„Wir haben das beste Schulsystem“, erläuterte Marion Schick, ehemalige Kultusministerin in Baden-Württemberg, noch auf der didacta im Februar 2011. Fakten- und datenreich verteidigte die CDU-Politikerin das differenzierte Schulsystem Baden-Württembergs gegenüber der Gemeinschaftsschule ihrer nordrhein-westfälischen Kollegin Silvia Löhrmann, Grüne.
Marion Schick reihte sich damit in eine lange Tradition ein. Vor ihr war Helmut Rau Kultusminister, davor Annette Schavan Kultusministerin. Gerade Annette Schavan ist es, die jetzt als Bundesministerin für Bildung und Forschung von dieser Tradition abrückt. Laut verkündet sie den Bruch der CDU mit der Hauptschule und ruft das neue Modell der gemeinsamen Beschulung von Haupt- und Realschülern aus. Zwei Säulen soll es in Zukunft noch geben: die Oberschule und das Gymnasium. Wie kommt der Wandel? Ist die Gemeinschaftsschule die bessere Schule für unsere Kinder? Noch vor kurzem behauptete Schavan das Gegenteil. Gibt es neue unwiderlegbare pädagogische Erkenntnisse, die jetzt diesen Schluss zulassen? Oder gibt es neue, unwiderlegbare fiskalische Erkenntnisse, die bei zurückgehenden Schülerzahlen und Finanzmitteln nur diesen Schluss zulassen? Wird Pädagogik missbraucht, um Politik zu machen? Was ist die richtige Pädagogik? Niemand weiß das besser als wir Lehrer. Wir wissen genau, was für die Kinder gut ist, die uns jeden Tag gegenübersitzen. Wir arbeiten mit ihnen, reden mit ihnen, pflegen den Kontakt zu den Eltern und wir können sehr genau einschätzen, in welchem Klima unsere Kinder am besten gefördert werden können. Wenn wir in Baden-Württemberg in die Lehrerzimmer hineinhören, hören wir unterschiedliche Meinungen hierzu. Freude über die Entwicklung hin zur Ganztagesschule genauso wie ein starkes Festhalten an der Differenzierung in Haupt- und Realschule. Und natürlich ist es so! Wir haben in Baden-Württemberg eine uneinheitliche Bildungslandschaft! Wir können nicht Mannheim mit Gebrazhofen im Allgäu vergleichen und glauben, für beide Orte passt das gleiche System optimal. Nein, wir müssen die Systemfrage öffnen. Sie darf nicht zum Bestimmungsfaktor der Bildung werden. Im Mittelpunkt der Überlegungen muss der Schüler stehen. Bildung muss sich an den Gegebenheiten vor Ort und dem Dialog der Bildungsbeteiligten, den Lehrern, den Eltern und der Kommune, orientieren. Die jetzt von der Bundes-CDU favorisierte Oberschule deckt sich übrigens in Teilen mit einem Modell, das der VBE entwickelt und vergangenen Herbst vorgestellt hat: Die erweiterte Realschule, die zur Studierfähigkeit führen kann, und Haupt- und Realschüler aufnimmt. Dieses Modell ist ein Vorschlag des VBE und kein flächendeckender Zwang! Das ist der Unterschied. Wir wollen Funktionierendes bewahren und dort Angebote machen, wo Bestehendes nicht mehr passt. Schullandschaften müssen sanft und flexibel entwickelt werden – und nicht mit dem Hammer!
Gerhard Brand 28.06.2011