Beyer hilft weiter beim Thema verbale Angriffe / Gewalt gegen Lehrkräfte

Bei einer Busaufsicht wurde ich als aufsichtsführende Lehrkraft von einem Elternteil verbal angegriffen und wenig respektvoll behandelt. Leider haben auch einige Kinder und Erwachsene den Vorfall an der Bushaltestelle mitbekommen. Diese Tatsache, aber auch die Wortwahl und der Ton beschäftigen mich im Nachhinein. Nun bin ich mir unsicher, ob ich es dabei belassen oder das Thema aufgreifen und den Vater zu einem Gespräch einladen soll. Meine Frage wäre: Wie soll ich im Nachhinein mit der Situation umgehen? Vielleicht können Sie mir einen Ratschlag geben, wie ich solche Angriffe zukünftig besser abwehren kann. Für ein paar Hinweise wäre ich Ihnen dankbar.

Beyer hilft weiter: Sie selbst müssen entscheiden, wie viel Raum Sie der unschönen Szene an der Bus- haltestelle geben und wie heftig Sie sich angegriffen fühlen. Klar ist, niemand muss sich grundlos verbal angreifen lassen. Ich persönlich arbeite gerne mit Fragen, um Probleme besser einschätzen zu können. Oft hilft mir das, um ein klareres Bild zu bekommen. Zunächst nehme ich immer meine eigene Rolle unter die Lupe und erst danach folgen Perspektivwechsel und Lösungssuche.

Hier einige Beispiele, die Sie gerne ergänzen können:

  • War ich oder mein Auftreten der Auslöser? Habe ich unter Umständen zu kleinlich oder unangemessen gehandelt?
  • Wie hätte ich in der Rolle des Elternteils reagiert? Gibt es vielleicht nachvollziehbare Gründe für die Reaktion des Elternteils?
  • Wie würde ein neutraler Beobachter die Situation bewerten?
  • Kann ich das Problem ignorieren oder beschäftigt es mich auch in Zukunft?
  • Soll ich möglichen zukünftigen Auseinandersetzungen besser aus dem Wege gehen? Was muss in diesem Fall geschehen?
  • Ist ein Gespräch möglich? Hilft dieses Gespräch, um die Situation aufzuarbeiten und zukünftige Auseinandersetzungen zu vermeiden?
  • Welchen Umgang – trotz unterschiedlicher Meinungen – würde ich mir künftig wünschen?
  • Wo bekomme ich Unterstützung bzw. mit wem sollte ich mich austauschen?
  • Was ist mein Ziel?
  • Welche Lösung/-en gibt es für das Problem?

Am besten gehen Sie die Fragen und die Situation durch und versuchen, den Vorfall auf einer Skala von 0 bis 10 für sich einzuordnen. Bei einer hohen Einschätzung würde ich das Gespräch mit dem Elternteil suchen. Tauschen Sie sich im Voraus mit befreundeten Kollegin- nen und Kollegen oder der Schulleitung aus, um mehr Einschätzungen zu bekommen? Zusammengefasst gibt es also verschiedene Möglichkeiten, mit der Situation umzugehen, nachdem Sie den Vorfall analysiert haben:

1. Sie ignorieren den Vorfall.
2. Sie laden den Elternteil zu einem Austausch ein. Eventuell nehmen Sie eine Kollegin / einen Kollegen oder die Schulleitung dazu.
3. Sie schützen sich und den Elternteil vor weiteren unangenehmen Situationen und tauschen zum Beispiel die Busaufsicht.

Nun zu Ihrer zweiten Frage, Sie wollten ei- nige Hinweise, wie man mit verbalen An- griffen umgehen kann. Ich gebe vorab zu beachten, dass es grundsätzlich immer auf Ihre jeweilige persönliche Verfassung und auf die Intensität des Angriffs, aber auch auf die Person auf der anderen Seite an- kommt. Mein Vorschlag wäre, ich zeige Ih- nen einfach einige Möglichkeiten auf und Sie entscheiden dann situationsgerecht.

1. Mehr oder weniger über den Angriff hinwegsehen

Handelt es sich um eine leichte oder mittelschwere „Attacke“, die Sie zwar ein wenig ärgert, aber innerlich nicht wirklich trifft, ist anzuraten, den Vorfall mehr oder weniger zu ignorieren. Indem Sie sich nicht provozieren lassen, demonstrieren Sie Ihre Überlegenheit. Angenommen, ein Vater beschwert sich: „Bei Ihrer Kollegin gibt es nie solche Probleme bei der Busaufsicht.“ Sich hier zu rechtfertigen würde nur zusätzliches Öl ins Feuer gießen. Eine kurze Antwort genügt: „Das mag sein, aber wir haben nun einmal bis 15.30 Uhr die Aufsicht über die Kinder.“ Zudem halten neutrale Formulierungen wie „Mag sein“ oder „Tatsächlich?“ den Angreifer meist von weiteren Angriffen ab.

2. Sie können aber auch mit Humor und Schlagfertigkeit reagieren

Ist die mit dem Angriff einhergehende Kränkung für Sie relativ belanglos, kann man durchaus den Ball auffangen und mit Wortwitz zurückspielen. Beispiel: Eine Mutter vergreift sich Ihnen gegenüber im Ton. Mit dem Konter „Moment, ich muss erst mein Hörgerät leiser stellen!“ – obwohl Sie gar keines haben – haben Sie die Lacher auf Ihrer Seite. Aber Vorsicht: Das funktioniert nur, wenn Sie schlagfertig im positiven Sinne sind, gezielt und verant- wortungsvoll handeln, dass der „Angreifer“ sein Gesicht wahren kann. Nicht erlaubt sind grundsätzlich destruktiv motivierte Absichten, wie sich zu profilieren oder das unliebsame Gegenüber lächerlich zu machen. Andernfalls riskieren Sie, die Beziehungen zu zerstören oder das Arbeitsklima zu vergiften.

Besonders effektiv ist oft eine gewisse Schlagfertigkeit: 

  • Lenken Sie das Gespräch mit einer konkreten Gegenfrage in konstruktive Bahnen. Ihr Gegenüber sagt: „Stellen Sie sich nicht so an!“, und Sie antworten: „Was konkret meinen Sie?“ Diese Technik bietet sich bei Taktlosigkeiten, provozierenden Fragen und böswilligen Unterstellungen an. Statt sich zu rechtfertigen, setzen Sie den Gegner unter Erklärungszwang. So verschaffen Sie sich eine Atempause, wirken souverän und decken womöglich etwaige Missverständnisse auf.
  • Drehen Sie den Spieß um. Mithilfe des klassischen Konters „Ich sage nur: Wer im Glashaus sitzt …“ setzen Sie Ihren Gegner bei einer beabsichtigten Kränkung vor Publikum schachmatt. Sein Angriff geht ins Leere.
  • Übersetzen Sie den Angriff. Als „Übersetzer“, der eine negative Aussage positiv umformuliert, können Sie vor allem Abwertungen, destruktive Kritik und Unterstellungen wirkungsvoll abschmettern. So können Sie auf die Bemerkung „Ihre Erklärung ist ja ganz schön knapp ausgefallen!“ freundlich lächeln und antworten: „Ja genau, ich habe es verständlich auf den Punkt gebracht.“
  • Bestätigen Sie den Angriff, sofern er inhaltlich korrekt und angemessen formuliert ist „Ja, es lohnt sich nicht, wegen zwei Minuten sich anzufeinden.“ Indem Sie zu dem stehen, was Ihr Gegenüber Ihnen vorhält, nehmen Sie ihm den Wind aus den Segeln. Außerdem können Sie sich so von dem Vorwurf emotional leichter distanzieren.

3. Eine klare Grenze ziehen

Ein unmissverständliches „Stopp!“ ist erforderlich, wenn Sie es mit einer herabwürdigenden Attacke zu tun haben („Sie haben ja keinen blassen Schimmer, wovon Sie reden. Sie sind unfähig!“). Ihrem Gegenüber muss bewusst werden, dass Sie sich sein Verhalten nicht gefallen lassen. Um das zu erreichen, haben Sie folgende Möglichkeiten:

  • Sie werfen den Ball gezielt zurück: „Ich weiß sehr genau, wovon ich rede. Was Sie betrifft, habe ich jedoch Zweifel. Ihre Argumente enthalten einige Widersprüche … Hören Sie auf, mich zu beleidigen!“
  • Sie intervenieren direkt: „Unterstellen Sie mir nicht mangelnde Kompetenz. Das steht Ihnen nicht zu. Kommen Sie jetzt bitte zur Sache.“
  • Parallel dazu können und sollten Sie auch auf einem respektvollen Umgang bestehen: „Ich bitte Sie, in einem anderen Ton mit mir zu sprechen“ oder „Ich bin gerne bereit, mit Ihnen über dieses Thema zu sprechen, aber bitte ruhig und sachlich“.
4. Das Gespräch beenden

Das Gespräch zu beenden ist das letzte Mittel:

  • Machen Sie deutlich, dass Sie die Ihnen zugedachte Opferrolle nicht annehmen: „Ich weigere mich, auf dieser Ebene mit Ihnen weiter zu diskutieren. Entweder Sie kehren zur sachlichen Ebene zurück, oder ich beende das Gespräch.“
  • Lassen Sie den Worten Taten folgen. Wir- kungsvoll und souverän ist es, aufzustehen und den Raum zu verlassen.

Zum Schluss: Bleiben Sie bei Angriffen vor allem gelassen. Machen Sie sich bewusst, dass Sie selbst entscheiden, ob ein Angriff Sie trifft oder nicht. Mit einer Portion Humor, einer gewissen Gelassenheit und der Abgrenzung zum richtigen Zeitpunkt können Sie vielen Angriffen den Wind aus den Segeln nehmen.

Für die Zukunft wünsche ich Ihnen wenige Auseinandersetzungen und stattdessen ein angenehmes, wertschätzendes Miteinander.

Walter Beyer, Stv. Landesvorsitzender