Zumeldung zur Landespressekonferenz der SPD: Sonderopfer dämpfen Motivation der Beamten

VBE ruft zur Protestveranstaltung nach Stuttgart

Stuttgart. „Bei sprudelnden Steuermehreinnahmen den Lehrern im Beamtenverhältnis spürbare finanzielle Sonderopfer abzuverlangen und sie gleichzeitig für den grün-roten Bildungsaufbruch mit einer völlig neuen Schulart motivieren zu wollen, ist in gewisser Weise schizophren“, artikuliert der Sprecher des Ver­bandes Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg das Unverständnis der meisten Beamten für die erneuten Sparmaßnahmen.

Wenn die neue grün-rote Landesregierung im Schulbereich einen Aufbruch in Richtung Gemeinschaftsschulen wagen will, benötigt sie besonders motivierte Leh­rer. Wenn nun zu der in letzter Zeit ständig zunehmenden Mehrarbeit der Schullei­tungen und Lehrer auch noch einseitig finanzielle Sparmaßnahmen draufgesattelt werden, ist ein Punkt erreicht, der die Reformfreude der Pädagogen erstarren und den ganzen Unmut gegen den Arbeitgeber ausbrechen lässt.

Der VBE hat – wie alle anderen Fachorganisationen im Beamtenbund (BBW) – Mitglieder und alle dem VBE nahestehenden Pädagogen mobilisiert, zu einer zen­tralen Protestkundgebung nach Stuttgart in die Liederhalle geladen und dazu Bus­fahrten selbst aus entfernten Teilen des Landes organisiert (siehe auch Anlagen). Ministerpräsident Kretschmann und Sprecher der im Landtag vertretenen Parteien werden sich dem ob der durchgesickerten „Giftliste“ immer offener geäußerten Un­mut der Beamtenschaft am 3. März ab 10.00 Uhr stellen.

VBE Landesvorsitzender Gerhard Brand

Gerhard Brand, VBE Landesvorsitzender

VBE-Chef Gerhard Brand schimpft: „Schulden zu reduzieren ist ein hehres Un­terfangen, das jede Regierung gerne hinbekommen möchte. Es ist aber schon ir­gendwie perfide, ausgerechnet wieder die Landesbediensteten zur Kasse zu bitten, nur weil die sich als loyale Beamte nicht richtig ´wehren` dürfen und Personalaus­gaben nun einmal ein dicker Unkostenposten im Finanzhaushalt sind.“

Der VBE erteilt dem begehrlichen Ansinnen der grün-roten Regierung nach strukturellen Eingriffen bei der Beamtenbesoldung, der Beihilfe und den Versor­gungsbezügen eine klare Absage: Beamte und Pensionäre werden nicht schon wie­der für einseitige Sonderopfer den Kopf oder – präziser formuliert – die Geldbörsen hinhalten.

27. Februar 2012

 

 

VBE: Gesellige Fröhlichkeit geht auch ohne Vollrausch

Lieber rote Pappnasen statt angetrunkener Schnapsnasen

Stuttgart. „Stell dir vor, es ist Fasching, und keiner wäre blau“, sinniert der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Gerhard Brand, um dann zu dem Schluss zu kommen: „Wer in diesen närrischen Tagen Alkoholabstinenz einfordert, wird wahrscheinlich als selbst nicht ganz klar im Kopf bezeichnet.“

VBE Landesvorsitzender Gerhard Brand

Gerhard Brand, VBE Landesvorsitzender

Aber wenigstens bei Kindern und Jugendlichen wünscht sich der VBE-Chef lieber aufgesetzte rote Pappnasen statt angetrunkener Schnapsnasen. Vom Kindergeburtstag mit verführerisch süßen Alcopops bis hin zum exzessiven Kampftrinken mit harten Sachen und Komasaufen Jugendlicher reicht die Palette alkoholbedingter Fehltritte – bei sinkendem Einstiegsalter der Konsumenten. Wenn Schüler Drogen wie Spice, Haschisch und Ecstasy konsumieren, werden Eltern schnell unruhig. Alkoholmissbrauch wird jedoch allzu gern als notwendiges Ritual zum Erwachsenwerden toleriert – vor allem bei männlichen Jugendlichen. Je früher der junge Mensch an die „Volksdroge Nummer eins“ herangeführt wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er später massive Probleme mit dem Alkohol bekommt – mit all den Folgen, unter denen die Gesellschaft heute zu leiden hat. Dass es Geselligkeit und Spaß auch ohne Alkohol gibt, können sich manche schon gar nicht mehr vorstellen. Gesellschaftliche Ereignisse wie Jubiläen oder Be­förderungen ganz ohne Alkoholika zu begehen, wäre für viele schlichtweg undenk­bar. Und eine Faschingsfete oder eine Karnevals-Prunksitzung ganz ohne Sekt, Wein und Bier ist für die meisten wie Trockenschwimmen. Der VBE hält es für richtig, wenn bei Veranstaltungen auch fantasievoll gemixte Cocktails ohne hochprozentigen Zusatz sowie alkoholfreie Softdrinks offen ange­boten werden, damit sich niemand dafür “entschuldigen“ muss, wenn er keinen Al­kohol trinkt. Es geht nicht darum, den Alkohol zu verteufeln, der – maßvoll getrun­ken – sogar von Medizinern gelegentlich empfohlen respektive selber genossen wird. Es ist aber notwendig, frühzeitig auf das nicht zu unterschätzende Suchtpo­tenzial und die katastrophalen Folgen des Alkoholmissbrauchs hinzuweisen. Der VBE rät allen Schülern gleich welchen Alters, sich jetzt in der heißen Endpha­se der Fastnacht die roten Nasen nur aufzusetzen und sich diese auf keinen Fall anzutrinken. 18.02.2012

Eine spannende Geschichte:

Starterschulen 2012/13

 

 

Das Kultusministerium hat die Spannung um die sogenannten „Starterschulen“ Mitte Januar gelöst: 34 Schulen landesweit gehen zum Schuljahr 2012/13 an den Start. Der VBE hat sich erlaubt, die Starterschulen in eine übersichtliche Tabelle einzugliedern und schon wird einiges ganz deutlich:

  • Viele Schulen machen von der Ausnahmeregelung Gebrauch: Starterschulen sollten in der Regel 2-zügig sein! Viele sind 1- bis 2- zügig.
  • Die Befürchtung, dass hauptsächlich Haupt- und Werkrealschulen die Interessenten sind hat sich bewahrheitet! Realschule nur am Rande und Gymnasien haben sich für diese Schulart überhaupt nicht zu Wort gemeldet. Der Politik ist es bisher offensichtlich nicht gelungen in diesen beiden Schularten das für die Zielsetzung der Gemeinschaftsschule so dringend notwenige Interesse zu wecken. Zu viele Unklarheiten und Ungereimtheiten stehen da wohl noch im Weg (z.B. Lehreraus- und Fortbildung, Arbeitszeiten – 27 Stunden für alle, auch für Gymnasiallehrkräfte u.a.)
  • Hoffentlich stecken in diesen Zahlen nicht verkappte Standortsicherungen, die die eigentlichen Zielsetzungen der Gemeinschaftsschulen konterkarieren würden. Wenn Zügigkeiten auf verschiedenen Standorten verteilt werden (müssten), wird insgesamt kein gesundes und förderliches Schulklima entstehen können.
  • Interessant wird für den VBE auch die Weiterentwicklung der Starterschule zu gebundenen Ganztagsschulen. So ist zu bezweifeln, dass die 2 Stunden beim 3-Tagesbetrieb bzw. 3 Stunden beim 4-Tagesbetrieb zusammen mit der „Starthilfe“ in Höhe von 6 Stunden auf 3 Jahre für die Umsetzung einer adäquaten Ganztagspädagogik (Rhythmisierung, individuelles Lernen, verbindlicher Mittagstisch und Freizeitbetrieb – ungebunden und gebunden) ausreichen.
  • Beim Blick in die Regionen fällt auf, dass mit 13 Schulen der Stuttgarter Raum die reformfreudigste Region ist, gefolgt von Tübingen mit 10 Schulen und Freiburg mit 8 Schulen. Schlusslicht bildet der Regierungsbezirk Karlsruhe mit 3 Schulen! Ob bei den Karlsruhern wegen der vielen Unwägbarkeiten die Reformfreude am Schreibtisch gestorben ist, bleibt zunächst dahingestellt!

 

Der VBE wünscht allen Starterschulen ein gutes Gelingen, den erhofften Erfolg für ihre Schüler/innen und stets immer den Blick für das Positive. Der VBE ist überzeugt, dass es gelingen kann, Beispiel zeigen dies deutlich. Wenngleich nahezu alle gelingenden Beispiele über eine wesentlich bessere Ausstattung verfügen. Der VBE wird sich weiter darum bemühen, dass die Politik die notwendigen Rahmenbedingungen schafft und nicht alle Verantwortung für das Gelingen auf die Schultern der betroffenen Lehrkräfte abgeladen wird.

Otmar Winzer, Stellvertretender Landesvorsitzender

Stellungnahme zur Verordnung des Kultusministeriums Baden-Württembergs zur Änderung schulrechtlicher Vorschriften

Das Referat Hauptschule/Werkrealschule des VBE Baden-Württemberg nimmt zur Entwurfsfassung der Verordnungen des Kultusministeriums Baden-Württembergs zur Änderung schulrechtlicher Vorschriften (WRSVO) vom Dezember 2011/Januar 2012 wie folgt Stellung:

Zur Verordnung des KM über die Ausbildung und
Prüfung an Werkrealschulen (WRSVO)

 

Erster Teil (Ausbildung)/Erster Abschnitt (Allgemeines)

Der VBE begrüßt die Verabschiedung vom wissenschaftlich nicht haltbaren Begabungsbegriff (ehemals „Förderung von  praktischen Begabungen, Neigungen und Leistungen“) als Kriterium der Selektierung beziehungsweise der Förderung von Schülern.

Der VBE weist sowohl auf die Chancen als auch auf die umfassenden Herausforderungen in Korrelation zur Notwendigkeit adäquater Rahmenbedingungen einer individuellen Förderung von Schülern, wie in § 1 Absatz 2 konstatiert, hin und begrüßt zugleich die Beibehaltung der kontinuierlichen Berufswegeplanung als Element des pädagogischen Profils der Schulart Werkrealschule.

 

Erster Teil/Zweiter Abschnitt (Unterricht und Versetzung in
den Klassen 5 bis 10)

Der VBE bedauert die trotz vielfacher Kritik erfolgte Beibehaltung des Fächerverbundes Musik-Sport-Gestalten.

Der VBE weist auf die steigende Herausforderung und die Fragwürdigkeit der betrieblichen Unterstützung schulisch begleiteter Praktika in allen Klassenstufen, insbesondere in der Orientierungsstufe, hin.

Der VBE stellt den konzeptionellen Ansatz der gemeinsamen Unterrichtung von Schülern, die den Hauptschulabschluss, und Schülern, die den Werkrealschulabschluss anstreben, in Klasse 10 deutlich in Frage.

Der VBE weist in aller Deutlichkeit darauf hin, dass der Wegfall einer Zugangsberechtigung zum Besuch der Klasse 10 mit Bildungsziel Werkrealschulabschluss nicht zugleich alle Schüler befähigt, den Anforderungen eines mittleren Bildungsabschlusses zu genügen.

Gemäß neuer Konzeption sollen innerhalb des Klassenverbandes des Prüfungsjahrgangs im Abschlussjahr zusätzlich zu der an einer Klassenstufe ausgerichteten Individualisierung unter der Bedingung einer deutlichen Niveauanhebung vor dem Hintergrund des Erwerbs eines mittleren Bildungsabschlusses unterschiedliche, dem jeweiligen Bildungsziel der Schüler angepasste schriftliche Arbeiten gefertigt werden.

Der VBE hält diesen Ansatz in der Praxis unter den aktuellen Rahmenbedingungen für nicht belastbar und insbesondere hinsichtlich leistungs- und motivationsschwacher Schüler für unvorteilhaft, da den Lern-, Unterstützungs- und Ergebnisanforderungen der Schüler nicht in adäquatem Maße entsprochen wird.

Vor diesem Hintergrund kommt der Beratung der Eltern eine neue Bedeutung zu, der nach Meinung des VBE durch veränderte Vorbereitung, Transparenz und Fortbildung Rechnung zu tragen ist.

 

Erster Teil/Zweiter Abschnitt (Besondere Bestimmungen für
Versetzung und Übergang in Klasse 10)

Der VBE konstatiert die Notwendigkeit der Festlegung beziehungsweise der Mitteilung der Form der schriftlichen Rückmeldung an Schüler, die den Hauptschulabschluss am Ende von Klasse 10 anstreben und ohne Versetzungsentscheidung nach Klasse 10 gehen, am Ende von Klasse 9 durch die Klassenlehrkraft.

 

Erster Teil/Zweiter Abschnitt (Wechsel des Abschlusszieles)

Der VBE erachtet die Regelung, dass ein Schüler, falls dieser nicht in Klasse 10 versetzt wird, in Klasse 9 bis zum Schuljahresende erklären kann, den Hauptschulabschluss am Ende von Klasse 10 anzustreben beziehungsweise dass die Erklärung eines in Klasse 10 versetzten Schülers innerhalb der ersten vier Wochen nach Unterrichtsbeginn zur Unterrichtung nach den Anforderungen für den Hauptschulabschluss, nur dann für schlüssig, wenn in Klasse 9 nicht bereits der auch zusätzlich freiwillig mögliche Hauptschulabschluss abgelegt wurde. Ansonsten bietet die vorgelegte Regelung die fragwürdige und in keiner anderen Schulart mögliche Wiederholung eines Abschlusses, die sich als Modell im Rahmen des überholten Berufsvorbereitungsjahrs in der Regel nicht als vorteilhaft für die betroffenen Schüler erwiesen hat.

 

Zweiter Teil (Schulische Prüfungen)/Erster Abschnitt
(Werkrealschulabschlussprüfung)

Der VBE stellt fest, dass künftig kein Zeitraum für die mündliche Prüfung durch die oberste Schulaufsichtsbehörde festgelegt werden soll.

Der VBE begrüßt die Rückkehr zur Zusammensetzung bewährter Prüfungsausschüsse beziehungsweise zur Einführung einer personalschlanken, das heißt in geringerem Umfang unterrichtsausfallrelevanten Struktur der mündlichen Prüfungen, im Rahmen derer die Beschränkung des Fachausschusses auf den Vorsitzenden oder ein bestelltes Mitglied des Prüfungsausschusses, zugleich mit der Aufgabe, die Prüfung zu leiten und zu protokollieren, erfolgen soll.

Der VBE bemängelt, dass zu der „besondere[n] Form der mündlichen Prüfungen“, die nach Wahl des Schülers im Fächerverbund Materie-Natur-Technik oder im besuchten Wahlpflichtfach stattfinden soll, keine Konkretisierungen vorliegen.

Der VBE kritisiert aufgrund praktischer Erfahrungen die Beschränkung der Richtzeit der mündlichen Prüfung auf 15 Minuten –  insbesondere vor dem Hintergrund, dass die mündliche Prüfung neben dem Prüfungsgespräch eine Präsentation umfassen kann und die Anteile von Präsentation und Prüfungsgespräch annähernd gleich sein sollen.

Der VBE stellt die Notwendigkeit und die Aussagekraft der Ausweisung der im Jahreszeugnis in Klasse 9 im komplexen Fächerverbund Wirtschaft-Arbeit-Gesundheit erteilte Note im Abschlusszeugnis (ohne für das Bestehen maßgebend zu sein) in Frage, da ein Leistungsbild im Bereich Berufsorientierung auch den Ergebnissen der Wahlpflichtfächer entnommen werden kann.

 

Zweiter Teil/Zweiter Abschnitt (Hauptschulabschlussordnung)

Der VBE hält die Regelung, dass bei der Bewertung der Jahresleistung im Fall des Ablegens der Prüfung am Ende von Klasse 10 nur die in dieser Klassenstufe erbrachten Einzelleistungen zu Grunde gelegt werden, insofern für nicht schlüssig, als die Teilnahme an der themenorientierten Projektprüfung für alle Schüler der Klasse 9 verbindlich ist (vgl. §27 HSAVO/Teilnahme an der Prüfung).

Ungeklärt lassen die vorliegenden Ausführungen, welche der beiden in Klasse 9 und 10 ermittelten Noten für die themenorientierte Projektprüfung in Folge als Prüfungsleistung in die Gesamtnote eingeht, wenn die Hauptschulabschlussprüfung in Klasse 10 abgelegt wird.

Der VBE bezweifelt die Existenz signifikanter Vorteile für Schüler, die im Fall des Nichtbestehens der Prüfung in Klasse 9 aus dem in diesem Fall – im Gegensatz zu einer Wiederholung der Klasse 9 – möglichen Besuch der Klasse 10 erwachsen sollen.

Dritter Teil (Schulfremdenprüfung) – ohne Kommentierung


 

Vierter Teil (Übergangsvorschriften, Inkrafttreten)

Der VBE begrüßt die durch den engen vorhandenen Zeitkorridor notwendige Übergangsregelung, dass die Erklärung über den gewünschten Bildungsabschluss im Schuljahr 2011/2012 anstatt bereits zum Ende des ersten Schulhalbjahres bis zum 01.03.2012 abzugeben sind und die Schüler der Klassenstufe 9 2011/2012 einheitlich eine Halbjahresinformation mit beratungsrelevanten Tendenznoten erhalten sollen.

Der VBE kritisiert, dass aus dem engen Zeitkorridor der Übergangsvorschrift an vielen Schulen Engpässe bezüglich der fristgerechten Herstellung der technischen Voraussetzung zur üblichen, EDV-gestützten Erstellung der Halbjahresinformationen resultier(t)en.

Der VBE weist darauf hin, dass eine Personengruppe wie in Absatz 2 dargestellt, die im Schuljahr 2011/2012 in Klasse 10 eingetreten ist und die Abschlussprüfung nach Klasse 10 der Hauptschule nach Hauptschulabschlussprüfungsordnung mit Wahlpflichtfach nicht bestehen würde, nicht existiert: Bislang werden ausschließlich die Klassenstufen 8 und 9 in den Wahlpflichtfächern unterrichtet.

 

Anlagen: Kontingentstundentafel für die Werkrealschule

Der VBE erachtet die in Klasse 10 zwischen Werkrealschulabschluss und Hauptschulabschluss differenzierenden Stundentafeln für unzureichend, da – gemäß der aufgeführten Vorbemerkungen – die für den Hauptschulabschluss in Klasse 10 ausgewiesenen Stunden nur Richtwerte darstellen, von denen je nach organisatorischer und personeller Voraussetzung sowie Lernstand der Schüler abgewichen werden kann, wobei die Mindeststundenzahl von 29 Wochenstunden nicht unterschritten werden dürfe.

Für den betroffenen Bereich Berufsorientierende Bildung sehen die beigefügten Erläuterungen vor, nach Organisation der Schule Praktika an einem Tag, an zwei Halbtagen oder im Block anzubieten; die Phase im Betrieb oder in der Ausbildungsstätte solle mindestens 6 Unterrichtsstunden umfassen sowie zwei Unterrichtsstunden für die Reflexion/Aufarbeitung der Praktikumsphase; für den Bereich Kompetenztraining ist ein ergänzendes Angebot ab 2 bis 4 Wochenstunden, sofern die organisatorischen und personellen Voraussetzungen vorliegen, formuliert.

Zugleich sieht die Kontingentstundentafel für den Hauptschulabschluss in Klasse 10 im Vergleich zu den gemeinsam unterrichteten Schülern mit Bildungsziel Werkrealschulabschluss die signifikante Halbierung der Stundenzahlen in den Prüfungsfächern Deutsch, Mathematik und Englisch sowie in Materie-Natur-Technik vor, was seitens des VBE angesichts kritischer Rückmeldungen aus der Wirtschaft zu eingeschränkten Lese, Schreib- und Rechenkompetenzen von Schulabgängern nur eingeschränkt nachvollziehbar ist.

Die Textgestaltung zur Kontingentstundentafel für die Werkrealschule zeugt nach Meinung des VBE von einer vergleichsweise geringen Wertschätzung und Bereitschaft zur Ressourcenausstattung dieses schulischen Angebots.

Der VBE stellt aufgrund des unter der letzten Landesregierung zunächst eingeführten und im Zuge der Modifizierung des Werkrealschulangebots nach vergleichsweise kurzer Zeit wieder eingestellten Praxiszugs für die Zielgruppe der leistungs- und motivationsschwachen Hauptschüler der Klassenstufen 8 und 9 gemachten Erfahrungen deutlich infrage, ob für die in Klasse 10 den Hauptschulabschluss ablegende Schülergruppe in den anvisierten (obschon für die Landesregierung in weiten Teilen ressourcenneutralen) Phasen in Betrieben die erwünschten Effekte hinsichtlich einer Ausbildungsreife und –bereitschaft resultieren werden.

Im Zuge der Inklusion begrüßt der VBE die Ergänzung der Anlagen um Kontingentstundentafeln für den Bildungsgang Werkrealschule mit unterschiedlichen sonderpädagogischen Ausrichtungen.

Heike Stober, Mitglied des Landesvorstandes des VBE Baden-Württemberg

Gemeinschaftsschule

Eine neue Schulart in Baden-Württemberg

 

Teil 1: Auszug aus MKS-Papier

Gründe für Gemeinschaftsschulen:

Die grün-rote Landesregierung versteht Bildungspolitik als einen Prozess, der von unten wächst. Dies gilt auch und in besonderem Maße für die Einführung der Gemeinschaftsschule. Es ist uns Ansporn und Verpflichtung, beste Bildungschancen für alle zu schaffen. Kinder und Jugendliche zu fördern, ihre Verschiedenheit als Wert anzuerkennen und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Fähigkeiten und Potenziale optimal zu entfalten, sind die Leitgedanken unserer Bildungspolitik. Dazu zählen selbstverständlich auch Kinder mit Behinderungen als Teil unserer Gesellschaft. Wir wollen dabei alle Bildungseinrichtungen unterstützen, sich verstärkt auf die Unterschiedlichkeit der jungen Menschen einzustellen

Ziele der Gemeinschaftsschule

  • Durch ein Maximum an individuellem und ein Optimum an gemeinsamem Lernen entwickeln Kinder und Jugendliche Freude am Lernen.
  • Jedes Kind bekommt die bestmögliche Förderung und erreicht den optimalen Schulabschluss. Das gilt auch für Kinder mit Behinderungen.
  • Menschliche Unterschiede werden als Bereicherung erlebt und stärken im schulischen Alltag das Verständnis von Demokratie.
  • Herkunft und Bildungserfolg werden weitgehend entkoppelt.
  • Mit den Eltern wird aktive Erziehungspartnerschaft gelebt.

Pädagogisches Konzept der Gemeinschaftsschule

Die Gemeinschaftsschule ist eine leistungsstarke und sozial gerechte Schule, die sich sowohl am Leistungsprinzip als auch am Prinzip der Chancengleichheit orientiert. Die Gemeinschafts-schule ist eine Schule mit inklusivem Bildungsangebot, in der sowohl Menschen mit und ohne Behinderungen gemeinsam lernen und in ihren Begabungen gefördert werden.

Alle Bildungsstandards werden angeboten und die Schülerinnen und Schüler sollen bestmöglich nach ihren individuellen Voraussetzungen, Fähigkeiten und Interessen gefördert werden. Dazu bietet die Gemeinschaftsschule eine anregende Lernumgebung an, in der voneinander und miteinander zielorientiert gelernt wird und wo selbstverantwortlich geforscht, gearbeitet, gespielt, gelacht und gefeiert werden kann. Kurz: Die Gemeinschaftsschule ist ein Lebens- und Erfahrungsraum, in dem sich Persönlichkeiten entwickeln können, die in unserer Gesellschaft ihren Platz finden wollen und können. Schülerzentrierte Lern- und Unterrichtsformen sollen ermöglichen, dass sich ein Maximum an individuellen Lernprozessen mit einem Optimum an gemeinsamem Lernen verbindet. Darüber hinaus findet eine Orientierung an der Berufs- und Lebenswelt statt und der enge Kontakt mit den Eltern wird zum Wohl der Kinder regelmäßig gepflegt

Formen der Gemeinschaftsschule

In der Regel umfasst eine Gemeinschaftsschule die Sekundarstufe I (Klassenstufen 5-10). Wenn die GMS in der Klassenstufe 10 eine genügend große Zahl von Schülerinnen oder Schülern mit Gymnasialniveau hat, kann sie eine Sekundarstufe II (Klassenstufen 11-13) zusätzlich anbieten. Auch die Aufnahme der Primarstufe (Klassenstufen 1-4) in eine Gemeinschaftsschule ist möglich. Insgesamt ergeben sich also vier Modellvarianten:

  • Klassenstufen 1-10
  • Klassenstufen 5-10
  • Klassenstufen 5-13
  • Klassenstufen 1-13

Eine Gemeinschaftsschule ist zumindest in den Klassenstufen 5-10 stets eine Ganztagsschule. Das bedeutet, dass an 3 oder 4 Tagen der Woche ein Ganztagesbetrieb mit rhythmisiertem pädagogischem Angebot gewährleistet sein muss.

Bildungspläne der Gemeinschaftsschule

Die derzeit gültigen Bildungspläne für die allgemein bildenden Schulen Baden-Württembergs stammen aus dem Jahr 2004. Im Rahmen der geplanten Reform der Bildungspläne 2015/16 bildet die Schnittmenge der Bildungspläne Hauptschule/Realschule/Gymnasium einen Basisplan für die Gemeinschaftsschule. Je nachdem, welcher Abschluss in der GMS angestrebt wird, gelten darüber hinaus die Bildungsstandards der entsprechenden Schularten. Die GMS arbeiten zunächst in den Jahrgangsstufen 5 und 6 nach dem Bildungsplan der Realschule 2004.

Lehrkräfte an der Gemeinschaftsschule

Im Endausbau werden an der Gemeinschaftsschule Lehrkräfte aller Schularten unterrichten. Alle Lehrerinnen und Lehrer können in allen Lerngruppen der Sekundarstufe I eingesetzt wer-den. Wenn die Gemeinschaftsschule eine Sekundarstufe II anbietet, unterrichten dort nur Gymnasiallehrerinnen und -lehrer. Die Gemeinschaftsschulen werden neue Stellen grundsätzlich durch schulbezogene Ausschreibungen besetzen

Schulabschlüsse der Gemeinschaftsschule

Da in den Lerngruppen alle Bildungsstandards angeboten und von unterschiedlichen Schüle-rinnen und Schülern nach ihren Fähigkeiten erreicht werden, sind auch alle Abschlüsse möglich:

  • Hauptschulabschluss nach Klasse 9 oder 10
  • Realschulabschluss nach Klasse 10
  • Abitur nach der Sekundarstufe II entweder an der GMS oder an einem allgemein bildenden Gymnasium

 

Teil 2: VBE-Stellungnahme zur Gemeinschaftsschule

Der VBE anerkennt die Absicht und Ziele der Einführung der Gemeinschaftsschulen als Bereicherung der Bildungslandschaft in Baden-Württemberg. Der VBE ist sich gleichzeitig aber auch bewusst, dass an den meisten Schulen/Schularten in Baden-Württemberg bisher gute Arbeit geleistet wurde und wird. Nationale Vergleiche legen dafür Zeugnis ab.

Der VBE meint dazu:

  • Zu fordern ist zunächst einmal eine klare semantische Trennung in der Begrifflichkeit im Umgang mit der neuen Schulart Gemeinschaftsschule in Abgrenzung zur Einheitsschule, Gesamtschule, Ganztagsschule und weiteren Schularten und –formen. Begriffe aus vorgeprägter politischer oder ideologischer Haltung als Synonyme sollen eher Verwirrung stiften und schaden jeder sachlichen Auseinandersetzung.
  • Eine Schule, in der jeder Schüler ausgehend von den unterschiedlichsten Voraussetzungen nach seinem individuellen Lernkonzept gefördert werden kann ist verantwortlich für ein Lernumfeld, in dem die Schüler ihre Fähigkeiten voll zur Entfaltung bringen können. Da hat sowohl der Hochbegabte als auch das schwache Kind aus sozial schwierigem Umfeld im gemeinsamen Miteinander seinen Platz. Eine solche Schule könnte das Fundament für eine neue Sozialverträglichkeit in unserer Gesellschaft darstellen. Viele Diskriminierungen und Abwertungen im gesellschaftlichen Gefüge, deren Grundlagen bereits im System Schule gelegt werden, könnten damit abgebaut werden! Die Politik muss daher dringend insbesondere die neuen Gemeinschaftsschulen (eigentlich alle Schulen) in die Lage versetzen, dieses auch leisten zu können.
  • Wenn die Gemeinschaftsschule eine überzeugende Schulart werden soll, ist der Start ganz entscheidend. Dort sollten nur solche Schulen zum Zuge kommen, die jetzt schon einen weiten Teil des Weges hinter sich haben. Denn in anderen Schulen sind weder die Lehrkräfte, noch die Eltern, noch die Schulträger ausreichend vorbereitet. Ansonsten wäre die Zielsetzung dieser Schule im Wesentlichen gefährdet.
  • Die Qualität einer Schulart muss von Beginn an überzeugen, will sie eine Zukunft haben. Zwingend notwendige Anforderungen ab sofort:
    • Es muss die Sicherheit der Lehrerversorgung geschaffen werden. Dabei ist sowohl die Anforderung an zusätzlichen Stunden für die Unterrichts/Lernversorgung als auch für die Versorgung der Stunden für den gebundenen Ganztagsbetrieb zu sichern.
    • Über die vordringlich notwendige Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte und des pädagogischen Personals muss der Qualitätsanspruch der Gemeinschaftsschule absolut gesichert sein. Die Gemeinschaftsschule wird zuallererst an ihrer Qualität ihre Existenzberechtigung nachweisen müssen!
    • Die Ausbildung der Lehrkräfte ist längst überfällig. Insbesondere der Umgang mit Heterogenität muss Schwerpunkt werden. Hier führt traditionelles Denken, Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien würden in homogenen Gruppen arbeiten, absolut zum Irrtum und zum Hindernis! In keiner Schulart gibt es heute homogene Gruppen. Neues Denken ist hier angesagt – auch wenn das einige politische Gruppierungen nicht wahrnehmen wollen!
    • Die Kooperation der unterschiedlich beteiligten Schularten muss in eine verständliche und nachvollziehbare Form (z.B. nicht mit ev. „Zwangseinstellungen“ im Gymnasium) gebracht werden.
    • Kooperationsformen mit außerschulischen Partnern müssen dringend neu angedacht werden. Insbesondere der Ganztagsbetrieb fordert, das Leben in die Schule zu bringen. Kinder lernen nach aktuellen Forschungsergebnissen am meisten von konkreten Lebensbezügen (Prof. Hüther). Daher müssen Kontakte nach außen das Schulleben einer Gemeinschaftsschule erweitern. Institutionen und Einrichtungen im Lebenskreis der Schulen sollten selbstverständliche Bestandteile des schulischen Alltags werden. Schüler sollten am Leben lernen!
    • Über Elterninformation sollte die äußere Zustimmung abgesichert werden. Elternschulen/Elternkurse müssen Begleitinstrumente einer Gemeinschaftsschule werden.
    • Bei Schulträgern muss über umfassende Information für Klarheit und Sicherheit gesorgt werden.
  • Der Politik ist die Darstellung bisher nicht gelungen, dass es sich bei Gemeinschaftsschulen um „etwas völlig Neues“ mit einem völlig veränderten pädagogischen Konzept handelt. Ein Vergleich mit den traditionellen Schularten ist da sehr hinderlich! In der Öffentlichkeit ist vielfach der Eindruck entstanden, dass die Gemeinschaftsschule Ersatzschule für „auslaufende“ Hauptschulen oder als Standortsicherung für gefährdete Standorte bestenfalls als die Zusammenlegung von Haupt- und Realschule gesehen werden kann!

Dadurch ist die Gemeinschaftsschule jetzt schon in ein gefährliches Fahrwasser geraten: Da sich vorwiegend Hauptschulen oder maximal Haupt/Realschulen für das Modell interessieren, ist das Gymnasium im Verständnis der Menschen im Zusammenhang mit Gemeinschaftsschulen nicht vorhanden. Warum sollte da ein Gymnasialschüler auf eine Gemeinschaftsschule wechseln? Ein Stigma scheint vorbereitet, das schwer widerlegbar sein wird! Das Gymnasium muss in einer Gemeinschaftsschule von Anfang an im Boot sein!

  • Neben dem Lehrer als Lernbegleiter (vom Sonderschullehrer bis zum Gymnasiallehrer!) müssen externe Mitarbeiter wie Sozialarbeiter, Logo- und Ergotherapeuten, Heilpädagogen u.a. in das Schulleben einbezogen werden. Gerade durch die Mitarbeit der Sonderpädagogen in den neuen Schulteams würde der Sonderpädagogik eine breitere Bedeutung für alle Kinder/Jugendliche und eine feste Verankerung in dieser Schulart zukommen. Durch inklusives Arbeiten würde die Arbeit dieser neuen Schulart insbesondere aufgewertet.
  • Als sehr problematisch erscheint dem VBE die Vereinigung unterschiedlicher Lehrerqualifikationen in einer neuen Schulart. Lehrkräfte aus Sonderschule, Grundschule, Haupt/ Werkrealschule, Realschule und Gymnasium arbeiten mit unterschiedlichen Arbeitszeiten, unterschiedlichen Ausbildungszeiten und unterschiedlicher Besoldung in einer Schulart! Für den VBE ist damit eine große Baustelle vorprogrammiert!
  • Lerngruppen müssen den traditionellen Klassenverband ersetzen. Sie sind lerntheoretische und soziale Bezugspunkte des Einzelnen. Aber Stammgruppen müssen gerade für schwächere Kinder den notwenigen Halt und die angemessene Geborgenheit bieten. Das erfordert natürlich neben der personellen auch eine sächliche Voraussetzung: räumliche Umgestaltung von Klassenzimmern zu Lernwelten, Schaffung von Lern- und Kommunikationsplätzen und Rückzugsmöglichkeiten für Individualität.
  • Das Problem der wohnortnahen Schule bei rückläufigen Schülerzahlen kann auch durch die Einführung der Gemeinschaftsschule nicht gelöst werden. Es ist an der Zeit, den Schulen und Schulträgern hier „reinen Wein“ einzuschenken und nicht falsche Hoffnungen zu schüren, die nachher zu maßlosen Enttäuschungen führen! Schulschließungen in Flächengebieten werden nicht zu verhindern sein. Hier tut die Wahrheit weh! Politik muss aber zur Wahrheit stehen!
  • Für die Schulträgerschaften ist die Klärung des Umgangs mit der Frage nach der Schulraumsituation und der damit verbundenen Bezuschussung durch die Landesregierung zu klären. Insbesondere sind beim Problem der „Inklusiven Bildung“ viel Fragen offen (Personalsituation, Klassen/Lerngruppengrößen, Behinderten-Ausstattung, Materialausstattung)
  • Zu begrüßen ist, dass Gemeinschaftsschule nur in gebundener Ganztagsschulform stattfinden soll. Denn nur in gebundener Form ist verbindliches individuelles Arbeiten möglich und planbar! Der Lernraum Schule kann nur dadurch zum Lebensraum Schule werden! Dabei ist aber das personelle Problem drückend. Nicht-unterrichtliche Zeiten sollten mit pädagogischem Stammpersonal, das von der Schule auf die Situation vor Ort abgestimmt ausgewählt wird und nicht mit vom Schulträger beschäftigten 400-Euro-Kräften versorgt werden!
  • Integrative Modelle kommen bei der Leistungseinforderung in Erklärungsnot. Es muss jetzt deutlich herausgearbeitet werden, wie die unterschiedlichen  Leistungsniveaus (Sonderschulniveau bis Gymnasialstandard) erreichbar und kompatibel sind.
  • Die Abschlussniveaus der einzelnen Schularten müssen wegen eventuell notwendiger Mobilität der Familien und der gegenseitigen Anerkennung von Abschlüssen gesichert sein.
  • Der Ausbau integrierter und integrierender Lernformen über das traditionelle Schulartenverständnis hinaus in einer Schulart und die damit unweigerlich verbundene neue Organisationsstruktur in der Lehrkräfte aller Schularten arbeiten, eröffnet den Einstieg in die Neugestaltung des überkommenen Dienstrechtes im Lehrerberuf. In der Gemeinschaftsschule sind alle Lehrer im gleichen Boot („Alle Lehrer sind Lehrer“)!  „Alle Lehrer sind heute universitär ausgebildete Expertinnen/en, die lehren, erziehen, beraten, und innovieren“ wie der Deutsche Bildungsrat 1970 zusammengefasst hat. Hier fordert der VBE erneut die Gleichwertigkeit der Lehrämter ein!

Der VBE begrüßt jede Weiterentwicklung unseres Schulwesens, die zur Verbesserung von Bildung und Erziehung unserer Kinder und Jugendlichen beiträgt. Der VBE sieht eine solche Möglichkeit in der Einführung der Gemeinschaftsschule dort gegeben, wo die Gemeinschaftsschule von allen Beteiligten gewollt und akzeptiert ist und die Rahmenbedingungen erfüllt sind. Zukünftigen positiven Ergebnissen steht der VBE offen gegenüber und wird diese Entwicklung unterstützend begleiten.

Er bemängelt Fehlentwicklungen bei der Einführung solcher Schulen wie Zeitmangel, Informationsdefizite, nicht definierbare Rahmenbedingungen, pauschalierende Qualitätsaussagen, „Hoffnungsschinderei“ für geplagte Schulträger, fehlende Bildungspläne, ungeklärte Situation für Unterstützungssysteme (z.B. Päd. Assistenten).

Eine solche Einführung mit gewaltigen handwerklichen Fehlern hat die zu begrüßende Zielsetzung dieser Schulart durchaus nicht verdient!

„Nichts ist so konstant wie die Veränderung – in der Gesellschaft – so auch in der Schule!“

Beschluss Landesvorstand 17.01.2012

Verantwortlich: Otmar Winzer, Stellvertretender Landesvorsitzender

VBE: Besser Bilderbuch statt Bildschirm

Lieber Comic-Heftchen als gar keinen Kontakt mit Buchstaben

Stuttgart. Sprachentwicklungsstörungen zeigen sich schon früh im Kindergarten und setzen sich in der Grundschule fort, wenn Eltern und Erzieher nicht gezielt ge­gensteuern, warnt der Verband Bildung und Erziehung (VBE). Kinder, die von klein auf ständig vor dem Fernsehapparat „geparkt“ werden, greifen spä­ter selten zu einem Buch, um zu lesen und den Wortschatz zu erweitern.

VBE Pressesprecher Michael Gomolzig

Michael Gomolzig, Sprecher des VBE

Früher ließen Deutschlehrer ausschließlich wertvolle Kinder- und Jugendliteratur gelten, schimpften über sogenannte Schundliteratur und die Sprachverhunzung in Comic-Heftchen („lechz, bibber, plopp“). Heute wären Lehrer froh, wenn „buchsta­benscheue“ Schüler außerhalb des Schulhauses Texte freiwillig lesen würden – und sei es die viel geschmähte Heftchen-Literatur, versichert der VBE-Sprecher. Immer mehr verdränge der Bildschirm daheim das gedruckte Wort.

Kinder und Jugendliche bekommen über den Fernsehapparat und das Internet die ganze Welt in bunten Bildern ins Haus geliefert, können aber immer weniger mit Worten ausdrücken, was sie gesehen haben. Sprachentwicklungsstörungen bei Vor­schul- und Grundschulkindern haben deutlich zugenommen, sorgt man sich beim VBE. Jedes fünfte Kind – ob mit oder ohne Migrationshintergrund – hat mehr oder weniger mit Sprachproblemen und Spracharmut zu kämpfen.

Kinder können im Unterricht keine Geschichten aufschreiben, wenn ihnen dafür die Wörter fehlen. Aufsatzerziehung in der Schule funktioniert nur, wenn auch der nötige Wortschatz vorhanden ist. Eltern könnten ihre Kinder deutlich mehr äußerst kostengünstig fördern, wenn sie ihnen sehr früh regelmäßig vorlesen würden, dar­über redeten und lieber öfter Bilderbücher als den Bildschirm anböten.

Der VBE appelliert an alle Erziehungsberechtigten, Kinder vor dem Bildschirm auf keinen Fall allein zu lassen. Es ist nicht Aufgabe des Fernsehapparats, den Nachwuchs „ruhig zu stellen“. Der Bildschirm ist kein Babysitter und kein Eltern­ersatz. Medienkompetenz kann sich nur durch Nachdenken und Reden über das Ge­sehene herausbilden. Dafür benötigen Kinder Erwachsene als Ansprechpartner.

„Wenn Kinder täglich mehrere Stunden vor dem Fernsehapparat zubringen, bleibt einfach zu wenig Zeit, die Umwelt auf eigene Faust zu erkunden“, beklagt der VBE-Sprecher. Diese wichtigen Erfahrungen aus erster Hand fehlten den Schülern heute immer mehr. Das Kind könne im Fernsehen eine Blume zwar in Großauf­nahme sehen, aber sie weder anfassen noch daran riechen.

12. 02. 2012

Ganztagesschule braucht Qualität

Landesbezirk Südbaden. Es ist völlig gleichgültig, ob es sich um die Gemeinschaftsschule oder irgendeine andere Schulart handelt: wenn eine Ganztagsschule konzipiert wird, müssen von morgens bis spätnachmittags Phasen der Spannung und Entspannung möglich sein.

Josef Löffler, Referat Hauptschule/Werkrealschule im VBE Landesbezirk Südbaden

Der Referatsleiter „Hauptschule/Werkrealschule“ des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) in Südbaden, Josef Löffler (Neuenburg) wendet sich mit Vehemenz dagegen, dass mangels Geldmittel immer mehr Laien die Schülerbetreuung sichern sollen. Löffler: Ganztagesschule heißt doch, einen rhythmisierten Tag anzubieten, an dem für Schülerinnen und Schüler abwechslungsreiches Lernen über den ganzen Tag ermöglicht wird. Natürlich sollen auch Hobbys wie Sport oder Musik in den Ablauf von Schultagen einfließen, aber ein übergroßer Wechsel an Bezugspersonen tut den Schülerinnen und Schülern nicht unbedingt gut. Löffler: „Jugendbegleiter und 400.- EUR – Kräfte können im Einzelfall ein Glücksfall sein, aber auf Dauer  ausschließlich auf diese Kräfte angewiesen zu sein, wird der Qualität von Ganztagesschule Abbruch tun.“ Auch hier brauche es Profis mit pädagogischem „Know-how“, die so bezahlt werden müssen, dass Schulleitung und Gemeinde nicht alle halbe Jahre neues Personal suchen müssen.

Löffler weiter: Zu einer qualitativ hochwertigen Ganztagesschule gehören auch Räumlichkeiten, die dem Schulbetrieb angemessen sind. Eine ordentlich ausgestattete Mensa, Schlechtwetter-Räume mit Bewegungsangeboten und eine ordentliche Spielefläche auf oder in  der Nähe des Schulhofes gehören einfach zur Grundausstattung einer Ganztagesschule. Ebenso sollte individuelles Lernen ermöglicht werden, indem Schülerinnen und Schülern Computerarbeitsplätze, Spiel-  und Medienecken angeboten werden. Diese Kosten aber müssen Stadt oder Gemeinde als Träger mitfinanzieren. Ebenso müssen sie das Personal für den Mittagstisch und sozialpädagogische Kräfte zur Verfügung stellen, damit Ganztagesschule zum Funktionieren komme, so Löffler. Der Referatsleiter weiß aber auch, dass sich viele Gemeinden angesichts klammer Haushaltskassen schwer tun, die notwendigen Kosten aufzubringen. In Baden-Württemberg wird von Schule und  Bildung viel geredet. „Das ist auch gut so!“, meint der VBE-Referatsleiter. Es zeige, dass dem Thema eine neue Wichtigkeit zugewachsen ist. Je mehr Zeit ins Land gehe, desto mehr gelte allerdings die Redensart: „Der Worte sind genug gewechselt, lasst uns nun endlich Taten sehen.“

Qualitätsverbesserungen nicht auf dem Rücken der Lehrkräfte

Der VBE Südbaden hält eine Absenkung des Klassenteilers in allen Schularten für dringend notwendig. Wenn die grün-rote Regierung individualisierten Unterricht anstrebt, mit dem Schülerinnen und Schüler besser gefördert werden sollen, so muss es dringend eine Verbesserung der Lehrer-Schüler-Relation geben.

Silke Siegmund, Vorstandsmitglied im VBE Südbaden

Die stellvertretende Vorsitzende des VBE Südbaden, Silke Siegmund (Offenburg), stellt dazu zwei Möglichkeiten vor: entweder muss man dazu den Klassenteiler absenken oder das Zwei-Pädagogen-Prinzip in den Klassen einführen. Beide Möglichkeiten scheinen aber vom Kultusministerium aus finanziellen Gründen nicht in Erwägung gezogen zu werden. Auch andere Möglichkeiten der äußeren Qualitätsverbesserung können angesichts der Haushaltslage nur langsam umgesetzt werden. Siegmund: „Damit bedeuten viele der beabsichtigten Qualitätsverbesserungen eine Arbeitsverdichtung für Lehrkräfte, für die sie letztlich nicht entlastet werden. Außerdem können die Lehrkräfte so der individuellen Förderung der Kinder nicht gerecht werden.

Der VBE hatte gehofft, dass mit seinem Einsatz bei der Entfristung der Verträge der Pädagogischen Assistenten (PA) bei gleichzeitiger Entgelterhöhung nach E 8 der Durchbruch an Haupt- und Werkrealschulen gelungen sei. Momentan kämpft er darum, zeitnah das Gleiche für PAs an Grundschulen zu erreichen, deren Verträge 2013 auslaufen. Mangels finanzieller Möglichkeiten hat die Kultusministerin aber einen ‚Taschenspielertrick‘ angewandt und verhindert dadurch quasi, die Einstellung weiterer PAs: jede Schule, die ab September 2012 eine/n weiteren PA einstellt, muss diese/n über die eigene Lehrerversorgung ‚bezahlen‘. Das Prinzip ist ganz einfach: „Gib mir eine Lehrkraft zurück, dann gebe ich dir eine/n PA.“ Silke Siegmund: „Wenn schon zusätzliche PAs nicht zu finanzieren sind, dann ist an Team-Teaching zweier Lehrkräfte wohl schon gar nicht zu denken.“ Genau dies aber wäre der Königsweg, um eine deutliche Verbesserung der Unterrichtsqualität zu erreichen, so die VBE-Mandatsträgerin.

Die schwarz-gelbe Vorgängerregierung hatte noch mit der Absenkung des Klassenteilers begonnen. Oftmals wird übersehen, dass Grundschulen schon immer Gemeinschaftsschulen waren mit einem enorm großen Leistungsunterschied und Stütz- und Förderbedarf in den Klassen. Daher ist nach VBE-Ansicht für Grundschulen und Gemeinschaftsschulen der Klassenteiler mit 28 Schülern viel zu hoch, zumal die Lehrerversorgung insgesamt weitgehend auf Minimalniveau gefahren wird. Das bedeutet, dass individuelle Förderung in den meisten Fällen nur auf dem Papier steht. Wenn dann in den Klassen der Sekundarstufe I aller anderen Schularten vielfach um die 30 Kinder sitzen, so könne sich eine Lehrkraft noch so anstrengen. „In so großen Klassen von pädagogischer Qualität zu sprechen ist Augenwischerei.“ Siegmund: „Die Lehrkräfte tun was sie können, aber zaubern können sie auch nicht.

VBE warnt vor einer zu starken Verkopfung der Schule

Bei den Halbjahresinformationen den Fokus nicht nur auf Hauptfächer richten

Stuttgart. Anlässlich der Halbjahresinformationen, die an den Schulen in den ersten Februartagen ausgegeben werden, warnt der Verband Bildung und Erzie­hung (VBE) Baden-Württemberg vor einer zu einseitigen Bevorzugung der auf den Kopf ausgerichteten schulischen Arbeit. Eltern und Lehrer sollten bei der Gewichtung und Würdigung von Schülerleistungen weg von einer zu starken Fokussierung auf die Hauptfächer Deutsch, Mathematik und Fremdsprache(n). Musisch-künstlerische Unterrichtsfächer und Schulsport seien kein schmückendes Beiwerk, sondern für eine positive Entwicklung der Schülerpersönlichkeiten gleichfalls notwendig, warnt der VBE-Spre­cher vor einer Abwertung dieser sogenannten „Nebenfächer“.

VBE Pressesprecher Michael Gomolzig

Michael Gomolzig, Sprecher des VBE

Unterrichtsfächer, die zumindest gefühlsmäßig für das schulische und berufliche „Weiterkommen“ nicht ausschlaggebend sind, werden immer mehr an den Rand gedrängt und verlieren weiter an Bedeutung. So seien die musisch-ästhetische Erziehung und der Schulsport heute oft ungeliebte Kinder, bemängelt der VBE-Sprecher. Deshalb warnt der Lehrerverband vor einer zu starken „Verkopfung“ schulischen Arbeitens. Da auch Eltern mehr denn je auf die „Verwertbarkeit“ der Unterrichtsfächer achten, fallen bei krankheitsbedingtem Lehrermangel in der Regel eher Musik, Sport und Bildende Kunst aus, bevor eine Deutsch- oder Mathematikstunde gestrichen wird. Die Schüler sind jedoch auf eine ganzheitli­che Bildung und Erziehung angewiesen, in der auch Ästhetik, Bewegung und Emotionen eine tragende Rolle spielen sollten. Wenn um die Bedeutung der ein­zelnen Unterrichtsfächer gestritten wird, geht es meist lediglich darum, ob eine sprachliche oder technisch-naturwissenschaftliche Ausrichtung der Schule die wichtigere sei. Der künstlerisch-musisch-sportliche Bereich werde von vielen mehr als schmückendes, aber nicht unbedingt notwendiges Beiwerk betrachtet, bedauert der VBE-Sprecher diese Entwicklung. Pestalozzis 200 Jahre alter päda­gogischer Ansatz ganzheitlichen Lernens „mit Kopf, Herz und Hand“ sollte in der stark technisierten Welt vonheute mehr denn je Maxime unterrichtlichen Tuns sein – und das nicht nur in den Grundschulen.

4. Februar 2012

Viele Vorschusslorbeeren für die Gemeinschaftsschulen

Neue Schulform überzeugt zunächst nur in der Möglichkeitsform

Stuttgart. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg versteht die Vorfreude des Kultusministeriums über den Aufbruch der 34 Starterschulen, sieht aber erheblichen Handlungsbedarf, um diese neue Schulform wirklich nachhaltig erfolgreich auf den Weg zu bringen. Zu viele Fakten werden noch im Konjunktiv gehandelt.

Sorge bereitet dem VBE, dass unter den Starterschulen fast nur ein- oder zweizügige Werk­realschulen sind, die aufgrund geringerer Schülerzahlen um ihren Weiterbestand fürchten müs­sen. Auf der Erfolgsspur wären die Gemeinschaftsschulen aber erst dann, wenn auch Schüler mit einer Gymnasialempfehlung dort optimal gefördert würden.

Wenn die Gemeinschaftsschule eine überzeugende Schulart werden soll, ist schon der Start nach den Sommerferienentscheidend. Die Qualität muss von Beginn an überzeugen, soll diese neue Schulart eine Zukunft haben. Trotz aller Euphorie ist es der Politik bisher nicht so richtig gelungen, überzeugend darzustellen, wie sich Gemeinschaftsschulen von bereits bestehenden Ge­samtschulen abgrenzen. In der Öffentlichkeit herrscht zurzeit der Eindruck vor, dass die Gemein­schaftsschule eher als „rettender Strohhalm“ für sterbende Hauptschulen und damit als Stand­ortsicherung für Kommunen mit zurückgehenden Schülerzahlen angesehen wird. Bestenfalls sieht man in der neuen Schulart die organisatorische Zusammenlegung von Haupt- und Real­schule, wie das die CDU mit der „Oberschule“ angedacht hat.

Die neue Schulart hat vom Konzept her einen beinahe paradiesisch anmutenden Charme. Die Schulwirklichkeit ist für eine solche „Heile-Welt-Vision“ jedoch noch nicht genügend vorbe­reitet, zumal der Finanzminister des Landes alles dafür tut, dass die Schulen weder das Personal noch die sächlichen und räumlichen Ausstattungen bekommen, die sie für diese neue Schulform benötigen – auch mit Blick auf die Realisierung der Inklusion, die niemals kostenneutral zu haben ist.

1. Februar 2012