Nicht nur Lehrkräfte, auch Kultusbeamte können von der Wirtschaft lernen

Noch gut kann ich mich an eine Forderung unseres Kultusministers aus dem letzen Sommer erinnern, nach der wir Lehrer doch bitte in unserer unterrichtsfreien Zeit Praktika in Unternehmen machen sollen, damit wir – und das war die deutliche Konnotation des Vorschlags – nicht ganz so weltfremd bleiben. Ich habe das damals so verstanden, dass wir als lehrendes Personal doch unbedingt über unseren Tellerrand hinausschauen und von Abläufen aus der Wirtschaft lernen sollen, um unseren (begrenzten) Horizont zu erweitern.

Johannes Knapp, Vorsitzender des VBE-Kreisverbandes Stuttgart
Johannes Knapp, Vorsitzender des VBE-Kreisverbandes Stuttgart

Sie werden sich eventuell fragen, warum ich Ihnen das an dieser Stelle erzähle? Nun ja – hinlänglich ist bekannt, dass das baden-württembergische Bildungssystem vor großen Umbrüchen und Herausforderungen steht. Nicht zuletzt durch den demografischen Wandel und den Wegfall der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung stehen viele Werkrealschulen vor dem unmittelbaren Aus. Viele Werkrealschulkollegen werden bereits im kommenden Schuljahr an einer anderen Schulart unterrichten (müssen) – sei es, dass sie in den Grundschulbereich wechseln, an eine Realschule oder an eine berufliche Schule oder ein Gymnasium abgeordnet werden. Dieser Schulartenwechsel stellt für die allermeisten Kollegen eine grundlegende berufliche Neuorientierung dar, die auch mit Unsicherheiten verbunden sein kann.

So klappt gute Personalplanung und Entwicklung
Vor diesem Hintergrund habe ich mir die Forderung unseres Kultusministers aus dem letzten Sommer, wonach wir Lehrkräfte uns einiges aus der realen Wirtschaft abschauen können, zu Herzen genommen und mich bei einem Freund, der Personalreferent bei einer renommierten Bank ist, erkundigt, wie denn solche Veränderungsprozesse bei Ihnen ablaufen. Er hat mir also davon berichtet, dass sein Unternehmen grundsätzlich an einer vorausschauenden Personalplanung und Entwicklung interessiert ist, die den Betroffenen ein hohes Maß an Transparenz bietet. In der konkreten Umsetzung sieht das so aus, dass möglichst frühzeitig der Mitarbeiter, der eine veränderte Aufgabe in einem anderen Geschäftsbereich zukünftig erhalten wir, in diesen Prozess mit einbezogen wird. Fester Bestandteil ist ein Entwicklungsgespräch mit der Personalabteilung, in dem gemeinsam mit dem Mitarbeiter ein individueller Fortbildungsplan ausgearbeitet wird, der ihn optimal auf die zukünftige Tätigkeit vorbereitet. Ganz selbstverständlich finden diese Fortbildungsmaßnahmen während der Arbeitszeit statt.

Gelernt habe ich in dem Gespräch mit meinem Freund also Folgendes. Eine sinnvolle Personalplanung und Entwicklung erfordert Voraussicht, Transparenz und – ganz zentral – gezielte aufeinander abgestimmte Fortbildungsmaßnahmen.

Wenn ich nun den Transfer des Gelernten auf unseren schulischen Bereich versuche, komme ich doch sehr ins Stocken. Auf den Bereich Voraussicht und Transparenz möchte ich hier gar nicht eingehen, da ich mich sonst in Rage schreiben würde beim Nachdenken darüber, was in der Vergangenheit hier nicht geklappt hat. Nur so viel – der demografische Wandel steht schon seit Langem fest und um die Folgen des Wegfalls der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung absehen zu können, bedurfte es auch keiner übersinnlichen Fähigkeiten.

Gutes Personal braucht gute Fortbildungen
Ich möchte an dieser Stelle den Blick lieber in die Zukunft richten, als mich über Vergangenes zu ärgern. Mehrfach hat mein Personalreferenten-Freund betont, wie zentral und wichtig eine gute Vorbereitung auf eine künftige Stelle ist. Und die geht nun mal zumeist nur über passende, qualitätsvolle und langfristige Fortbildungsmöglichkeiten.

Im zentralen Fortbildungsverzeichnis des Landes kann ich aber nur ein konkretes Fortbildungsangebot für „Schulartenwechsler“ entdecken: „Von der Werkrealschule an die Grundschule gewechselt – und nun?“ Bei dieser Veranstaltung des Staatlichen Schulamtes Mannheim soll in gut 2,5 Stunden auf diese Frage eine Antwort gefunden werden. Allerdings braucht es für Kollegen, die beispielsweise mehr als 10 Jahre an der Sekundarstufe unterrichtet haben, für den Wechsel an die Grundschule mehr als nur punktuelle Fortbildungen – da bedarf es eines Programms, das psychologisch-pädagogische sowie fachliche Gesichtspunkte der einzelnen Fächer (Didaktik, Bildungsplan, …) der Schulart, an die gewechselt wird, berücksichtigt und – das ist zentral – auf die einzelne Lehrkraft abgestimmt ist sowie als Angebot unterbreitet wird. Denn nicht jeder bringt die gleiche Ausgangssituation mit und benötigt das gleiche Fortbildungspensum. Indes halte ich es für unbedingt geboten, dass unser Arbeitgeber solche Angebote bereithält. Hierbei stellt sich natürlich auch zwingend die Frage, wie die Kollegen während dieser Fortbildungszeit entlastet werden können. Es kann nämlich nicht sein, dass auf das normale Unterrichtspensum ein zusätzliches Fortbildungspensum einfach aufgesetzt wird. Hier braucht es eine klare Regelung, die es den Betroffenen ermöglicht, auch während der Unterrichtszeit diese Fortbildungen zu besuchen. Und wie gesagt, geht es nicht um einzelne Fortbildungsmaßnahmen, die für die allermeisten Lehrkräfte sowieso selbstverständlich sind, sondern um eine kontinuierliche Vorbereitung auf die kommende Aufgabe.

Und wieder fehlt das liebe Geld
Grundsätzlich habe ich mich gefragt, warum es denn solche Fortbildungsangebote (noch) nicht gibt. Und hier kommt wieder mein befreundeter Personaler ins Spiel. Nach seinen Worten sind Fortbildungsprogramme eine sehr kostenintensive Angelegenheit besonders dann, wenn sie individuell geplant und auf den einzelnen zugeschnitten werden. Böse Zungen könnten an dieser Stelle behaupten, dem Land sind seine Lehrer eh schon teuer genug (siehe verzögerte Tariferhöhungen, massive Einsparungen bei Junglehrern, Kürzungen bei der Beihilfe …), dann braucht es nicht noch teure Fortbildung. Aber zurück zu der Forderung unseres Kultusministers, von Wirtschaftsunternehmen zu lernen. Auf meine Frage, warum denn die Bank so viel in die Fort- und Weiterbildung ihres Personals investiere, bekam ich die Antwort: „Gute Vorbereitung auf eine neue Stelle durch Fortbildung steigert die Motivation, Zufriedenheit und Kompetenz unserer Leute. Und gutes Personal bringt richtig Rendite – und das kommt wiederum unserem Unternehmen zu Gute.“

Die Rendite in unserem schulischen Bereich ist eine gute Bildung unserer Schüler/-innen. Wenn ich – in Wirtschaftssprache – diese Rendite steigern will, dann muss ich eben auch in die Fortbildung meines Personals investieren. Und eine solche Personalplanung ließe sich sicher auch von den Führungskräften des Kultusministeriums in einem Praktikum im Personalwesen eines Wirtschaftsunternehmens lernen.

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