DKLK-Studie zeigt: Viele Fremdsprachen, wenig Sprachfachkräfte

„Unsere Kitas können Integrationsmotoren sein, wenn sie gut geschmiert sind. Von einem funktionierenden Kita-Betrieb sind wir allerdings weit entfernt. Mangelnde Wertschätzung, zu wenig Leitungszeit, Personalnot im Allgemeinen und fehlende Sprachkräfte im Besonderen prägen das Bild. Wer eine qualitativ hochwertige Sprachförderung in der Kita will, muss den frühkindlichen Bereich stärker aufstellen und das Personal entsprechend ausbilden“, erklärt der VBE-Landesvorsitzende Gerhard Brand.

 

Über 1.200 Kita-Leitungen haben in Baden-Württemberg an der repräsentativen DKLK-Studie 2024 teilgenommen. Der VBE hat die Studie gemeinsam mit Fleet Education unter wissenschaftlicher Leitung von Herrn Dr. Andy Schieler von der Hochschule Koblenz durchgeführt. Teilweise sind Zeitvergleiche zu den DKLK-Studien 2021, 2022 und 2023 möglich. Da die Studie auch bundesweit durchgeführt wurde, sind Vergleiche mit anderen Bundesländern möglich.

Wertschätzung

Aktuell fühlen sich lediglich 18 Prozent der Kita-Leitungen seitens der Landespolitik wertgeschätzt (2021: 22 Prozent). „Dieser Wert verharrt mit leichten Schwankungen seit Jahren auf diesem niedrigen Niveau. Viele Kita-Leitungen haben den bleibenden Eindruck gewonnen, dass strukturelle Probleme nicht angegangen werden“, sagt der VBE-Landesvorsitzende.

Mangelware Leitungszeit

Bei zwei Drittel der befragten Kita-Leitungen (66 Prozent; 2023: 61 Prozent) liegt die angegebene tatsächliche Leitungszeit über der vertraglich zugesicherten Leitungszeit. Nur 16 Prozent der Befragten geben an, dass ihnen 80 bis 100 Prozent ihrer Arbeitszeit für ihre Leitungstätigkeiten vertraglich zur Verfügung stehen. Zum Vergleich: In Nordrhein-Westfalen sagen dies mit 45 Prozent fast dreimal so viele Kita-Leitungen. „Die Leitung einer Kita ist ein Fulltime-Job und kann nicht so nebenbei geleistet werden. An dieser Stellschraube muss im Sinne einer weiteren Professionalisierung des Berufsbilds dringend gedreht werden“, fordert Brand.

Fachkraft-Kind-Relation

Um den pädagogischen Ansprüchen von Kleinkindern gerecht werden zu können, empfiehlt die Wissenschaft eine Fachkraft-Kind-Relation bei den unter Dreijährigen von 1 zu 3 und bei den über Dreijährigen von 1 zu 7,5. Aktuell können dies im Bereich der unter Dreijährigen acht von zehn Kitas (81 Prozent) nicht realisieren. Bei den über Dreijährigen verfehlen drei Viertel der Kitas (77 Prozent) die wissenschaftlich empfohlene Quote und erreichen nur eine Fachkraft-Kind-Relation von 1 zu 9 oder schlechter. „Sobald eine Fachkraft die Verantwortung für zu viele Kinder tragen muss, kann das einzelne Kind mit seinen Bedürfnissen nicht mehr so im Mittelpunkt stehen, wie es pädagogisch notwendig wäre. Von einer qualitativ hochwertigen Betreuung und Bildung sind wir dann weit entfernt“, so Brand.

Große Personalnot

Fast alle Kita-Leitungen (96 Prozent) berichten, dass die anhaltend hohe Arbeitsbelastung zu höheren Fehlzeiten und Krankschreibungen des Personals führe. Neun von zehn Kita-Leitungen (85 Prozent) sagen außerdem, dass sich der Personalmangel weiter verschärft habe und es noch schwieriger geworden sei, offene Stellen zu besetzen. Und das, obwohl drei von vier Leitungen (78 Prozent) angeben, dass die Träger heute Personal einstellen, welches vor Jahren wegen unzureichender Qualität nicht eingestellt worden wäre. Jede zweite Kita-Leitung (50 Prozent) gibt an, dass sie an mindestens einem Werktag in der Woche mit Personalunterdeckung arbeiten muss, d. h. mit weniger Personal, als es die Vorgaben zur Aufsichtspflicht verlangen. Bei jeder achten Kita (13 Prozent) – hochgerechnet sind dies weit über 1.000 Kitas in Baden-Württemberg – ist dies sogar an mindestens drei von fünf Wochentagen der Fall.

Gerhard Brand: „Der akute Fachkräftemangel belastet weiterhin alle Beteiligten. Seit Jahren fehlt es den Kitas an personellen Ressourcen für mittelbare Pädagogik wie Konzeptions- und Qualitätsentwicklung, Beobachtung und Dokumentation, Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit Eltern oder die Vernetzungen im Sozialraum.“

Themenschwerpunkt: Sprachbildung

Nahezu alle Kita-Leitungen (98 Prozent) sehen die Wichtigkeit sprachlicher Bildung in der Kita. Drei Viertel der Kita-Leitungen (77 Prozent) sagen zudem, dass sie in der eigenen Einrichtung tendenziell auch zufrieden sind mit der Qualität der sprachlichen Bildung. Die Leiterin des VBE-Landesreferats Kita, Susanne Sargk, erklärt: „An den Kitas ist bereits eine hohe Expertise vorhanden. Mit geschultem Blick und Ohr erkennen pädagogische Fachkräfte sehr zuverlässig, ob es weiterer Förderung bedarf, um ein Kind auf das sprachliche Niveau der anderen zu bringen. Oftmals fehlt es aber an Zeit und Personal, um kontinuierlich arbeiten zu können.“

Viele Fremdsprachen, wenig Sprachfachkräfte

An vielen Kitas in Baden-Württemberg herrscht eine große Sprachvielfalt: Türkisch sprechen Kinder an 65 Prozent der abgefragten Kitas, gefolgt von Russisch (60 Prozent), Arabisch (58 Prozent), Englisch (48 Prozent), Rumänisch (48 Prozent), Italienisch (45 Prozent) und Ukrainisch (44 Prozent). Statistisch kommen an vier von zehn Kitas alle diese sieben Fremdsprachen auf einmal vor. Gerhard Brand: „Kinder können nichts für ihren sprachlichen Hintergrund. Es ist die Aufgabe der Politik, die Kitas so aufzustellen und das Kita-Personal so zu qualifizieren, dass die gesellschaftliche Realität einer hohen Heterogenität und sprachlichen Vielfältigkeit der Kinder aufgefangen werden kann. Dafür braucht es vor allem mehr ausgebildete Sprachfachkräfte.“

Als größte Herausforderungen für die Förderung der deutschen Sprache nennen die Kita-Leitungen den Zeit- und Personalmangel. Trotz der hohen Sprachvielfalt ist an 29 Prozent der Kitas keine pädagogische Fachkraft speziell für den Bereich der sprachlichen Bildung qualifiziert. An weiteren 41 der Kitas sind nur 1 bis 10 Prozent der pädagogischen Fachkräfte in diesem Bereich ausgebildet. Der Mangel an Sprachfachkräften hat unmittelbare Auswirkungen auf das Angebot der Sprachförderung: An knapp der Hälfte der Kitas (44 Prozent) wird ausschließlich alltagsintegrierte Sprachbildung praktiziert. Angebote der individuellen Sprachförderung sind bisher nur an 30 Prozent der Kitas möglich, Angebote der Sprachförderung in kleinen Gruppen an 37 Prozent der Kitas.

Gerhard Brand: „Die einen Kinder lernen die deutsche Sprache alltagsintegriert, die anderen Kinder benötigen zusätzlich individuelle Sprachförderung. Wenn die politisch Verantwortlichen es als Aufgabe der Kitas ansehen, dass möglichst alle Kinder zu Schulbeginn über die deutsche Sprache verfügen, dann besteht die Verpflichtung, die Kitas dementsprechend auszustatten.“

Forderungen
  • Evaluierung der Leitungszeit und Anpassung an den tatsächlichen Bedarf
  • Eine von Bund, Ländern und Kommunen getragene Fachkräfteoffensive
  • Fortführung des Kita-Qualitätsgesetzes mit gleicher Förderungshöhe
  • Das erfolgreiche Projekt der Sprach-Kitas muss in Baden-Württemberg allen Kitas offenstehen
  • Rücknahme des Erprobungsparagrafen: Dieser steht einer qualitativ hochwertigen Sprachbildung an den Kitas diametral entgegen. Im Zweifelsfall ist an den Randzeiten der Kitas zu kürzen, anstatt Abstriche in Bildungsqualität und Gesundheit des überlasteten Personals hinzunehmen.
  • Leichtere Anerkennung ausländischer Abschlüsse. Insbesondere, wenn dadurch die sprachliche Vielfalt des Kita-Personals erweitert und dadurch die Erziehungspartnerschaft mit den Eltern erleichtert werden kann. Gleichzeitig ist darauf zu achten, dass pädagogische Fachkräfte sprachliche Vorbilder für die Kinder sind. Das Sprachniveau B1 für ausländische Fachkräfte ist daher zwingend erforderlich.
  • Bedarfsgerechte Implementierung multiprofessioneller Teams
  • Alltagshelferinnen und Alltagshelfer müssen allen Kitas zur Verfügung stehen
Weitere Infos

Der VBE Baden-Württemberg hat die DKLK-Studie 2024 heute auf einer Landespressekonferenz im Medienzentrum des Landtags präsentiert. Den Redetext des Landesvorsitzenden finden Sie hier. Die Ergebnisfolien der Studie können Sie hier einsehen. Weitere Informationen zum Deutschen Kitaleitungskongress DKLK erhalten Sie hier. Unseren Bericht zu den beiden Kongresstagen des DKLK in Stuttgart lesen Sie außerdem hier.