Die Flucht von Menschen aus Kriegsgebieten ist seit den jüngsten Ereignissen – dem Überfall Russlands auf die Ukraine – präsenter denn je. Ankommen und Neuorientierung, das stellt die geflüchteten Familien vor große Herausforderungen. Aber auch die Schulen, in die die geflüchteten Kinder gehen. Wie die Kinder unterrichtet werden können, wenn sie in einem neuen Land angekommen sind, darauf versuchte der VBE beim Nordbadischen Lehrerinnen- und Lehrertag an der Humboldt-Realschule in Eppelheim eine Antwort zu geben. Dieser stand im Zeichen „Ankommen und Bleiben – Zuwanderung, Sprache und Integration in der Schule“.
„Es ist ein Tag für die Kolleginnen und Kollegen“, sagte der VBE-Landesvorsitzende Gerhard Brand im Vorfeld der Veranstaltung. Die Schule habe begonnen und in den ersten Tagen sehe man jetzt schon , dass es coronabedingte Ausfälle gebe. Gleichzeitig sehe man, dass die Schulen, in denen geflüchtete Kinder aus der Ukraine unterrichtet werden, einen großen Bedarf am Fach „Deutsch als Zweitsprache“ haben. „Und deshalb wollen wir jetzt zu Beginn des Schuljahres für die Kolleginnen und Kollegen einen Tag anbieten, an dem wir auf diese Fragen eingehen können und ihnen im informellen Austausch das Gefühl geben können, dass sie nicht alleine sind“, so Brand.
Sechs Workshops zum Thema Integration und Sprachförderung
Integration spielte auch in den sechs angebotenen Workshops der sehr gut besuchten Veranstaltung eine große Rolle. Vom Spracherwerb mit digitalen Medien, über Fluchtgeschichten, hin zu kultursensibler Elternarbeit konnten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dort Tipps und Anregungen holen.
„Der VBE möchte einen Beitrag dazu leisten, dass das Thema Ankommen und Bleiben eine breite Öffentlichkeit bekommt“, sagte Andrea Friedrich, Vorsitzende des VBE-Landesbezirks Nordbaden.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer tauschen sich untereinander aus
Und was dachten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über den Aktionstag? Melin Özcelik, Lehrerin einer Vorbereitungsklasse in der Sekundarstufe, war beispielsweise an den Workshops interessiert. Patrick Ripberger erhoffte sich einen Wissenszuwachs und einen Erfahrungsaustausch mit Kolleginnen und Kollegen, die Deutsch als Zweitsprache unterrichten.
Wenig später sah man die beiden dann in den Workshops sitzen: Während sich Melin Özcelik bei Hartmut Quiring über „Singend Deutsch lernen“ informierte, saß Patrick Ripberger im Kurs „Sprachförderung mit digitalen Medien in der Grundschule“. Dort zeigten die Referentinnen Janita Lesser und Evelyn Nagel, wie man mit Hilfe von Lern-Apps am Tablet Sprachen lernt. „Sprachförderung ist nicht nur auf den Deutschunterricht eingeschränkt, sondern man sollte das in allen Fächern üben“, betonte Lesser.
Spannender Vortrag von Havva Engin
Dass es im Leben eines Menschen, meistens einen Lehrer gibt, der den Lebensverlauf in irgendeiner Weise entscheidend geprägt oder in eine Richtung gelenkt hat, darauf spielte nicht nur Eppelheims Bürgermeisterin Patricia Rebmann an, sondern auch Professorin Havva Engin, Leiterin des Heidelberger Instituts für Migrationsforschung und Transkulturelle Pädagogik.
Dass Deutschland nicht erst seit den 1950er Jahren ein Einwanderungsland ist, 1955 fing die so genannte Gastarbeiter-Migration an, machte Engin ihrem Impulsvortrag „Migration – Integration – Sprache: Migrationsbedingte Vielfalt in der Schule – pädagogische Antworten auf aktuelle Herausforderungen“ deutlich.
Engin verwies auch immer wieder auf ihre eigene Biographie – sie hat selbst eine Einwanderungsgeschichte und ist mit fünfeinhalb Jahren aus der Türkei gekommen – und ihren Schwierigkeiten im deutschen Bildungssystem.
Migration ist kein Randthema
Migration sei, hinsichtlich der Tatsache, dass fast jeder zweite Schüler in Baden-Württemberg einen Migrationshintergrund habe, ein Querschnittsthema, betonte sie. Engin machte sich dafür stark, das Thema Migration in die erste Phase des Lehramtsstudiums zu bringen und es prüfungsrelevant zu machen. „Den Praxisschock gibt es immer noch“, sagte sie.