VBE-Umfrage „Corona aus Sicht der Schulen“: Berufszufriedenheit stürzt massiv ab

Herausforderungen

„Nach sieben Monaten im Krisenmodus bricht die Berufszufriedenheit an den Schulen drastisch zusammen. Die Schulleitungen können ihre Aufgaben immer seltener erfüllen. Die digitale Ausstattung ist noch immer mangelhaft und der Lehrermangel setzt die Schulen zusätzlich unter Druck“, so das ernüchternde Fazit des VBE Landesvorsitzenden Gerhard Brand mit Blick auf die Ergebnisse einer aktuellen forsa-Studie. Diese wurde heute im Medienzentrum des Stuttgarter Landtags vorgestellt.

Der VBE hatte forsa beauftragt, die Corona-Krise aus Sicht der Schulen zu untersuchen. 785 Schulleiterinnen und Schulleiter haben bundesweit daran teilgenommen, 270 davon aus Baden-Württemberg. Die Ergebnisse sind für das Land repräsentativ. Die hier dargestellten Ergebnisse beziehen sich auf die Auswertung für Baden-Württemberg. Teilweise sind die Resultate mit den Daten vergangenen Studien vergleichbar.

Die größten Probleme durch Corona

Am häufigsten nennt rund die Hälfte aller Schulleitungen die mangelhafte Digitalisierung, konkret die fehlenden Endgeräte und Probleme mit dem Online-Unterricht, als größte schulische Herausforderung in der Corona-Krise. „Die Politik hat zwar verschiedene Ausstattungsprogramme auf den Weg gebracht, der Quantensprung ist bisher aber ausgeblieben. Wenn wir von ‚Hybridunterricht‘ sprechen, ist Teil der Wahrheit, dass die Schulen diesen flächendeckend nach wie vor nicht umsetzen können“, so der VBE-Chef.

Am zweithäufigsten bemängelt jede dritte Schulleitung fehlendes Personal. „Der Lehrermangel bleibt allgegenwärtig. In der Krise zeigt sich mehr denn je, wie wichtig es für die Schulen wäre, auf eine verlässliche Krankheitsreserve zurückgreifen zu können. Hier muss das Land dringend nachlegen“, fordert Brand.

Auf Platz drei der aktuell größten Probleme folgen Corona-bedingte Herausforderungen wie die Umsetzung der Hygienemaßnahmen, die erhöhte Arbeitsbelastung, die Organisation des Schulbetriebs, die Übermittlung von Informationen und für immerhin 12 % der Schulleitungen auch die fehlende Einsicht der Eltern. „Das ohnehin schon hohe Aufgabenportfolio ist in den letzten Monaten geradezu explodiert und für die Schulen immer schwerer zu bewältigen“, erklärt Brand.

Arbeitsbelastung, Berufszufriedenheit

Die Zahl der Schulleitungen, die ihre beruflichen Aufgaben immer oder häufig erfüllen können, sinkt von 84% (im Jahr 2018) auf nun 61%. Gleichzeitig steigt die Zahl der Befragten, die ihre Aufgaben nur noch gelegentlich erfüllen kann, von 16% auf 38%. Nur fünf Prozent der Schulleitungen gibt an, mindestens 90 Prozent der Aufgaben innerhalb der zugewiesenen Leitungszeit erledigen zu können. Dagegen sagt die Hälfte aller Schulleitungen, dass sie höchstens 60 Prozent der Aufgaben in der Leitungszeit leisten kann.

Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass die Berufszufriedenheit massiv zurückgeht. Sagten in den vergangenen Umfragen (2018, 2019, März 2020) jeweils ein Großteil von über 90% der Schulleitungen, ihren Beruf  gerne oder sehr gerne auszuüben, sind es nun nur noch 62%. Dagegen vervierfacht sich die Zahl der unzufriedenen Schulleitungen und steigt von neun Prozent auf nun 37 Prozent an. Zudem fühlen sich durch die Politik nur 3% der Schulleitungen unterstützt, durch das Lehrerkollegium dagegen 87%.

„Die Zahlen könnten deutlicher kaum sein. Die Schulleiterinnen und Schulleiter mussten dieses Jahr vier komplett unterschiedliche Schulsysteme organisieren: Den Normalbetrieb vor Corona, die Schulschließungen mit der Umstellung auf den Fernlernunterricht, dann das rollierende System mit dem Wechsel zwischen Präsenz- und Fernlernphasen und schließlich den sogenannten Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen. Für die Schulleitungen bedeutet dies den maximalen Stresslevel. Die Ankündigung des Landes, die weitere Umsetzung des Konzepts zur Entlastung der Schulleitungen frühestens im Schuljahr 2022/23 anzugehen ist daher vollkommen unverständlich“, so der VBE-Vorsitzende.

Digitalpakt, Ausstattung der Schulen

Erhielt vor Corona nur ein Drittel der Schulen Mittel aus dem Digitalpakt, sind es jetzt immerhin zwei Drittel der Schulen. Trotzdem gibt es momentan nur an 4 % der Schulen Endgeräte für alle Schülerinnen und Schüler, an 16% der Schulen Endgeräte für alle Lehrkräfte, an 12 % eine hinreichende Vorbereitung der Lehrkräfte auf den Einsatz digitaler Medien durch Fortbildungen, an vier von zehn Schulen in allen Räumen WLAN und an vier von zehn Schulen einen Anschluss an das Breitbandnetz. An 20% der Schulen gibt es außerdem keine intakten Sanitäranlagen. „Die Gelder aus dem Digitalpakt fließen zwar, aber an der faktischen Ausstattung der Schulen hat sich bislang kaum was getan. Statt eines echten Digitalschubs hat es eher einen Digitalschubser gegeben“, sagt Gerhard Brand.

Forderungen des VBE
  1. Sofortige Umsetzung der zweiten Stufe des Konzepts zur Entlastung von Schulleitungen. Vor allem die Erhöhung der Schulleitungsfreistellung und Rücknahme der Kürzung des Allgemeinen Entlastungskontingents.
  2. Die Ausstattung der Schulen mit multiprofessionellen Teams zur Entlastung der Schulleitungen und Lehrkräfte.
  3. Die Umsetzung des Digitalpakts muss weiter forciert werden.
  4. Der Lehrkräftemangel ist nachhaltig anzugehen. Nötig sind eine weitere Erhöhung der Studienplatzkapazitäten, eine bessere Begleitung in Studium und Referendariat, bessere Rahmen- und Arbeitsbedingungen insbesondere an den Grundschulen sowie ein deutlicher Ausbau der Krankheitsreserve.
  5. Die Schulen müssen bei der Umsetzung der Infektionsschutzmaßnahmen noch stärker unterstützt werden. Land und Kommunen haben alle Schulen so auszustatten, dass die Hygieneregeln eingehalten werden können. Intakte Sanitärbereiche sind dabei für alle Schulen eine absolute Mindestanforderung.
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