VBE: Quantität und Qualität sind zwei Paar Stiefel

Die Erhöhung der Übergänge in die 10. Klasse kann auch keine Verbesserung bedeuten

Stuttgart. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg begrüßt es, dass künftig mehr Haupt-/Werkrealschüler insgesamt zehn Jahre bis zum Abschluss zur Schule gehen dürfen, sieht aber in der Steigerung der Quantität nicht unbedingt ein Zeichen für eine Qualitätsverbesserung.

VBE Landesvorsitzender Gerhard Brand

Gerhard Brand, VBE Landesvorsitzender

Ausgerechnet Hauptschüler, die sich mit dem Lernen eher schwerer tun, haben die kürzeste Schulzeit insgesamt und werden nach neun Schuljahren im Alter von fünfzehn Jahren in die Berufswelt entlassen, zu einem Zeitpunkt, da Seele und Körper der Jugendlichen oft noch nicht richtig dafür vorbereitet sind. Abi­turienten beginnen mit deutlichem höherem Alter eine Berufsausbildung, sofern sie nicht zuvor sogar noch ein Studium aufnehmen.

 Insofern begrüßt der VBE es ausdrücklich, wenn Hauptschüler nun wenigstens zehn Jahre zur Schule gehen dürfen.

Dass die Verdoppelung der Übergangsquoten auf die zehnte Klasse der Werk­realschule einen Qualitätssprung bedeutet, sei noch dahingestellt. „Dass das Kultusministerium allein auf Grund der prognostizierten Zahlen eine Erfolgs­meldung absetzt, ist schon ein wenig vermessen“, kritisiert VBE-Landeschef Gerhard Brand. Qualität von Unterricht und die Quantität der Übergangszahlen seien zwei Paar Stiefel. Noch hätten die potenziellen Zehntklässler ihren Werk­realabschluss nicht in der Tasche. Es wäre verheerend, wenn die Qualität der Abschlussprüfungen wegen des hohen Erfolgsdruckes, der auf dem Kultusmi­nisterium laste, „abgelastet“ werde, sprich: zu einem „Abschluss light“ verkom­me. „Eine Erhöhung der Quote ist nicht gleichzusetzen mit einer Steigerung der Qualität des Abschlusses“, warnt Brand, dies bewirke meist sogar das Gegenteil.

26. März 2012

Gewissenserforschung zum Thema „Inklusive Beschulung

Statt Antworten, die keiner hat – viele Fragen

Mit diesem Arbeitstitel hat die Arbeitsgruppe Schule und ethische Bildung vom Regierungspräsidium Tübingen 2006 eine Broschüre betitelt. Da im Blick auf UN-Konvention und Umsetzung der inklusiven Beschulung vieles ungeklärt ist, bediene ich mich dieses Titels und stelle die folgenden Fragen in den Raum: 

  • Gibt es klare Vorgaben für die inklusive Beschulung?
  • Kann garantiert werden, dass sich die Arbeitsbedingungen für alle Schülerinnen und Schüler – aber auch für die Lehrkräfte – nicht verschlechtern?
  • Gibt es Lehrkräfte, die diesen schulischen Anforderungen entsprechen können?
  • Haben sie gelernt, mit Lernstörungen und Verhaltensauffälligkeiten – bis hin zum Psychiatriebedarf – umzugehen?
  • Gibt es Rahmenbedingungen, um im Bedarfsfall eingreifen zu können? (Auszeitraum / betreuendes Personal)
  • Hat der Elternwille grundsätzlich Vorrang, auch wenn vor Ort die adäquate sonderpädagogische Förderung nicht umgesetzt werden kann?
  • Sind Schulleitungen darauf vorbereitet, Belastungsgrenzen bei ihren Kolleginnen und Kollegen zu erkennen und angemessen zu reagieren?
  • Stehen ihnen dafür Ressourcen zur Verfügung?
  • Gibt es Sonderpädagogen, die zur Verfügung stehen, um ständig an der Regelschule zu sein – natürlich aus den verschiedenen Fachrichtungen, denn sonst macht es keinen Sinn?
  • Gibt es eine Zusammenarbeit des KM mit dem Sozialministerium, um die Rahmenbedingungen von Jugendhilfe, Eingliederungshilfe und Schulsystem in Bezug auf Inklusion abzustimmen?
  • Gibt es Definitionen über die Verpflichtung der Schulträger? (Umbaukosten / Betreuungskräfte / Fahrkosten…?)
  • Gibt es darüber hinaus Fachdienste, die die notwendige Unterstützung liefern: Krankenschwester, Ergotherapie, Physiotherapie, Logopäden… und wer finanziert diese? (Wenn ich es richtig verstanden habe, soll niemand vom Regelbesuch ausgeschlossen werden!)

 Anmerken möchte ich, dass ich seit mehr als 20 Jahren im Sonderpädagogischen Dienst arbeite und die Schülerinnen und Schüler – wo immer möglich – an den Regelschulen belassen habe.

Es geht mir nicht um Sonderbeschulung als einzigen Weg, es geht mir vielmehr um eine realistische und nicht um eine ideologische Einschätzung der pädagogischen Alltagsbewältigung.

Wir wollen doch eine schulische Verbesserung für alle Schülerinnen und Schüler erreichen und die Qualität der Förderung erhalten, oder?

Über ideologiefreie, sachliche, konstruktive Rückmeldungen würde ich mich freuen. 

Uschi Mittag, VBE-Referatsleiterin Sonderschulen

VBE: „Vera“ nervt Schüler und Lehrer gleichermaßen

Vergleichsarbeiten konterkarieren das individuelle Lernen

Stuttgart. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg sieht bei vielen Lehrern noch immer wenig Akzeptanz für die bundesweit einheitlichen Vergleichsarbeiten (Vera). Denn einerseits wird das individuelle Lernen der Schüler in verschiedenen Tempi als neues Credo verkündet; andererseits sol­len Kompetenzen der Kinder zu einem bestimmten Zeitpunkt im Schuljahr einheitlich mit gleichen Aufgaben überprüft werden.

VBE Pressesprecher Michael Gomolzig

Michael Gomolzig, Sprecher des VBE

Argwöhnisch beobachten Pädagogen eine zunehmende „Testkultur und -gläubig­keit“: seien es die Vergleichs- oder Diagnosearbeiten, Vera und DVA, Bildungs­standards oder zentrale Klassenarbeiten, Selbst- und Fremd-Evaluationsbögen, Kompetenzanalysen Profil AC sowie nationale und internationale Vergleichsstudi­en wie Pisa, Timss, Iglu und wie sie sonst noch alle heißen. Dabei sollten standar­disierte Lernstandserhebungen eigentlich nicht dazu führen, dass Schüler gezielt auf diese Tests lernen, sondern dass Lehrer aus den Ergebnissen Erkenntnisse zur Verbesserung der Qualität von Unterricht erhalten.

Und da sehen die meisten Pädagogen einen Knackpunkt bei den Erhebungen. Wenn schon aufwändig diagnostiziert werden muss, sollte danach auch gezielt „therapiert“, den Schülern geholfen werden können.

Wenn in Vergleichsarbeiten obendrein Inhalte abgefragt werden, die in der Klas­se noch nicht behandelt worden sind, erzeugt dieses Nichtwissenkönnen bei Schü­lern Versagensgefühle, die keinesfalls motivierend wirken. Auch wenn nicht erwar­tet wird, dass alle Kinder alle Aufgaben lösen – und die Schüler um diese Vorgabe wissen -, lastet doch ein deutlicher Druck auf den Getesteten.

Wenn den Schulen durch neue Bildungspläne und Kontingentstundentafeln im­mer mehr Gestaltungsspielraum beim Kompetenzerwerb der Schüler zugestanden werde, andererseits aber wegen zentraler Lernstandserhebungen Inhalte zwangsläu­fig bundesweit im Gleichschritt gelernt werden müssen, passe das irgendwie nicht so richtig zusammen, bringt der VBE-Sprecher den Unmut der Lehrkräfte auf den Punkt. Im Zuge des individuellen Lernens und differenzierten Unterrichtens sei es eigentlich ein Widerspruch, an alle Schüler an einem bestimmten Tag die gleichen Anforderungen zu stellen, auch wenn vom Landesinstitut für Schulentwicklung ausdrücklich betont werde, dass „Testaufgaben, die dem Nachweis von Kompeten­zen dienen, keine Lernaufgaben sind, die Lernprozesse zum Erwerb von Kompe­tenzen anstoßen“.

25. März 2012

Zum morgigen Weltverbrauchertag – VBE: Kalorienbomben bremsen Körper und Geist aus

Mit gesunder Ernährung zu besseren Schulnoten

Stuttgart. So manches schulische Lernproblem könnte durch eine vernünftige und be­darfsgerechte Ernährung der Schüler deutlich abgefedert werden. „Unge­sundes Essen und Trinken machen Schüler nicht nur körperlich, sondern auch geistig müde“, sagt Gerhard Brand, Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) zum Weltverbrauchertag.

VBE Landesvorsitzender Gerhard Brand

Gerhard Brand, VBE Landesvorsitzender

Die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit der Schüler wird entscheidend durch deren Ernährung beeinflusst. Ein ernährungsphysiologisch falsches Fast­food-Pausenvesper oder immer nur Süßes führen nach scheinbarer Sättigung rasch zu einem Leistungsabfall, manchmal zu Unlustgefühlen und vor allem langfristig zu Übergewicht.

Das eigentliche Problem liegt nach Auffassung des VBE neben den speziell auf die kaufkräftige Zielgruppe „Schüler“ ausgerichteten Werbekampagnen für Süßigkeiten, Limonaden und Fastfood leider auch in der negativen Vorbild­funktion vieler Erwachsener. Über die Hälfte der Bevölkerung leidet unter leich­tem Übergewicht, jeder Fünfte unter starkem – mit allen hinlänglich bekannten Beeinträchtigungen durch die Folgeerkrankungen.

Der Nahrungsmittelindustrie und den großen Supermarktketten liegen ver­ständlicherweise zunächst einmal nicht die Gesundheit und geistige Frische der Schüler am Herzen, sondern ein guter Umsatz. Permanente Kalorienbomben vor, in und nach der Schule lassen den Körper in die Breite und den Geist auf Standby gehen. Die Lust auf vollfettes Fastfood in Verbindung mit zuckersüßen Limonaden und der Gruppenzwang unter Kindern und Jugendlichen sind in der Regel stärker als alle Vernunft. „Trotzdem oder gerade deshalb muss die Schule das Thema immer wieder im Unterricht aufgreifen“, sagt der VBE-Chef.

Ein Überblick: Tarifauseinandersetzungen, Demonstrationen, Streik und Entgeltordnung für Lehrkräfte

Eine Vorbemerkung

Ist der VBE als Berufsverband auch eine Gewerkschaft? Fehlt dem VBE dazu auf Grund seines hohen Beamtenanteils der Lehrerschaft (in Baden-Württemberg sind über 90% der Lehrerinnen und Lehrer im Beamtenverhältnis) nicht das klassische Gewerkschaftsinstrument des Streikes, um seine Interessen durchzusetzen.

Zwei Antworten:

  1. Im VBE sind neben den angestellten tarifbeschäftigten Lehrerinnen, Lehrern und Fachlehrer/innen  auch andere Berufsgruppen organisiert: Erzieher/innen, Pädagogische Assistenten und Assistentinnen, Religionslehrer/innen und Geistliche, Studenten und Studentinnen und andere Berufsgruppen. Der VBE ist seinerseits wieder Mitglied beim  Beamtenbund, eine Dachorganisation mit 38 Einzelgewerkschaften und insgesamt 1.266.000 Mitgliedern, davon ca. 370.000 Tarifbeschäftigte. Innerhalb dieses dbb (Deutscher Beamtenbund) gibt es die dbb-tarifunion, die bei Tarifauseinandersetzungen neben dem DGB  gleichstark und gleichberechtigt am Verhandlungstisch den Arbeitgebern gegenübersitzt. 
  2. Die verbeamteten Kolleginnen und Kollegen brauchen selbstverständlich auch eine starke Interessen- und Berufsvertretung. Wie wichtig das ist, zeigt sich bei den jüngsten Sparmaßnahmen der Landesregierung, wo durch den massiven Einsatz des Beamtenbundes Baden-Württemberg in Verbindung mit seinen Einzelmitgliedern wie dem VBE noch viel restriktivere Einschnitte bei der Besoldung und Versorgung verhindert werden konnten und hoffentlich noch verhindert werden.

Der VBE ist also ein Berufsverband, der sich für die Belange von Bildung und Schule stark macht und er ist eine Gewerkschaft, die für die Interessen der Beamten und Beamtinnen und der Tarifbeschäftigten in deren Arbeitsfeldern von Schulen u.a. Einrichtungen kämpft.

Einleitung

„Die Begriffe Tarifpartnerschaft und Arbeitskampf markieren die Pole, zwischen denen Tarifverhandlungen stattfinden“, so Frank Stöhr, der 1. Vorsitzende der dbb-Tarifunion. Nur eine starke und gut vorbereitete Gewerkschaft wird erfolgreiche Tarifauseinandersetzungen führen können. Deshalb ist es eine wesentliche Aufgabe der dbb-tarifunion schon heute wieder auf die nächste Tarifrunde zu schauen, denn der jetzige Tarifvertrag endet im Dez. 12.  Der VBE und sein Dachverband mit der dbb-tarifunion wird sich wappnen müssen für eine sehr harte Tarifrunde, denn mit dem Argument, dass der Staat seine Schuldenlast verringern muss, wird man uns mit einer Null-Runde oder einem Trostpflaster abspeisen wollen. Das Argument der Schuldenverringerung des Staates ist zwar richtig, aber solange der Staat auf Steuereinnahmen aus dem Kapitalverkehr, durch Abschreibungen und andere Vergünstigungen verzichtet und damit die Einnahmenseite vernachlässigt, darf es auf der anderen Seite nicht zu einer Unterbezahlung des Öffentlichen Dienstes führen. Wie wichtig und wertvoll ein gut funktionierender öffentlicher Dienst ist, zeigt sich gerade im Vergleich mit vielen anderen Staaten. So ist bis dato ein gut funktionierender öffentlicher Dienst Garant für eine stabile Demokratie und ein großer Vorteil im internationalen Wettbewerb. Damit das so bleibt, darf die öffentliche Hand im Wettbewerb um die jungen Leute nicht den Kürzeren ziehen, weil die Einkommen der im öffentlichen Dienst Beschäftigten seit vielen Jahren immer schlechter werden im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern.

Wenn wir uns an die letzte Tarifrunde  vom Frühjahr 2011 zurückerinnern, war das Ergebnis sehr bescheiden: geringe Gehaltszuwächse, sogar unter den Inflationsraten von 2010 und 2011,  und vor allem ein Scheitern der überfälligen Entgeltordnung für Lehrer (mehr dazu weiter unten).

Bisher konnten bis auf wenige Ausnahmen (z.B. kam es 2006 zu einem langwierigen Arbeitskampf bei den Tarifauseinandersetzungen um ein modernes Tarifrecht) die Tarifverhandlungen am grünen Tisch gelöst werden. Streik als wichtigstes Mittel des Arbeitskampfes gab es in den letzten Jahrzehnten kaum, im Gegensatz zu anderen Ländern wie etwa Frankreich oder Italien. Das liegt daran, dass sich in Deutschland der verhandlungsorientierte Ansatz bestens bewährt hat. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass eine verhärtete Politik der Arbeitgeber auch die Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes zu einer strategischen Neuausrichtung zwingt.

Zwar wird auch zukünftig der bisherige verhandlungsorientierte Ansatz Priorität haben, aber die Gewerkschaften werden mit noch härteren Gegenpositionen der öffentlichen Arbeitgeber konfrontiert werden. Deshalb müssen sich die Gewerkschaften auch auf Arbeitskämpfe einstellen.

Besonderheiten des Öffentlichen Dienstes

Lässt sich in der Bundesrepublik schon eine gewisse Reserviertheit gegenüber Arbeitskämpfen im Allgemeinen feststellen, erhöht sich diese Skepsis noch im Zusammenhang mit Arbeitskämpfen im Öffentlichen Dienst. Im Vorfeld der letzten Einkommensrunden wurde sogar die Ansicht vertreten, schon Tarifverhandlungen für den Öffentlichen Dienst seien eigentlich nicht rechtens; schließlich könnten sich im Bereich des Öffentlichen Dienstes die zwei Tarifpartner auf Kosten eines Dritten, des Steuerzahlers, einigen. Dieser Fehleinschätzung gilt es offensiv entgegenzutreten. Schließlich ist es so, dass ein Wirtschaftsunternehmen Gewinne erwirtschaften kann, die dann an die Mitarbeiter weitergegeben werden können. Hat die öffentliche Hand einmal Geld zu viel, gibt sie es entweder dem Steuerzahler zurück oder aber investiert es in öffentliche Projekte. Dies macht den Verteilungskampf um eine gerechte und angemessene Teilhabe der öffentlich Beschäftigten schwieriger als in der Privatwirtschaft. Hinzu kommt, dass sich die Öffentlichkeit beim Öffentlichen Dienst als Bürger und Steuerzahler persönlich betroffen fühlt.

Kommt es dann zum Arbeitskampf, wird die Einstellung der Öffentlichkeit noch kritischer. Zumal der Irrtum, im Öffentlichen Dienst dürfe doch eigentlich gar nicht gestreikt werden, weit verbreitet ist. Bei einem Streik in der Metallbranche lässt sich der Zeitung entnehmen, dass dies eventuell Folgen für die Volkswirtschaft haben mag. Bei einem der Müllabfuhr, des Krankenhauspersonals, der öffentlichen Verwaltung oder der Lehrerschaft ist jedermann unmittelbar und direkt im Alltag betroffen. Das mag einem möglichen Arbeitskampf zusätzliches Druckpotenzial verleihen, es setzt  seinen Erfolgsaussichten aber auch Grenzen, wenn es nicht gelingt, die Bevölkerung von der Berechtigung der durch einen Arbeitskampf zu erreichenden Ziele zu überzeugen.

Tarifauseinandersetzungen, Arbeitskampf und öffentliche Medien

Es gilt also: Ein Arbeitskampf im Öffentlichen Dienst ist nur erfolgreich zu gestalten, wenn es gelingt, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass die Ziele der Arbeitnehmer des Öffentlichen Dienstes nicht im Widerspruch zu den Interessen der Bevölkerung stehen und absolut gerechtfertigt sind.  Wie eine Tarifauseinandersetzung und ggf. ein Arbeitskampf abläuft, sei im Folgenden kurz erläutert.

Stufen der Tarifauseinandersetzung und des Arbeitskampfes

Im Vorfeld und während der Tarifverhandlungen wird es also darum gehen, die Forderungen massiv und öffentlichkeitswirksam zu vertreten.

Diese Forderungen müssen durch Protestdemonstrationen mit großer Beteiligung unterstrichen werden. Das Recht zu demonstrieren ist durch die Grundrechte der Meinungsfreiheit und der Versammlungsfreiheit gewährleistet. Demonstrationen sind nicht genehmigungspflichtig, sondern nur bei der zuständigen Behörde anmeldepflichtig. Ihre Durchführung kann jedoch mit Auflagen versehen werden. Das Recht auf Demonstration haben entgegen dem Streikrecht auch Beamte*, die sich in der Freizeit den Streikenden anschließen können und außerhalb der Dienstzeit selbstverständlich auch an Demonstrationen teilnehmen können. Oftmals werden Protestdemonstrationen/-kundgebungen auch im Rahmen von (Warn-)Streiks durchgeführt, ggf. schon während der Tarifverhandlungen. Eine Mahnwache ist im rechtlichen Sinne ebenfalls eine Demonstration bzw. Kundgebung.

  1. Wenn die Tarifverhandlungen gescheitert sind, kommt es zum Schlichtungsverfahren. Hier wird versucht, mittels eines unbeteiligten Dritten eine Lösung in der Tarifauseinandersetzung zu erzielen.
  2. Bei der erneuten Aufnahme der Verhandlungen geht es darum, ob die Tarifparteien die Einigungsempfehlung annehmen  oder die Verhandlungen für gescheitert erklären.
  3. Im Falle des Scheiterns kommt es zu einer Urabstimmung und  ggf. zu einem Streikbeschluss.  Die Urabstimmung ist ein satzungsrechtliches Instrument, mit dem sich die Gewerkschaften der Streikbereitschaft vergewissern. 75% der Gewerkschaftsmitglieder müssen sich für den Streik aussprechen, damit der Vorstand den Streik beschließen kann.
  4. Dann erfolgt der Streik, also die gemeinsame, planmäßig durchgeführte Niederlegung der Arbeit durch eine größere Anzahl von Arbeitnehmern.
  5. Bei einer erneuten Wiederaufnahme der Verhandlungen ringen die Tarifparteien um eine Lösung.
  6. Über dieses Lösungsergebnis wird bei einer 2. Urabstimmung entschieden: Wenn 25 % der Gewerkschaftsmitglieder für das neue Verhandlungsergebnis stimmen, wird der Streik für beendet erklärt.

Ob und wann es zu einem Arbeitskampf kommt, wird im Öffentlichen Dienst nicht von einer Einzelgewerkschaft beschlossen, sondern im Gesamtverbund mit der dbb.tarifunion, die für alle Tarifbeschäftigten die unter den Tarifvertrag der Länder (TV-L) fallen, Tarifverhandlungen führt. Die dbb-tarifunion führt in der Tarifauseinandersetzung die Regie und wird in Absprache mit den Einzelgewerkschaften entscheiden, wie die Tarifauseinandersetzungen ablaufen. Dass es innerhalb des VBE Landesverbände gibt, die im Lehrerbereich einen bis zu 100% hohen Anteil Tarifbeschäftigter bei den Lehrern haben (vor allem in Ostdeutschland), ist deren Streikkraft ungleich stärker als bei uns in Baden-Württemberg. Unser Landesverband wird vor allem darin gefordert sein, in der Tarifauseinandersetzung mit massiven Protesten und Demonstrationen für die Forderungen einzutreten und sich notfalls an punktuellen Streiks zu beteiligen. Warum es in der nächsten Tarifrunde zu massiven Auseinandersetzungen bis hin zum Arbeitskampf kommen kann, liegt u.a. auch an der Verweigerungshaltung der Länder, den tarifbeschäftigten Lehrerinnen und Lehrern endlich eine gerechte Bezahlung zukommen zu lassen.

Die schlechte Bezahlung der tarifbeschäftigten Lehrerinnen und Lehrer

Woher kommt es, dass angestellte Lehrerinnen und Lehrer gegenüber ihren verbeamteten Kolleginnen und Kollegen erheblich geringere Gehälter haben? Bei einer vollen Lehrerstelle beträgt der Unterschied beim Nettogehalt zwischen 500 – 900 Euro monatlich, unter Mitberücksichtigung der privaten Krankenversicherung der Beamten. Dies führt über Jahrzehnte gerechnet zu einem Einkommensunterschied von mehreren hunderttausend Euro. Es ist ein Skandal, dass Kolleginnen und Kollegen für genau dieselbe Arbeit jeden Monat abgestraft werden, bloß weil sie aus irgendeinem Grund nicht ins Beamtenverhältnis übernommen wurden. Dies verstößt nach Auffassung des VBE massiv gegen den Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“.

Im BAT (Bundesangestelltentarifvertrag), der 1961 in Kraft trat, lag das Bruttogehalt einer angestellten Lehrkraft um ca. sieben Prozent über dem Bruttogehalt vergleichbarer Beamter, das war damals der Arbeitnehmeranteil an der Rentenversicherung. Damit lagen Beamte und Angestellte  im gleichen Einkommensniveau. Die Höhe des Gehaltes orientierte sich an der Beamtenbesoldung, und so gab es keine Notwendigkeit, eine eigene Entgeltordnung für Lehrer zu bilden. Die Belastung der Angestellten mit Sozialabgaben ist aber seit dieser Zeit kontinuierlich und gewaltig gestiegen, so  dass sich im Laufe von Jahrzehnten die Einkommenskluft zwischen Angestellten und Beamten immer weiter vergrößerte.  So können bis heute die Länder als Arbeitgeber die Bezahlung über einseitig festgelegte Eingruppierungsrichtlinien festlegen. Grund- und Haupt/Werkrealschullehrer sind in der Entgeltgruppe 11 eingruppiert, Sonderschullehrer und Realschullehrer in Gruppe 13. Um eine annähernd gleiche Bezahlung zu erreichen, sollte die Regeleingruppierung aller akademisch qualifizierten Lehrkräfte in der Entgeltgruppe 14 erfolgen, wie es auch sonst in vielen anderen akademischen Berufen der Fall ist.

Weitere Verschlechterungen durch den TV-L

Dazu kam noch, dass November 2006 der BAT durch den Tarifvertrag der Länder (TV-L) abgelöst wurde. Damit wurde eine neue Tabellenstruktur eingeführt, die deutlich schlechter als die früheren BAT-Vergütungen war. Die neuen Tabellenentgelte liegen sogar unter dem Brutto vergleichbarer Beamte. Immerhin konnten die Gewerkschaften bei den Tarifverhandlungen 2006 erreichen, dass mit dem neuen Tarifrecht erstmals auch für angestellte Lehrkräfte ein Eingruppierungsvertrag abgeschlossen werden solle. Seit dieser Zeit setzen die Arbeitgeber auf Verzögerung und Verschleppung. Für fast alle Berufe ist es mittlerweile gelungen, eine eigene Entgeltordnung abzuschließen, die jetzt am 1.1. 2012 in Kraft trat (L-Entgeltordnung, abgekürzt Lego).  Lediglich für die Lehrkräfte gibt es bis dato noch keine Entgeltordnung. Es ist auch klar warum: Die Beschäftigtengruppe der Lehrer ist die Größte und würde bei einer entsprechenden Verbesserung die Länder einiges kosten. Aber Gerechtigkeit hat halt ihren Preis.

Bei der letzten Tarifauseinandersetzung setzten die dbb-tarifunion und der DGB alles daran, auch diese schmerzliche Lücke zu schließen. Im Gesamtverbund aller Gewerkschaften konnten die Lehrergewerkschaften ihre Forderung jedoch noch nicht durchsetzen. Das lag sicher auch daran, dass  den Nicht-Lehrer-Gewerkschaften das Gesamtergebnis der Tarifverhandlungen akzeptabel erschien.**  Mit umso größerer Entschlusskraft werden die Lehrergewerkschaften in der neuen Tarifrunde ihre Forderung einbringen und hoffentlich einen Einstieg in eine Lehrer-Entgeltordnung schaffen, der zu einer Verbesserung der tarifbeschäftigten Lehrerinnen und Lehrer führen muss. Damit dies möglich wird, bedarf es einer Mobilisierung der gesamten Lehrerschaft (einschließlich der Beamten) bis hin zur Bereitschaft, notfalls einen Arbeitskampf durchzuführen. Dabei zählen die tarifbeschäftigten Kollegen auf die Beamtinnen und Beamten, die zwar nicht streiken dürfen, aber auf vielfältige andere Art und Weise ihre Kolleginnen und Kollegen unterstützen können.

Denn die Tarifergebnisse hatten in der Vergangenheit immer auch Signalwirkung für die Forderungen der Beamtinnen und Beamten. Meistens wurden die Ergebnisse auf die Beamten übertragen, manchmal zwar auch mit Abstrichen, so wie es die jetzige Landesregierung will. Trotzdem gilt der Grundsatz: Gute Tarifergebnisse für die Tarifbeschäftigten sind auch gute Nachrichten für die verbeamteten Kolleginnen und Kollegen.

Deshalb hoffen die tarifbeschäftigten Lehrerinnen und Lehrer auf die Solidarität ihrer verbeamteten Kolleginnen und Kollegen in der kommenden Tarifauseinandersetzung.

Nur gemeinsam sind wir stark.

*Beamte haben kein Arbeitskampfrecht und damit erst recht kein Streikrecht. Die Teilnahme eines Beamten an einem Streik stellt damit eine Dienstpflichtverletzung dar, die disziplinarrechtlich geahndet werden kann. Im Übrigen dürfen Beamte angeordnete Mehrarbeit, z.B. im Rahmen von durchzuführenden Notdienstzeiten, nicht verweigern. Sie sind gegebenenfalls auch zur Ableistung einer so genannten unterwertigen Tätigkeit verpflichtet. Beamte dürfen außerhalb von Notdienstzeiten jedoch nicht auf bestreikten Arbeitsplätzen eingesetzt werden. Beamten steht es aber frei, sich in der Pause oder Freizeit den Streikenden anzuschließen, um ihre Solidarität zu bekunden. Die Teilnahme an Demonstrationen außerhalb der Dienstzeit steht auch Beamten zu.

**Hier nochmals zur Erinnerung die wichtigsten Tarifergebnisse vom März 2011. Der jetzige Tarifvertrag läuft bis Ende 2012.
2011: 360 Euro Einmalzahlung und ab 1. April 1,5% lineare Erhöhung.
2012: Ab dem 1. Jan. 1,9% lineare Erhöhung und darauf eine zusätzliche soziale Komponente von mtl. 17 Euro auf alle Gehaltstabellen.
Eine neue Entgeltordnung zum 1.1. 2012, die für viele Berufsgruppen Verbesserungen brachte, z.B. auch  für die Päd. Assistenten, die nun von E 6 nach E 8 höhergruppiert werden können.

Bernhard Rimmele, Referat Arbeitnehmer im VBE Baden-Württemberg

VBE: Die Entlastungsstunde für Kooperationslehrerinnen ist richtig, geht aber leider zu Lasten der Bildungshäuser

Stuttgart. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg begrüßt es, dass Kultusstaatssekretär Dr. Frank Mentrup (SPD) in Stuttgart ange­kündigt hat, den Kooperationslehrerinnen Grundschule-Kindertagesstätten ab dem kommenden Schuljahr eine Entlastungsstunde zu geben, bedauert jedoch, dass dies aus Kostengründen zu Lasten des Projektes „Schulreifes Kind“ und der 194 Bildungshäuser geht, die sehr gute Arbeit leisten.

VBE Pressesprecher Michael Gomolzig

Michael Gomolzig, Sprecher des VBE

Schon seit Jahren müssen Grundschullehrerinnen die zeitintensive, aber wichti­ge Kooperation mit den Kindergärten zum Nulltarif durchführen. Für diese wert­volle Tätigkeit hatte es früher einmal Anrechnungsstunden gegeben. Um den Haushalt des Landes zu entlasten, wurde dieser Zeitausgleich vor Jahren von Schwarz-Gelb ersatzlos gestrichen.

Die enge Zusammenarbeit zwischen Kindergärten und Grundschule ist für den Schulerfolg der Kinder von großer Bedeutung. Da die Schulen im Interesse der Kinder den guten Kontakt zwischen den beiden Institutionen kontinuierlich för­dern wollten, übten die Grundschullehrerinnen die Kooperation weiterhin aus, sozusagen „auf eigene Rechnung“ ohne zeitliche Entlastung. Damit wurde die Gutmütigkeit der Lehrerinnen ausgenützt. „Dass diese Lehrerinnen nun wieder eine Entlastungsstunde bekommen, ist nur folgerichtig“, sagt der VBE-Sprecher.

Noch vor der Einschulung können möglicherweise später auftretende Schwie­rigkeiten bei Kindern erkannt und rechtzeitig gemeinsam mit den Erzieherinnen nach Lösungswegen gesucht werden. Die mehrmaligen Besuche der Kooperati­onslehrerinnen bei den ´Vorschülern` im Kindergarten, der Gedankenaustausch zwischen Erzieherinnen und Lehrerinnen sowie die Elternberatung und die El­ternabende vor der Einschulung haben sich als erfolgreiche Instrumente der Ko­operation erwiesen. Mittlerweile dürfte jedem klar geworden sein, wie wichtig und nötig die Kooperation Grundschule-Kindergarten für alle Beteiligten ist.

Wenn der zurückgefahrene Ergänzungsbereich obendrein den Schulleitern kei­nerlei Gestaltungsspielraum mehr gelassen hat, den Lehrerinnen für ihren Ein­satz eine Anrechnung auf ihr Regelstundenmaß zu geben, dürfen diese Koopera­tionsstunden laut amtlichem Organisationserlass künftig wenigstens zu einem kleinen Teil als Arbeitszeit ausgewiesen werden. „Dass dies jetzt aber zu Lasten der Bildungshäuser und des Projekts `Schulreifes Kind´ gehen soll, ist ein gro­ßes Ärgernis“, schimpft der VBE-Sprecher.

VBE: Gutes Benehmen wird wieder als wichtig angesehen

Schüler lernen es am besten durch positive Vorbilder

Stuttgart. „Es ist sicher nicht verkehrt, wenn Wirtschaft, Industrie, Handwerk und Handel wieder mehr darauf achten, dass junge Menschen, die ausgebildet und eingestellt werden sollen, über gute Umgangsformen verfügen“, sagt Gerhard Brand, der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg. Man dürfe jedoch von Schulabgängern kein wesentlich anderes Verhalten erwarten als das, was ihnen Erwachsene täglich vorleben – in der Politik, in der Wirtschaft, auf der Straße und im Fernsehen – wie etwa in den unzähligen Gerichts-, Talk- und Castingsshows.

VBE Landesvorsitzender Gerhard Brand

Gerhard Brand, VBE Landesvorsitzender

Der VBE-Vorsitzende begrüßt es, wenn die als „Sekundär“-tugenden abgewerteten Eigenschaften wie Zuverlässigkeit, Höflichkeit, Pünktlichkeit und Ehrlichkeit wie­der einen höheren Stellenwert erhielten. Mussten sich doch Eltern und Lehrer, die diese Tugenden wider den Zeitgeist hochhielten, wie Menschen aus einer vergan­genen Zeit vorkommen. Erziehender Unterricht habe für engagierte Pädagogen weiterhin einen hohen Stellenwert, so Brand. Der VBE hält nichts von einem „auf­gepfropften Benimmunterricht“, wie er immer wieder gefordert wird, auch nicht in Bausteinen über das Schuljahr verteilt nach dem Motto „Heute steht mal wieder gutes Benehmen auf dem Stundenplan“. Erziehung zu gutem Benehmen muss in allen Unterrichtsfächern permanent im Hintergrund erfolgreich mitlaufen, so wie man das von einem zuverlässigen Virenschutzprogramm auf dem Rechner erwartet.

„Die Vorbildfunktion von Eltern, Lehrern, Politikern, Stars und Geschäftsleuten ist nicht zu unterschätzen“, sagt der VBE-Chef: Schüler verstehen es nicht, dass sie höflich sein sollen, wenn Erwachsene ihnen so nicht begegnen. Schüler verstehen es nicht, dass man die Würde des Menschen achten soll, wenn sie sehen, wie Gäste in den täglichen Gerichts-, Talk- und Castingsshows beschimpft und mit Worten er­niedrigt werden. Schüler verstehen es nicht, dass Lehrer ihnen untersagen, in der Schule auf den Boden zu spucken, wenn es ihnen die Stars auf dem Fußballfeld via Fernsehübertragung in Großaufnahme vormachen.

Gutes Benehmen hatte lange Zeit lang einen genauso negativen Beigeschmack wie Disziplin und Leistung. Lehrer, die darauf bestanden, wurden als zu konserva­tiv und altmodisch belächelt. Noch immer sind Begriffe wie Anstrengungsbereit­schaft und Fleiß bei vielen in der heutigen Spaßgesellschaft eher negativ besetzt.