Kommentar zur Realschulumfrage: So, jetzt wissen wir es endlich mal genau!

Kommentar

Grau ist alle Theorie. Bewährt und auch wahr. Natürlich entsteht ein so komplexes Konstrukt wie unser Real- schulkonzept nicht in einem dunklen Hinterzimmer und nur ein Mensch denkt sich da etwas aus, was ihm gefällt. Unser Konzept ist das Ergebnis einer langen und auch wohlüberlegten Diskussion im Realschulreferat. Wie gut es doch ist, wenn man auf die Expertise ganz verschiedener „Realschulmenschen“ aus ganz verschiedenen Landesteilen mit ganz unterschiedlichen pädagogischen Konzepten und regionalen Voraussetzungen zurückgreifen kann.

Während dieses Prozesses wurde uns relativ schnell klar, wo der Schuh drückt und dass es so etwas wie ein einheitliches Konzept „mit der Gießkanne“, welches auf alle Realschulen gleichermaßen ausgeschüttet wird, nicht geben kann. Dazu haben sich die Realschulen in den letzten Jahren viel zu sehr diversifiziert, wobei ganz unterschiedliche Schulkonzepte entstanden sind. Deshalb war uns klar, dass es innerhalb eines Reformkonzepts genau diesen Spielraum braucht, damit die viele Arbeit, die in den Kollegien in die Ausgestaltung der Konzepte investiert wurde, nicht umsonst war. Für uns war unser Modell sehr schlüssig, dennoch wollten wir es wissen, und zwar nicht nur irgendwie, sondern ziemlich genau.

Was lag da näher, als einfach mal bei denen nachzufragen, die es im Zweifelsfall auch umsetzen müssten. Also eine Umfrage, klar. Was uns dann jedoch überrollte, ließ sich als ein regelrechter „Rückmeldetsunami“ bezeichnen. Damit hatten wir nun nicht gerechnet. Trotz der Kürze der Zeit haben wir so viele Rückmeldungen erhalten, dass man getrost behaupten kann, das Kriterium der Repräsentativität (zumindest in Bezug auf die Teilnehmerzahl) ist übererfüllt – manche sich als wichtig aufspielende Interessensgruppe hat nicht einmal annähernd so viele Mitglieder, wie es Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dieser Studie gab. Sei’s drum. Wir sind stolz auf unsere Arbeit und auch auf die über- wältigende Bestätigung aus der Praxis. Was hat die Befragung nun ergeben?

  1. Nur ein Teil der Realschulen benötigen überhaupt ein G-Niveau und haben dementsprechend auch Schülerinnen und Schüler, die auf G-Niveau unterrichtet werden.
  2. Die große Mehrheit der befragten Lehrkräfte hält das G-Niveau in einem separaten Zug für sinnvoll und machbar.
  3. Eine Binnendifferenzierung wird von nahezu allen befragten Lehrkräften kritisch gesehen. Sowohl in Bezug auf die Arbeitsbelastung der Lehrkräfte als auch und vor allem in dem, was bei den Schülerinnen und Schülern ankommt.
  4. Fast alle befragten Lehrkräfte wünschen sich eine Verkürzung der Orientierungsstufe und sehen das bisherige Konzept als gescheitert an.
  5. Eine deutliche Mehrheit wünscht sich einen Fokus auf den Realschulabschluss als Regelabschluss.

Die Zahlen sind sehr eindeutig und mehr als beeindruckend. Was heraussticht, ist die Tatsache, dass die vielen Ideologen, die seit Jahren das ewig Gleiche fordern, ohne hierfür auch nur annähernd repräsentative Zahlen, Daten oder Fakten zu liefern, eindeutig widerlegt sind. Wer jetzt noch sklavisch an irgendwelchen Dogmen festhält, agiert wie Kinder, die sich beim Versteckspiel die Augen zuhalten, oder leugnet schlicht die Realität. Letztlich muss man bei allen Reform- bemühungen genau die mitnehmen, die es auch umsetzen müssen, und wenn genau diese Menschen die Sinnhaftigkeit nicht sehen, ist jedes Projekt zum Scheitern verurteilt.

Was wurde uns sonst noch in der Befragung mitgeteilt?
  1. Die Realschule sollte eine echte Realschule sein und nicht eine versteckte Haupt-/Werkrealschule. Je homogener eine Klasse, desto besser kann dort unterrichtet werden. Die Realschule sollte kein G-Niveau anbieten müssen.
  2. Die Abschaffung der verbindlichen GS-Empfehlung belastet die Kollegien und die Schülerinnen und Schüler extrem. Eine verbindlichere GS-Empfehlung mit mehr Gewicht muss wieder eingeführt werden. Die Grundschulempfehlung muss wieder eine größere Bedeutung erhalten.
  3. An den Realschulen sollte nach Möglichkeit ausschließlich der Realschulabschluss angeboten werden. Er sollte nur dort überhaupt angeboten werden, wo dies erforderlich ist.
  4. Unterricht auf G-Niveau sollte in die Werkrealschule/Hauptschule verlagert werden. Folge: Stärkung der HS/WRS.
  5. Wir müssen die Dreigliedrigkeit des Schulsystems als bewussten Gegenentwurf zur Gemeinschaftsschule erhalten.
  6. Leider kann durch das gleichzeitige Unterrichten auf G- und M-Niveau keines der Niveaus richtig unterrichtet werden. Dadurch wird man den Kindern nicht gerecht und für uns Lehrkräfte bedeutet es einen höheren Aufwand und eine Arbeitszeitverdichtung. Überforderung droht.
  7. Die rund 25 % der Schülerinnen und Schüler mit einer Gymnasialempfehlung auf den Realschulen dürfen nicht vergessen werden.

Es wird also Zeit, dass das Kultusministerium reagiert. Die Lehrkräfte an den Realschulen brauchen endliche eine Veränderung und Unterstützung.

Hier geht es zur Pressemitteilung zur Landespressekonferenz.

Dirk Lederle,
Schulleiter Johanniterschule Heitersheim,
stellvertretender Landesvorsitzender