Weiterentwicklung von Lernstandserhebungen

Informationsveranstaltung des Kultusministeriums (KM) und des Landesinstituts für Schulentwicklung (LS)

Heike Stober, Mitglied des Landesvorstandes des VBE Baden-Württemberg
Heike Stober, Mitglied des Landesvorstandes des VBE Baden-Württemberg

Am 19.05.2014 erläuterten Ministerialdirigent Dr. Johannes Bergner, Leiter der Abteilung „Allgemein bildende Schulen, Elementarbildung“ (KM) und (in Vertretung von Direktorin Prof. Suzan Bacher (LS)) Prof. Dr. Andreas Jetter, Leiter des Fachbereich 3 „Schulentwicklung und empirische Bildungsforschung“ (LS), unterstützt durch Timo Leuders vom Institut für Mathematische Bildung der Pädagogischen Hochschule Freiburg, die aktuelle Weiterentwicklung und Zielsetzung sowie die Inhalte und wissenschaftliche Begleitung der Lernstandserhebungen, die ab 2016/2017 in Baden-Württemberg zum Einsatz kommen sollen.

Die Begrüßung der Gäste erfolgte durch den Stellvertretenden Direktor, Prof. Volker Gelhaar (LS); die Einführung in die Veranstaltung übernahm (in Vertretung von Ministerialrat Renzo Constantino) Regierungsschuldirektorin Sabine Conrad (KM).

 

Grundsätze und Neuerungen

In seinen Ausführungen setzte Bergner die Weiterentwicklung der Lernstandserhebungen in Baden-Württemberg in Korrelation zur Bildungsplanreform 2016/2017 und erklärte, dass die bisherigen Vergleichsarbeiten durch die neuen Verfahren Lernstand 5 und VERA 8 ersetzt werden.

Rückblickend auf die Bildungsplanreform 2004 knüpfte Bergner seine Darstellung der Hintergründe und Zielsetzung der Weiterentwicklung an die sowohl damals aktiv ergriffene als auch aktuell bestehende Qualitätsverantwortung sowie die daraus resultierte Systematisierung von Qualitätsprozessen und Qualitätsoffensive an. Die Fragestellung der Verwirklichung der Outputorientierung werde im Kontext des neuen Bildungsplans weiterverfolgt. Auf der Grundlage des Abgleichs mit bundesweiten Standards der Kultusministerkonferenz (KMK), mit Länderkommissionsempfehlungen und der im Juni 2006 festgelegten Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring könne es anhand der anvisierten, verpflichtenden Instrumente der Selbstevaluation (SEV) an den einzelnen Schulen gelingen, eine datenbasierte Standortbestimmung und Selbstvergewisserung hinsichtlich des Erreichens der angestrebten Ergebnisse zu erhalten sowie erfolgreiche Maßnahmen der Unterrichtsentwicklung (UE) sowie der Schulentwicklung (SE) abzuleiten.

Ab dem Schuljahr 2016/2017 werden (im Bereich der Sekundarstufe I schulartunabhängig) folgende Lernstandserhebungen implementiert:

• VERA 3 (Mathematik, Deutsch)
• Lernstand 5 (Mathematik, Deutsch)
• VERA 8 (Mathematik, Deutsch, Fremdsprache)

Bergner erklärte, dass die Veröffentlichung der entsprechenden Verwaltungsvorschrift, die aktuell als Entwurf vorliege, für Mitte Juni 2014 geplant sei. Diese werde Auskunft über die Funktion der Lernstandserhebungen und Leistungsmessung, den Einsatz der Verfahren in den Klassen 3, 5 und 8, Fremdsprachenregelungen und den Einsatz der geplanten Testheftvarianten bei VERA 8 erteilen. In Bezug auf die Unterstützung der Schulen verwies Bergner auf die Begleitung durch das LS, Didaktische Handreichungen des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) Berlin (betr. VERA 3 und VERA 8) sowie die Fachberater Unterrichtsentwicklung und Schulentwicklung aller Schularten. Dabei stünden konkrete methodisch-didaktische Materialien mit dem Ziel der Unterrichtsveränderungen sowie Ableitungen von Maßnahmen im Fokus. Ab Februar 2015 stünden der Schulverwaltung Mitarbeiter des LS und des Referats 32 (KM) zur diesbezüglichen Unterstützung zur Verfügung.

 

Inhaltliche Modifikation

Jetter führte in seinem Beitrag den LS-Anspruch hinsichtlich der empirischen Überprüfung von Kompetenzen, Grundsätzliches zu den insbesondere modifizierten Verfahren VERA 8 und Lernstand 5 sowie deren Mehrwert auf und verwies auf die Errungenschaft des diesbezüglich eingerichteten, landeseigenen Online-Portals.

In Bezug auf VERA 8 stellte Jetter dar, dass (im Gegensatz zur Individualdiagnostik) die soziale Bezugsnorm fokussiert werde, was den Einsatz eines lerngruppeneinheitlichen Testhefts bedinge. Die Ziele von VERA 8 bestünden in der datengestützten Weiterentwicklung von Schule und Unterricht, der Feststellung des Lernstands der Schüler auf Basis des KMK-Kompetenzstufenmodells sowie der Professionalisierung der Lehrkräfte, insbesondere des Ausbaus diagnostischer Fähigkeiten als Grundlage einer gezielten Planung pädagogischer Fördermaßnahmen. In Erarbeitung befänden sich drei Testheftvarianten, die zum einen besonderen Stärken, zum anderen auffälligen Entwicklungsfeldern beziehungsweise zum dritten einer ausgeprägten Leistungsspreizung Rechnung tragen sollen und je nach schulintern übereinstimmender Auswahl zum Einsatz kommen sollen.

Jetter erläuterte, dass Lernstand 5 als landesspezifisches Instrument vor dem Hintergrund zunehmender Heterogenität in allen weiterführenden Schularten förderdiagnostische Anschlussmöglichkeiten in den Mittelpunkt stelle. Ziele des zu Beginn der Jahrgangsstufe 5 eingesetzten, zweistufigen Verfahrens (Ebene 1: Analyse/Erhebung, Ebene 2: Maßnahmen/passgenaues Material) seien die Erfassung des individuellen Lernstands und der Heterogenität in einer Lerngruppe sowie die Unterstützung der Unterrichts- und Schulentwicklung; Lernstand 5 sei kein Instrument zur Bewertung der Entscheidung für eine Schulart.

Hinsichtlich des Mehrwerts der veränderten Verfahren führte Jetter den objektiveren Blick auf die Gesamtheit aller Lehr- und Lernprozesse einer Lerngruppe, die fundierte und detaillierte Ergebnisrückmeldung zu prognostisch relevanten Basiskompetenzen, die Stärkung der diagnostischen Kompetenz von Lehrkräften, die Bereitstellung von Unterstützungsmaterial sowie erweiterte Benutzerfreundlichkeit und Zeitersparnis durch die Einrichtung des oben genannten Landesportals an.

 

Konkretisierung

Leuders veranschaulichte in der Folge Konkretisierungen von Diagnose- und Maßnahmenansätzen an Beispielen aus dem Fachbereich Mathematik. Dabei ging er unter anderem auf Diagnosetätigkeiten als alltägliche Voraussetzung für pädagogische Entscheidungen, das Modell des Diagnosedreiecks und besondere Herausforderungen im Rahmen der landesweit gültigen Testerstellung ein.

StD´in Elsbeth Müller-Rosigkeit, Leiterin des LS-Referats 31 „Empirische Verfahren“ moderierte abschließenden offene Fragen aus dem Plenum.

 

Kommentar

In der dargestellten Gesamtschau kann die Weiterentwicklung der Lernstandserhebungen in den oben genannten Klassenstufen, insbesondere die Konzentration der Erhebungen auf relevante Zeitfenster (einmal in der Primar-, zweimal in der Sekundarstufe I), begrüßt werden.

Im Kontext des Wegfalls der verbindlichen Grundschulempfehlung stellt eine Analyse und Interpretation des individuellen Lernstands zu Beginn der Eingangsstufe aller weiterführenden Schularten eine sinnvolle Maßnahme zur Anpassung anschließender Förderinstrumente dar. Besonders bedeutsam hinsichtlich des gesamtbildungspolitisch verfolgten Ansatzes erscheint es, dass die Testung auf die Zukunft ausgerichtete, inhaltlich schulartoffene Maßnahmen und nicht die Wertung der Wahl der jeweiligen Schulart fokussiert.

Im Sinne einer adäquaten Abschlussorientierung ist gleichfalls der Zeitpunkt der Erhebung in Klassenstufe 8, insbesondere für Schüler von Gemeinschaftsschulen mit unterschiedlichen Abschlussmöglichkeiten, schlüssig. Fernerhin ist die weitere Stärkung der Diagnose-, das heißt der Analyse- und Interpretationskompetenzen der Lehrkräfte ein willkommener Schwerpunkt der Weiterentwicklung des gesamten Bildungssystems in Baden-Württemberg. Insbesondere die angekündigten, aus der anvisierten Förderdiagnostik resultierenden Maßnahmen schließen eine bislang stark bemängelte Lücke im Anschluss an die bislang durchgeführte Diagnostik.

Auf die Notwendigkeit einer vorausschauenden, auf einen breiten Adressatenkreis ausgerichtete und flächen-deckend angelegte Lehrerfortbildung im Vorfeld der Implementierung der thematisierten Erhebungsbausteine wird an dieser Stelle ausdrücklich hingewiesen.

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