinsam nach diesen Büchern und sind bereits jetzt stolz aus das bisher Erreichte!

Otmar Winzer, Rektor
Stellvertretender VBE Landesvorsitzender

Steffi Bange, Konrektorin
Mitarbeiterin der Verbandsleitung
im VBE