Bertelsmann-Studie belegt zunehmende Notversorgung auch an Kitas

Nach Angaben der Bertelsmann Stiftung kann Baden-Württemberg den gesetzlich verankerten Rechtsanspruch auf eine Kindertagesbetreuung im Jahr 2023 nicht erfüllen. Demnach fehlen nächstes Jahr insgesamt rund 58.000 Kita-Plätze, allein im Bereich der Kinder unter drei Jahren klafft zwischen nachgefragten und zur Verfügung stehenden Plätzen eine Lücke von 13 Prozent beziehungsweise 39.000 Plätzen.

Der VBE-Landesvorsitzende Gerhard Brand zeigt sich angesichts der von Bertelsmann veröffentlichten Zahlen besorgt: „Die Zahlen belegen, dass auch die Personallage in den Kitas zunehmend einer Notversorgung entspricht. Wenn wir nicht mal mehr den Rechtsanspruch vollumfänglich umsetzen können, dann steuern wir auf unhaltbare Zustände in der Kleinkindbetreuung zu. Es entsteht immer mehr der Eindruck, dass unsere Kinder derzeit von einem unterfinanzierten Teil des Bildungssystems, der Kita, in den nächsten unterfinanzierten Bereich, die Schule, weitergereicht werden. Das ist eine untragbare Situation, wie auch die jüngsten IQB-Zahlen unmissverständlich belegen.“

Bis 2030 fehlen 52.000 pädagogische Fachkräfte

Der VBE hat im Rahmen seiner diesjährigen Studie zum Deutschen Kitaleitungskongress (DKLK) ermittelt, dass Baden-Württemberg bis 2030 einen Zusatzbedarf von 52.000 pädagogischen Fachkräften aufweist. Dazu erläutert Gerhard Brand: „In diese Bedarfsermittlung fließen vier Punkte ein: Erstens die Umsetzung der wissenschaftlichen Empfehlung zum Betreuungsschlüssel in den Kitas. Diese liegt bei Kindern unter drei Jahren bei einer Fachkraft-Kind-Relation von 1:3 und bei Kindern über drei Jahren bei 1:7,5. Zweitens der Umstand, dass wir an den Grundschulen schrittweise ab 2026 einen Rechtsanspruch auf Betreuung im Ganztag haben, der einen Zusatzbedarf an pädagogischen Fachkräften auslöst. Drittens die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz. Dieser besteht zwar schon heute, kann aber infolge des Personalmangels nicht vollumfänglich umgesetzt werden. Und viertens haben wir mit einem belastbaren Bedarf gerechnet, also mit einer Personalabdeckung von 110 Prozent. Dies berücksichtigt, dass pädagogische Fachkräfte auch mal krankheitsbedingt ausfallen, schwanger werden oder Fortbildungen besuchen. Für diese Umstände benötigt es eine Personalreserve.“

Land und Kommunen stehen in der Pflicht

Der Landesvorsitzende nimmt Landesregierung und Kommunen in die Pflicht: „Mein dringender Appell richtet sich an Land und Kommunen alles dafür zu tun, um mehr junge Menschen für den Beruf zu begeistern und das bereits vorhandene Personal zu halten. Dies beinhaltet die Ausweitung der Ausbildungskapazitäten an Fach- und Hochschulen und das Angebot adäquater Entwicklungsperspektiven für ausgebildete Fachkräfte. Wie unsere diesjährige DKLK-Studie zeigt, benötigt es aber nicht nur eine massive Fachkräfteoffensive, sondern auch Angebote zur Gesundheitserhaltung des pädagogischen Fachpersonals. Es sind professionelle und attraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen, die es dem Personal ermöglichen, im Job gesund zu bleiben und alt zu werden. Die Appelle der Kommunen die Kita-Gruppen zu vergrößern und den Betreuungsschlüssel aufzuweichen unterlaufen dies und sind daher strikt abzulehnen.“

Weiterführende Infos:
  • Bundesweit stehen im kommenden Jahr deutlich weniger Kita-Plätze zur Verfügung, als benötigt werden. Laut Bertelsmann besteht deutschlandweit eine Lücke von 384.000 Kita-Plätzen. Insbesondere die westdeutschen Länder können den Betreuungsbedarf von Eltern für ihre Kinder noch nicht decken. Doch es fehlt nicht nur an Plätzen, sondern häufig auch an einer kindgerechten Personalausstattung, gerade in Ostdeutschland. Die gesamten Ergebnisse der heute veröffentlichten Bertelsmann-Studie finden Sie hier.
  • Die immer größer werdenden Herausforderungen im Kita-Bereich hat bereits die vom VBE mit herausgegebene DKLK-Studie 2022 aufgedeckt. Die Studie gibt Aufschluss über die Personalsituation, Probleme bei der Sicherung der Aufsichtspflicht, die unzureichende Leitungszeit und weitere Aspekte. Die Studienergebnisse finden Sie hier.
  • Die Probleme bei der Personalversorgung im Kita-Bereich setzen sich im Schulebreich nahtlos fort, dies hat eine VBE-Studie zur Unterrichtsabdeckung aufgezeigt. Die Ergebnisse dieser Studie finden Sie hier.
  • Der jüngste IQB-Bildungstrend hat drastische Leistungsdefizite bei Grundschülerinnen und Grundschülern offengelegt. Den Bericht, eine Zusammenfassung der Ergebnisse sowie weitere Informationen des IQB-Bildungstrends 2021 finden Sie hier.
  • Die Stellungnahme des Kultusminsterums zu den besorgniserregenden Ergebnissen der IQB-Studie lesen Sie hier.