Eine Kollegin arbeitet als Werkrealschullehrerin an einer kleinen Werkrealschule in Baden-Württemberg. Das Kollegium wurde von der Schulleiterin per Schul-App informiert, dass geplant ist, eine verbindliche gendergerechte Schreibweise an der Schule einzuführen. Die Rektorin hat sich in letzter Zeit im schulischen Umfeld umgehört und möchte eine gendergerechte Sprache einzuführen. Sie macht folgenden Vorschlag: Wir schreiben mit Doppelpunkt also zum Beispiel Schüler:innen oder Lehrer:innen. Ihre Begründung lautet: Der sogenannte Gender-Doppelpunkt ist die jüngste Form der gendergerechten Schreibweise und gilt als Leser:innen freundlicher als Sternchen oder Unterstrich.
Zudem ist er inklusiver, da er von Sprachausgabeprogrammen für Blinde oder Menschen mit Sehbehinderung am besten wiedergegeben werden kann, indem für den Doppelpunkt eine kurze Sprechpause eingefügt wird. Unsere Rektorin plant aktuell eine kurze, freiwillige Umfrage im Kollegium per App zu machen und danach die gendergerechte Schreibweise einzuführen.
Gibt es eine aktuelle Rechtslage bzgl. gendergerechter Schreibweise?
Wie verfahren andere Schulen? Welches Vorgehen empfehlen Sie mir gegenüber der Schulleitung?
Zunächst einmal möchte ich Ihnen den Standpunkt des VBE BW bezüglich Gendern, Gendersternchen … erläutern. Der VBE hat beim Kultusministerium eine einheitliche Regelung gefordert. Ich zitiere im Folgenden unseren Landesvorsitzenden des VBE BW. Er kritisiert, dass das Kultusministerium es den Schulen überlässt, ob sie Genderzeichen wie das Gendersternchen in Aufsätzen und Prüfungen zulassen oder nicht. Wörtlich hat er gesagt: „Das Ministerium erweist den Schulen damit einen Bärendienst.“ Zur Verwendung von Gender- sternchen an Schulen fügt er an: „Wir hätten uns seitens des Kultusministeriums eine einheitliche Regelung gewünscht. Dadurch, dass jetzt jede Schule selbst entscheiden soll, setzt man sie dem Druck der meinungsstarken Elternschaft aus. Wir erwarten den Schutz der Lehrkräfte und Schulleitungen durch den Dienstherrn. Außerdem sehen wir die Gefahr, dass wenn Schulen unterschiedlich vorgehen, dies mittel- bis langfristig zu einer uneinheitlichen Schreibweise führt. Wir fordern eine klare, einheitliche Regelung, orientiert am Duden und den Empfehlungen des Rechtschreibrats.“
Nun zum rechtlichen Hintergrund: Generell gilt in Schulen bei der Vermittlung der Deutschen Sprache wie bei der Korrektur von Aufsätzen das Amtliche Regelwerk für die deutsche Orthografie. Dessen Urheberinnen und Urheber vom Rat für deutsche Rechtschreibung haben zuletzt die Aufnahme von Gendersternchen, Unterstrich oder Doppelpunkt, mit der die Vielfalt der Geschlechter zum Ausdruck kommen soll, nicht empfohlen. Um Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg für gendergerechte Sprache zu sensibilisieren gelten im Bildungsplan 2016 entsprechende Regeln. Darin werden fast durchgängig die weibliche und männliche Form verwendet oder neutrale Ausdrücke wie Lehrkräfte oder Studierende. Gleiches gilt für die Rahmenlehrpläne der Berufsschule und sonstigen Bildungspläne. Da der Rat für deutsche Rechtschreibung die Aufnahme von Gendersternchen, Unterstrich oder Doppelpunkt … nicht empfiehlt, ist für den VBE BW das Vorgehen klar.
Aus meiner Sicht sollten Sie im Vorfeld in Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen auf die Empfehlung des Rats für deutsche Rechtschreibung hinweisen. Vielleicht können Sie so eine Abstimmung verhindern!? Mit der Schulleitung würde ich ebenfalls das Gespräch suchen und auf die obige Empfehlung hinweisen. Mir persönlich sind keine Schulen bekannt, die in ähnlicher Weise verfahren. An meiner eigenen Schule halten wir uns selbstverständlich an die Empfehlung des Rats für deutsche Rechtschreibung und an das amtliche Regelwerk für deutsche Orthografie.
Walter Beyer, Stv. Landesvorsitzender