VBE entwickelt schlüssiges Hygienekonzept für Musikunterricht

Der Komponist und Musiklehrer Gert Kürner, der für seine Verdienste für die Schulmusik die Staufermedaille des Landes Baden-Württemberg erhalten hat, hat im Auftrag des VBE ein Hygienekonzept für einen sicheren Musikunterricht entwickelt.

„Singen in geschlossenen Räumen ist ausgeschlossen, dies gilt auch für die Verwendung von Blasinstrumenten.“  Dieser Satz in der Verordnung des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport vom 07.07.2020 war nicht nur für viele Musiklehrkräfte, Leiterinnen und Leiter von Schulchören, Schulorchestern, Big Bands und Bläserklassen ein Stich ins pädagogische Herz. „Auch die jungen Musikerinnen und Musiker, die sich angesichts der Lockerungen wieder auf ein gemeinsames Musizieren im kommenden Schuljahr gefreut hatten, waren tief enttäuscht. Viele von ihnen hatten seit Mitte März fleißig am online-Instrumentalunterricht teilgenommen und in diesem Rahmen auch neue Stücke für ihr Musikensemble einstudiert. Vor allem sie können dieses Verbot des gemeinsamen Musizierens immer noch nicht begreifen. Warum sollen ausgerechnet Schülerinnen und Schüler nicht gemeinsam musizieren dürfen, wo es doch bei Musikvereinen, Musikschulen und Posaunenchören geht?“, kommentiert Gerhard Brand, Landesvorsitzender des VBE, die Verordnung.

Der Musikpädagoge Kürner ergänzt: „Aus meiner Sicht wurden seitens der Verfasser dieser Verordnung offensichtlich keine Fachleute befragt, die imstande wären, ein schlüssiges Hygienekonzept für den Musikunterricht zu erstellen. Aus der Erfahrung mit meiner privaten Big Band und durch den Kontakt zu Berufsmusikern beim Musizieren in Corona-Zeiten möchte ich nun aufzeigen, wie ein sinnvolles und praktikables Hygienekonzept durchführbar ist.

Hygienekonzept für Musikunterricht

Ausgangspunkt des für den VBE entwickelten Hygienekonzepts sind die Fachartikel „Risikoeinschätzung einer Coronavirus-Infektion im Bereich Musik“ des Freiburger Instituts für Musikermedizin und „Musizieren während der Pandemie – was rät die Wissenschaft?“ vom Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik der Universität der Bundeswehr München. Die für das Hygienekonzept relevanten Ergebnisse lassen sich, nach Instrumentengruppen sortiert, wie folgt zusammenfassen:

Tasten-, Streich-, Zupf- und Schlaginstrumente

Bei diesen Instrumenten spielt das Risiko der Kontaktübertragung eine Rolle, wenn verschiedene Musikerinnen und Musiker nacheinander auf demselben Instrument spielen.

Querflöten

Bei ihnen spaltet sich der Luftstrom der Spielerin oder des Spielers an der Kante des Mundstücks, wodurch Luft direkt in die Umgebung gelangt. Nach zwei Metern Abstand ist keine Luftbewegung mehr messbar. Es ist sinnvoll, Querflöten in der vordersten Reihe zu positionieren.

Oboen, Klarinetten und Saxophone

Beim Spielen dieser Instrumente können aus dem Mund keine Tröpfchen direkt an die Umgebung abgegeben werden. Darüber hinaus tritt bei Holzblasinstrumenten nur aus dem Schallbecher aus, wenn alle Seitenlöcher geschlossen sind.  Ansonsten tritt die Luft vorwiegend aus den Seitenlöchern aus. In einem Abstand von 1,5 Metern ist bei diesen Instrumenten keine Luftbewegung mehr messbar.

Blechblasinstrumente

Je kleiner der Schalltrichter des Instruments ist, desto größer ist der in Bewegung versetzte Luftbereich vor den Instrumenten. Dieser Luftbereich ist in jedem Fall kleiner als 0,5 Meter. Bei den Blechbläsern wird der eigentliche Ton durch das Schwingen der Lippen erzeugt. Je besser der Ansatz einer Spielerin oder eines Spielers ist, desto weniger Luft geht aus den Mundwinkeln in die Umgebung. Zur Begrenzung des ballistischen Speichelausstoßes und der Strömungsbewegungen ist ein dicht gewebtes Seiden- oder Papiertuch vor dem Schalltrichter zu befestigen. Die Reinigung der Instrumente sollte außerhalb des Musiziersettings vorgenommen werden.

Abstand halten

Generell ist ein radialer Abstand der Spielerinnen und Spieler zueinander von 1,5 bis 2 Metern zu empfehlen. Je nach Ensemblegröße ergibt sich daraus die Notwendigkeit, in der Schulaula oder der Turnhalle zu proben. Wie im normalen Präsenzunterricht gelten auch hier die Regeln bei der Verwendung des Mund-Nasen-Schutzes. Vor allem in Schulen mit Bläserklassen, bei denen ein Teil der Schülerinnen und Schüler ihre Blasinstrumente bisher nicht mit in die Schule bringen mussten, da sie Präsenzinstrumente nutzen konnten, muss auf das Mitbringen der eigenen Instrumente bestanden werden. Selbst bei Benutzung des eigenen Mundstücks, ist bei der Verwendung eines Instruments durch mehrere Personen von einer hohen Infektionsgefahr auszugehen. Eine komplette Desinfektion des Instruments vor dem Wechsel zur nächsten Benutzung ist sehr aufwändig und im Schulalltag kaum zu bewältigen.

Zupfinstrumente

Bei Zupfinstrumenten sind vor der Nutzung durch eine der Hals, die Saiten und der Korpus, bei Tasteninstrumenten die Tasten mit einem Desinfektionstuch abzuwischen. Normalerweise muss man dann eine Minute warten, damit die Desinfektion wirkt und die oder der Nächste das Instrument nutzen kann.

Ausführliches Hygienekonzept und Singen in Schulen

Hier kommen Sie zur ausführlichen Variante unseres Hygienekonzepts für den Musikunterricht. Ein Teil dieser ausführlichen Variante ist genauso für Chorsänger anwendbar und ermöglicht damit das Singen in Schulen. Auf der zweiten Seite des Hygienekonzepts wird beschrieben, wie eine Aerosolausbreitung bei Querflöten mittels eines Mikrofonständers und einer Duschfolie verhindert werden kann (siehe auch das 2. Bild). Dieser Aufbau eignet sich ebenfalls für Sänger. Da ein Mikrofonständer in der Höhe verstellbar ist, ist dieser Aufbau für das Singen im Sitzen und Stehen gleichermaßen geeignet. Ein auf dieser Weise aufgebauter Mikrofonständer hat eine Breite von ca. 1 Meter. Lässt man dann noch links und rechts einen Abstand von einer Handspanne, hat man sogar den Mindestabstand von 1,5 Metern ohne Zuhilfenahme eines Maßbands erreicht. Somit ist dieser Teil des Hygienekonzepts ebenso für das Singen in Schulen praktikabel.

Hier gelangen Sie zu einem Bericht der SWR Landesschau vom 02.09.2020