„Der Lehrermangel im Land spitzt sich zu, er hat sich innerhalb eines Jahres verschlimmert – und zwar deutlich. Sagte letztes Jahr jede dritte Schulleitung, mit Lehrermangel kämpfen zu müssen, ist es jetzt schon fast jede zweite. Der Lehrermangel hat die Schulen in Baden-Württemberg fest im Griff“, kommentiert der Landesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Gerhard Brand, die Ergebnisse der vom VBE in Auftrag gegebenen forsa-Umfrage zur „Berufszufriedenheit von Schulleitungen“.
Brand stellte die für Baden-Württemberg repräsentative Stichprobe einer bundesweiten Umfrage unter 1.232 Schulleitungen heute im Medienzentrum des Stuttgarter Landtags vor. Die Berufszufriedenheit von Schulleitungen wurde an allgemein bildenden Schulen erhoben. Ein zentrales Ergebnis ist, dass der Mangel an originär ausgebildeten Lehrkräften vor allem zur Einstellung von mehr Seiteneinsteigenden führt. 29 Prozent der Befragten beschäftigen sie. Von diesen geben zwei von drei Schulleitungen an, dass die Seiteneinsteigenden nicht angemessen vorqualifiziert sind. Der VBE fordert mindestens eine verpflichtende Vorqualifizierung. „Langfristig müssen wir Seiteneinsteigenden umfassende Fortbildungsmaßnahmen anbieten, um die nötige Qualität eines Lehramtsstudiums nachholen zu können“, so Brand.
Lehrermangel belastet zunehmend Gesundheit der Lehrkräfte
Studien (Bertelsmann Stiftung und Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung) zeigen, dass Seiteneinsteigende überproportional häufig in Schulen in schwierigen sozialen Lagen unterrichten. Brand warnt vor einer doppelten Abwärtsspirale, „zum einen werden die Kinder, die am meisten Unterstützung brauchen, zunehmend von nicht angemessen qualifizierten Lehrkräften unterrichtet. Zum anderen erfahren die originär ausgebildeten Lehrkräfte in Zeiten des Lehrermangels eine immer stärkere Belastung. Die Kolleginnen und Kollegen leiden immer öfter unter Burnout.“ Fast jede dritte Schulleitung gibt an, dass die Zahl der langfristig aufgrund psychischer Erkrankungen Ausfallenden zunimmt. Die jahrelange Fehlplanung und das maßlose „Draufsatteln“ von Aufgaben rächen sich jetzt.
Berufszufriedenheit von Schulleitungen – Politik erhält schlechtes Zeugnis
Die Politik erhält insgesamt kein gutes Zeugnis der Schulleitungen. Nur 13 Prozent der Schulleiterinnen und -leiter fühlen sich durch die Bildungsministerin unterstützt. Schulleitungen sehen das stetig wachsende Aufgabenspektrum (91 Prozent) und die steigenden Verwaltungsarbeiten (88 Prozent) als größte Belastungsfaktoren. 85 Prozent der Befragten sehen es als belastend an, dass Politiker bei ihren Entscheidungen den tatsächlichen Schulalltag nicht ausreichend beachtet. 74 Prozent der Schulleitungen gaben an, dass sich durch die neuen Herausforderungen an Schule, für die meisten Lehrkräfte Mehrbelastungen ergeben. Fast ein Drittel der Schulleitungen empfiehlt deshalb ihren Job (wahrscheinlich) nicht mehr weiter. Und: Die Schulpolitik wird durchschnittlich mit einer 3,7 bewertet.
Der VBE-Chef kritisiert: „Die Schulleitungen fühlen sich im Stich gelassen, weil die Politik den Beruf viel zu lange nicht modernisiert hat und gleichzeitig immer mehr Aufgaben an die Schulen abgegeben hat – ohne die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen.“
Schulleitungen fordern bessere Rahmenbedingungen
Die Schulleitungen wünschen sich mehr Anrechnungsstunden (94 Prozent), eine bessere personelle Ausstattung – sowohl mit pädagogischen Fachkräften (82 Prozent) als auch mit organisatorischen Stellen, wie dem Schulsekretariat (72 Prozent) – und eine Erhöhung der Leitungszeiten bei allen Schulen (90 Prozent). Die erweiterte Schulleitung finden 77 Prozent eine gute Verbesserungsmöglichkeit, weitere 78 Prozent plädieren für eine gesicherte Stellvertreterregelung.
Gerhard Brand: „Die Schulleitungen haben der Politik mit dieser Befragung auch eine Aufgabenliste an die Hand gegeben. Die Anweisungen sind klar: Wir verlangen mehr Zeit für Schulleitung, wir benötigen mehr Unterstützung und eine gesicherte Lehrerzuweisung einschließlich der Krankheitsstellvertretung.“
Zu den Ergebnissen der Studie: Charts und forsa-Ergebnisbericht.