Mit der Gemeinschaftsschule hat eine neue Begrifflichkeit Einzug gehalten
Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg sieht mit einer gewissen Sorge, dass sich durch die Einführung der Gemeinschaftsschule auch die Begrifflichkeit des pädagogischen Vokabulars gewandelt hat, und Eltern zuweilen nicht verstehen, was ihre Kinder meinen, wenn sie von der Schule berichten. Hier sei noch viel behutsame Aufklärungsarbeit notwendig, so der VBE-Sprecher, damit nicht allein durch Verständnisprobleme eigentlich unnötige Ängste geschürt werden.
In Peter Bichsels Kurzgeschichte „Ein Tisch ist ein Tisch“ gibt der Protagonist, ein alter Mann, den Dingen neue Namen und glaubt, dass sich dadurch alles ändern werde. Das sei, so der Autor, jedoch keine lustige Geschichte, sondern eine traurige. Denn zum Schluss macht es dem alten Mann Angst, mit den Leuten zu sprechen, weil er sie nicht mehr verstehen kann, und auch die Leute ihn nicht mehr verstehen.
Wenn Eltern ihre Kinder, die heute in Gemeinschaftsschulen gehen, reden hören, verstehen auch sie so manches nicht mehr und benötigten eigentlich ein Glossar, um die gängigsten Begriffe dieser neuen Schulart richtig einordnen zu können. So halten sich die Schüler nicht mehr in einem Klassenzimmer auf, sondern in einem „Lernatelier“ oder in einem Lernbüro, wo ihnen Lernprojekte angeboten werden. Der Lehrer nimmt als Experte für fachliche Fragen die Rolle des „Lernbegleiters“ ein und initiiert beziehungsweise organisiert die „Lernprozesse“ der Schüler. Er schlüpft auch in die Rolle des „Lerncoachs“ und berät die „Lerner“ zu Fragen im Zusammenhang mit der individuellen Lernentwicklung oder dem Erwerb personaler, sozialer und methodischer Kompetenzen. Er steuert das kooperative Lernen und das differenzierte Arbeiten etwa mittels spezifischer Lernspiralen (nach Klippert).
Frontalunterricht wird durch „Inputphasen“ für die gesamte Lerngruppe – vormals Klasse – oder auch nur für einzelne Lerner abgelöst. Gemeinsame Klassenarbeiten mit herkömmlicher Notengebung werden nicht mehr geschrieben, sondern die auf drei Niveaustufen erworbenen Kompetenzen in Kompetenzrastern dokumentiert. Manche bekannte Begriffe bekommen eine neue Bedeutung: so dürfen Schüler offiziell „Spickzettel“ mit einer stark begrenzten Anzahl von Wörtern anfertigen, um für sich den Lernstoff im Vorfeld klar zu strukturieren. Es wäre schade, wenn durch eine Überfrachtung mit zu vielen neuen Begrifflichkeiten das enorme Engagement der Lehrkräfte an Gemeinschaftsschulen torpediert werden würde, so der VBE-Sprecher.