Kinder lieber das ganze Jahr begleiten
Stuttgart. Spätestens am letzten Schultag vor den Sommerferien gibt es in Baden-Württemberg die Jahreszeugnisse. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) warnt davor, aus vermeintlich erzieherischen Gründen jetzt einen häuslichen „Stresstest“ durchzuführen. Dieser provoziere unnötigen Ärger, bisweilen sogar Wut, helfe aber niemandem wirklich weiter.
„Für Eltern, die immer in Kontakt mit den Lehrern standen und sich laufend über die Leistungen und Lernfortschritte ihres Kindes informiert haben, wird der Zeugnistag auch keine allzu großen Überraschungen bereithalten“, versichert der VBE-Sprecher. Er warnt davor, wegen schlechter Zensuren jetzt daheim einen “Stresstest“ durchzuführen, nachdem notenmäßig alles gelaufen ist. Wenn Eltern am Zeugnistag die Nerven verlieren, kommt das eher einem Schuldeingeständnis gleich, dass sie sich im Laufe des Schuljahres zu wenig um die Sorgen und Nöte ihres Kindes gekümmert haben.
Zeugnisse bewerten stets nur einen kleineren Ausschnitt der Schülerpersönlichkeit – und zwar immer aus dem Blickwinkel der Schule. Schlechtere Leistungsnoten können durch unterstützende Begleitung und wirkungsvolle Hilfen oder durch eine entsprechende Verhaltensänderung des Schülers im nächsten Jahr meist wieder zu besseren Ergebnissen führen.
„An den meisten Schulen werden leider viel zu wenig Stütz- und Fördermaßnahmen angeboten, weil die entsprechenden Lehrerstunden fehlen. Fast alles muss über differenzierende Maßnahmen im Unterricht aufgefangen werden“, beklagt der VBE-Sprecher, und nicht alle Familien könnten und wollten sich einen privaten Nachhilfelehrer für ihr Kind leisten. Werde das Klassenziel vom Schüler nicht erreicht, sollten alle Beteiligten die Wiederholung einer Klassenstufe nicht als „Strafe“ sehen, sondern als eine Chance, vorhandene Defizite auszugleichen respektive Entwicklungsverzögerungen aufzuholen. An Gemeinschaftsschulen ist ein Sitzenbleiben sowieso ausgeschlossen. Der Zeugnistag dürfe niemals zu einem “Gerichtstag“, zu einem Tag des Zornes werden, so der Verbandssprecher. Auch wenn sich Eltern ob eines zu deutlich ausgefallenen „Denkzettels“ zu Recht Sorgen wegen ihres Kindes machten und zunächst mit Verärgerung oder Wut reagierten, sollten alle Erziehungsberechtigten daran denken, dass gerade die weniger Erfolgreichen auf die Unterstützung durch die Familie besonders angewiesen seien, wirbt der VBE-Sprecher um “Gnade“ und Verständnis für diese Schüler.