Pädagogische Assistenten in Baden-Württemberg – ein kleines „Extra“ mit großer Wirkung für die Zukunft

Mangelnde Fachkräfte, zunehmende Arbeitslosigkeit, immer mehr psychisch labile Jugendliche und junge Erwachsene, immer mehr Symptome von Überforderung und Resignation. Täglich erreichen uns Schlagzeilen, die uns Sorgen bereiten für die Zukunft. Damit es gar nicht erst so weit kommt, damit Kinder gut gerüstet in diese Zukunft gehen, müssen mögliche Hindernisse so früh wie möglich aus dem Weg geräumt werden.  Wie wichtig es ist, im Kleinen bei den Jüngsten unseres Landes zu beginnen, soll im Folgenden anhand von drei Beispielen gezeigt werden.

Ausgestattet mit einem Bildwörterbuch, Konzeptpapier und einem Mäppchen trete ich in eine zweite Klasse ein, in der mich die großen Augen der achtjährigen M. mit Funkeln anschauen. Seit fünf Wochen ist M. nun in Deutschland. Die meiste Zeit sitzt sie geduldig, doch manchmal auch traurig da, weil die fremde Sprache für sie ein Hindernis beim Verständnis und beim Mitmachen vieler Aufgaben darstellt. Ich setze mich neben sie und schreibe auf ein Blatt wichtige Wörter, die im Deutsch-Unterricht gerade besprochen werden. Die Bedeutungen male ich als kleine Bildchen neben die Wörter und flüstere ihr Zusammenhänge oder Aufgabenstellungen zu, so dass sie dem Unterrichtsthema folgen und die meisten Aufgaben lösen kann.

Eine andere Schülerin nehme ich täglich am Ende ihrer Mathe-Stunde an einen Tisch hinten im Klassenzimmer mit, um ein bis zwei Übungen mit ihr durchzuführen. Da sie Schwierigkeiten hat, sich Zahlenfolgen und Mengen räumlich vorzustellen, übe ich dies gezielt mit ihr. Was mir noch vor einem Jahr bei dieser Schülerin unmöglich erschien, bringt mich nun zum Staunen: Im Klassenverband kommt sie sehr gut mit und erhält auch gute Noten! Dies ist das Ergebnis regelmäßiger Förderung von vielen Seiten. Professionell angeleitet von den schriftlichen Anweisungen einer Expertin der „Recheninsel“, bei der die Schülerin sechs Sitzungen erhielt, können ihre Eltern, ihre Lehrerin und ich nach einem aufeinander aufbauenden Programm mit ihr üben.

Mit einem anderen Schüler übe ich lesen und sich zu organisieren. Ordnung im Heft und im Schulranzen bringt Ordnung im Kopf. Da er bei diesen Aufgaben zu Hause nicht unterstützt wird und für sein junges Alter sehr viel Verantwortung trägt, unterstütze ich ihn beim Aufräumen des Schulranzens und merke, wie er es auch alleine immer besser schafft. Auch Gespräche über das, was ihn bewegt, finden bei mir neben dem Lesen-Üben Raum. Das zunehmende Lob seiner Lehrerin genießt er sehr.

Dies sind nur drei Beispiele von vielen Aufgaben, die die Lehrer im fortlaufenden Unterricht nicht ausreichend meistern können. Beispiele von Situationen und Problemstellungen im Schulalltag, bei denen es der gezielten Arbeit der Pädagogischen Assistenten bedarf. Nur so können Grundschulkinder mit Lernschwierigkeiten, mangelnder Integration oder Überforderung sowie auch mit mangelnden Deutschkenntnissen frühzeitig individuell unterstützt und vor dem Abfallen ihrer Schulleistungen oder vor psychosozialen Schwierigkeiten geschützt werden.

Es geht nicht nur um einen Beitrag zur besseren Integration dieser Kinder, sondern auch um eine Verbesserung der Lernergebnisse der Schüler einer Schule bzw. einer Region und einer sozialen Stärkung ihrer Familien.

Häufig bekommen wir zu hören: „Das ist ein Luxus, den die Schule hat.“ Doch ist das wirklich Luxus? Sollte dies nicht zu einer Selbstverständlichkeit werden: zu fördern, wenn man die Lernschwierigkeit früh, nämlich im Grundschulalter, erkennt? Oder Lernschwierigkeiten durch gute Förderung vorzubeugen, damit sie erst gar nicht entstehen?

Noch haben die Politiker des Landes BW die Entscheidung in ihrer Hand, ob sie weiterhin die Pädagogischen Assistenten an Grundschulen mit hohem Migrantenanteil engagieren.

Unsere Zukunft stellen wir uns durch diese Helfer an den Grundschulen ein großes Stück besser vor: bessere Leistungen der Jugendlichen an den weiterführenden Schulen, eine viel selbständigere und selbstbewusstere Haltung der nach Deutschland zugewanderten Kinder und ihrer Familien, junge Menschen mit einer Perspektive, die sich um eine Ausbildungsstelle kümmern können (und nicht auf Abwege kommen). Die Region wäre reicher durch zunehmende Fertigkeiten der jungen Menschen und würde durch ihre Selbständigkeit und berufliche Beschäftigung weniger Ausgaben der Krankenkassen und der Ämter zur Versorgung des Lebensunterhalts haben.                                                                             

Eine Entscheidung für die Pädagogischen Assistenten wäre eine Entscheidung für die Region und für das Land, was sich in den nächsten Jahren in Statistiken belegen würde. Denn wer zum richtigen Zeitpunkt sät, der erntet bekanntlich gut…

 

Im September 2012

Karolina Sikora M.A.

Pädagogische Assistentin

karolina.sikora@gmx.net

VBE: Am 5. Oktober wird der Weltlehrertag „volljährig“

Arbeit der Pädagogen wertschätzen und unterstützen

Stuttgart. Zum 18. Mal steht in den Kalendern der Weltlehrertag, der am 5. Oktober 1994 von der Unesco ins Leben gerufen worden ist. Der Verband Bildung und Erzie­hung (VBE) Baden-Württemberg nimmt den Tag zum Anlass, auf die Bedeutung von Bildung hinzuweisen. Während früher ausschließlich Adlige und Begüterte sich für ihre Kinder den Luxus „Unterricht“ leisten konnten, kommen jetzt – zumindest in westlichen Kulturkreisen – alle in den Genuss solider schulischer Bildung. Dazu trägt eine große Schar von Lehrkräften tagaus tagein mit vollem Einsatz bei.

VBE Landesvorsitzender Gerhard Brand

Gerhard Brand, VBE Landesvorsitzender

Wenn trotz schlechterer Arbeitsbedingungen – wie viel zu großer Klassen, schwierige­rer Schüler und zunehmender Aufgaben – Schulen „laufen“, ist das im Wesentlichen dem Engagement der Lehrerschaft zuzuschreiben. Doch leider interessiert sich die Öf­fentlichkeit eher für spektakuläre Vorfälle an den Schulen als für die solide Alltagsar­beit, die dort geleistet wird. Wider besseres Wissen stimmt man oft schneller in eine Pädagogenschelte ein, als dass man Lehrer verteidigt. Durch Unkenntnis der wirkli­chen Arbeitssituation bricht – meist saisonal bedingt – immer wieder Ferienneid aus.

„Insofern ist es durchaus sinnvoll, mit den Weltlehrertag auf die immense Bedeu­tung von Bildung für die Zukunft einer Gesellschaft hinzuweisen“, sagt VBE-Chef Gerhard Brand. Zur Bewältigung ihres beruflichen Auftrages benötigten Lehrer die wohlmeinende Begleitung von Presse, Politik und Öffentlichkeit, nicht deren ver­meintlich guten Ratschläge oder gar deren Vorwürfe.

Die Schule ist kein Reparaturbetrieb und keine Reha-Klinik. Lehrer können nicht al­le Probleme lösen, schon gar nicht, wenn das Umfeld nicht mitzieht. Die Schüler werden heute anders als vor 100 Jahren unterrichtet. Die Heterogenität der Klassen hat stark zugenommen, nicht nur in den neuen Gemeinschaftsschulen. Man kann die Schüler nicht mehr alle über einen Kamm scheren, sonst würden schwächere und be­gabtere Kinder schnell auf der Strecke bleiben. Individuelles Eingehen der Lehrer auf die jeweilige Schülerpersönlichkeit ist selbstverständlich und unabdingbar für ein er­folgreiches Weiterkommen der Kinder und Jugendlichen – an allen Schularten.

Täglich arbeiten die Lehrer gemeinsam mit den Schülern an der Zukunft des Landes. „Sie haben es verdient, dass man ihre Arbeit anerkennt, wertschätzt und verlässlich unterstützt – und das nicht nur, weil gerade Weltlehrertag ist“, sagt VBE-Chef Brand.

4. Oktober 2012