Gebührenfreie Kitas – der VBE nimmt Stellung

Gebührenfreie KiTas

Gebührenfreie KiTas: Wir alle wissen ja, Deutschland ist ein Land des Klagens und der Klagenden geworden. Obwohl wir uns in einem Jahrzehnt ungeahnten Aufschwungs mit sprudelnden Steuereinnahmen befinden und die Ärmsten unserer Gesellschaft immer noch zum obersten Fünftel der Armen in der Welt gehören, gilt für viele von uns: „Lerne klagen ohne zu leiden!“ Aber wo klagen wir? Am meisten dort, wo wir uns ungerecht behandelt fühlen: Beim Steuersatz, bei den Studiengebühren, bei den Tarifen im öffentlichen Nahverkehr und, und, und…

Die Liste könnte beliebig erweitert werden. Es gibt auch (und wieder) bei uns vieles, das in den Abläufen harzt, unzulänglich ist oder unnötige Qualen verursacht. Also ist das Klagen doch berechtigt?

Zeit und Geld

Um Unzulänglichkeiten auszumerzen, braucht es vorwiegend Geld oder Zeit. Da sind wir schon bei den ersten beiden Begriffen gelandet, von denen jeder von uns zu wenig hat. Ichdurfte letzthin in einem „Museum“ (Schwarzwaldhaus der Sinne, Grafenhausen) einige Schaubilder zum Thema „Zeit“ verarbeiten, die anschaulich -und mich beeindruckend-darstellten, wie „früher“ unser Tag eingeteilt war und wie uns die Zeit heute frisst. War das noch übersichtlich, als ein Tag so ablief: Aufstehen-Frühstück-Arbeit-Mittagspause-Arbeit- Abendessen-Nachtruhe (mangels elektrischem Licht). Und es ist erschreckend, wenn man die Zeitleiste für die Gegenwart anschaut. Der Tagesablauf ist deutlich vielfältiger geworden. Und wenn wir dann die Kleinst-Einheiten auf dem Schaubild sehen, auf welchen aufgelistet ist, dass wir inzwischen nach jeder Tätigkeit „schnell noch kurz“ das Smartphone bedienen,dann wissen wir auch, wo ein besser zu strukturierender Teil unserer so wertvollen Zeit bleibt.

Noch ein Beispiel, weil es so eindrücklich ist: Wir erinnern uns an die so genannten„guten alten Zeiten“, als das Festnetz-Telefon unsere Haushalte eroberte: Ortsgespräche hatten noch keinen Takt (heute würde man sagen: Flatrate) und bei Ferngesprächen kostete 1 Minute 12 Pfennig. Fertig! – Wieviel Zeit verschwenden wir heute, um den für uns passenden, günstigen Tarif zu suchen (den wir niemals finden), um nach dieser Zeit der angespannten Suche irgendwann entnervt aufzugeben, dann den vermeintlich passenden Tarif zu wählen und zu hoffen, dass wir nicht ganz danebengegriffen haben? Soweit zumThema „Ich habe keine Zeit!“

Beim Geld ist es relativ einfacher zu „begreifen“. Wir können jeden Euro nur einmalausgeben. Also wird er dann knapp, wenn wir ihn nicht sinnvoll einsetzen. Das, was für uns als Privatperson gilt, gilt umso mehr für die uns Regierenden, die unser ihnen anvertrautesGeld verwalten, ausgeben und teilweise „rausschmeißen“ (nicht nur „ella“ lässt grüßen). Wir müssen gut aufpassen, was wir mit unserem Verdienst (die Regierenden: mit unseren Steuern) machen, damit der Einsatz wirkungsvoll zum Tragen kommt.

Unsere Kitas: Basisstation der frühkindlichen Bildung

Spätestens seit der Zur-Verfügung-Stellung des Orientierungsplans hat unsere jeweilige Regierung anerkannt, dass in den Kitas nicht nur Basteltanten herumlaufen, sondern dass dort ernsthafte und sinnvolle pädagogische Arbeit betrieben wird. Mit Absicht schreibe ich„Zur Verfügung-Stellung“ und nicht „Einführung“. Denn: von sachverständigen Theoretikernund Praktikern entworfen, hat ihn die Landesregierung der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Die Gemeinden sind und wären aber für dessen Umsetzung verantwortlich, können aber oft die notwendigen Finanzen nicht aufbringen, weil das Land ihnen diese nicht zuschießt. Wir halten fest: Erstens: Dort wo der Orientierungsplan umgesetzt wird, lastet die Arbeit auf den pädagogischen Fachkräften. Zweitens: Schon für die Pädagogik fehlt das Geld an allen Ecken und Enden.

Ich kenne Bürgermeister, die selbst heute noch anzweifeln, dass bereits in Grundschulen sozialpädagogische Kräfte eingesetzt werden müss(t)en. Ich behaupte: So wie sich unsere Gesellschaft entwickelt, werden wir künftig in den Kinder-Tagesstätten (KiTas) noch stärker als bisher Sozialarbeit brauchen, damit die Grundregeln des Zusammenlebens allen geläufigwerden, sind und bleiben. Unsere Gesellschaft (ich meine nicht alleine „die Eltern“) ist heutzutage inzwischen -zumindest teilweise- offenbar so erziehungsschwach geworden, dass man lieber Geld dafür einsetzt, dass jedes Tierchen sein Pläsierchen ausleben kann, statt zu formulieren, was Staat und Gesellschaft von seinen Bürgern erwarten und erwarten können. In einer Gemeinschaft zu leben und von ihr unterstützt zu werden, verlangt andererseits eben auch, sich in diese Gemeinschaft -so gut es möglich ist- irgendwie einzubringen. Und jedes Einbringen spart an anderen Stellen wieder Kosten. Eindrückliches Beispiel von früher sind die Nonnen in den Krankenhäusern: die Nonnen sind schon weg, und die Krankenhäuser folgen folgerichtig, weil sie nicht mehr finanziert werden können oder„man“ sie nicht mehr finanzieren will. Schöne neue Welt!

Doch betrachten wir unsere KiTas nicht nur aus den Blick der Pädagogik und durch die soziale Brille, sondern auch von innen: Obwohl Baden-Württemberg im Ländervergleich einen vorderen Platz belegt, ist die Fachkraft-Kinder-Relation stark verbesserungsbedürftig. Natürlich gibt es hier regionale und lokale Unterschiede. Allen aber ist gemeinsam: es fehlt an Personal, und da brauchen wir nicht einmal den Zusatz „gut ausgebildetem“ bemühen: denn noch leben wir in der Vorzeit, wo die Betonung auf dem Wort „fehlt“ liegt. Noch ist uns die Zeit gut in Erinnerung, als die Schlecker-Drogeriekette pleiteging: da kamen doch Politiker auf die Schnapsidee, man könne die Verkäuferinnen nach einer Schnellbleiche dochin den KiTas einsetzen. O heiliger Sankt Florian… Nach VBE-Verständnis sind Kinder unsere Zukunft. Ihnen das Beste angedeihen zu lassen, sichert sowohl unseren Lebensabend als auch den Fortbestand unserer Gesellschaft (ab). Dafür brauchen wir alle Anstrengungen, dafür brauchen wir (siehe oben) Zeit und Geld, aber eben auch das Personal (das wiederum viel Geld kostet).

Gebührenfreie KiTas?

Der VBE hat seit Jahrzehnten die Beschlusslage, ein verbindliches gebührenfreies Jahr vor der Einschulung zu fordern. Leider sind wir dabei kaum vorangekommen. Immerhin aber gibt es wenige Gemeinden, die diesem Aufruf nachgekommen sind. Seitens unseres Verbandes glauben wir, dass diese Forderung so zu realisieren wäre, dass andere notwendige Investitionen nicht sehr weit hintan stehen müssten. Und dann platzt die Forderung einer Partei nach vollständiger Gebührenfreiheit in den KiTas in die Landschaft bei gleichzeitig besserer Bezahlung der Erzieherinnen. Weil diese Forderung natürlich gut klingt (und durch Fußgänger-Zonen-Aktionen lange Zeit und an vielen Orten Aufmerksamkeit erlangt) springen andere gesellschaftliche Gruppierungen auf diesen Zug auf und fordern bei diesem Wahlk(r)ampf-Gag kräftig mit.

Wir erinnern uns schon, dass die Öffnungszeiten der KiTas teilweise bis auf 24-Stunden täglich ausgeweitet wurden (Mannheim z.B.)? Dass die family-work-balance alleine dadurch eine deutliche Verbesserung erfuhr? Und dass diese Verbesserungen von irgendjemandem erwirtschaftet bzw. finanziert werden müssen? „Die Besserverdiener können das ja machen, indem sie weiterhin Gebühren zahlen“, ist ein oftgehörtes Argument. Wer so argumentiert, kann absolut beruhigt sein. Unser Staat weiß, wo er seine Steuern holen muss: nämlich bei den Besserverdienenden. Und der Bereich des Steuereintreibens ist einer der wenigen Bereiche, wo unser Staat -zumindest bei Privatpersonen- noch bestens funktioniert. Und eben mit diesem Steuereinkommen (der Besserverdiener, nicht der Menschen mit Hartz-IV-Erfahrung) werden die KiTas finanziert.

Der VBE wird dieses Thema weiter auf dem Prüfstand haben

Natürlich wird auch der VBE dieses Thema auf die Tagesordnung setzen, um auszuloten, wie weit man der Maximalforderung folgen kann ohne andere „Baustellen“ zuvernachlässigen. Wollen wir wirklich marode Straßen, verspätete Züge, veraltete Schulbauten, weggesparte Krankenhäuser, geschlossene kleine Grundschulen, personalschwache Beihilfestellen mit überlangen Wartezeiten? Jeder Euro, den der Staat einnimmt, kann nur einmal ausgegeben werden. Redlicher wäre es von den Initianten der gebührenfreien KiTas, wenn sie zeitgleich sagen würden, wie das benötigte Geld erwirtschaftet werden soll. Ich hätte da ein paar tolle Vorschläge, die sicherlich jedem Politiker das Herz (vielleicht auch den Verstand) öffnen würden, beispielsweise: die Verkleinerung des Europaparlaments, Verkleinerung des Bundestages, Rücknahme der Verdoppelung des Büropersonals jedes Abgeordneten in Baden-Württemberg (vor ca. 1,5 Jahren beschlossen).