Kultusminister Stoch verschenkt Mogelpäckchen zu Weihnachten oder auch: trojanische Pferde in Realschulen platziert

Überpünktlich vor dem ersten Adventswochenende hat das Kultusministerium mit fürsprechenden Beratern beschlossen, den Realschulen mehr Stunden zuzuweisen. Das hörte sich erst einmal gut an und die Realschulen freuten sich über das längst überfällige Präsent für ihre Schülerinnen und Schüler. Ausgezehrt und zermürbt ist diese Schulart von der permanenten Abwertung ihrer immer noch hervorragenden Arbeit und der (für die bisherigen Kritiker anscheinend: „leider“!) nicht wegzudiskutierenden Erfolge. Mit glänzenden Augen und großer Freude nahmen die erstaunten Realschulen das Geschenk entgegen. Bewegte sich doch das Kultusministerium trotz der Stabsstelle Gemeinschaftsschule endlich in die vom VBE bereits vor fünf Jahren vorgeschlagene Richtung.

Erste Bedenken kamen einigen Realschullehrkäften als sie in einem Brief der den Minister beratenden anderen Gewerkschaft folgendes lasen: „Nach der beabsichtigten Gesetzesänderung werden die Realschulen abschlussbezogen das grundlegende und das mittlere Bildungsniveau anbieten. Das erweiterte Niveau wird formal durch die Abschlüsse der Realschule nicht angeboten. Das kann die Gemeinschaftsschule für bildungsambitionierte Eltern attraktiver machen.“
Aha. Da stand man nun am Gabentisch, schaute in das Päckchen hinein und…. dann hatte man die Bescherung.

Kein Sitzenbleiben nach Klasse 5, keine äußere Differenzierung nach Klasse 6, lediglich 500 Stellen für 430 Realschulen, die gängelnde Vorschrift, dass die Realschulen die Zusatzstunden nur zur teilweisen (!) Binnendifferenzierung im Klassenverband einsetzen dürfen. Warum steht es dem Gymnasium und der Werkrealschule frei, diese Stunden nach Bedarf vor Ort einzusetzen und den Realschulen nicht?
Unzählige empörte Schreiben erhielten die Verbandsleitung des VBE Baden-Württemberg und das Referat Realschule. Tenor: „Jetzt sollen wir den Platz der Werkrealschulen einnehmen und noch weiter abgewertet werden.“
Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Realschulen durch das Öffnen der Mogelpackung quasi von innen zur Gemeinschaftsschule gemacht werden sollen. Wenn der Druck von außen schon nicht hilft, dann muss wohl der Zersetzungsprozess von innen verstärkt werden.

Wenn das Kultusministerium es wirklich ernst meint mit der Stärkung der Realschulen, dann sollte sie sich auch kritische Berater holen, die einen sachlichen Blick auf die Sache haben, z.B. den VBE.

Der Inhalt der Mogelpackung ist noch nicht in Stein gemeißelt. Es gibt noch keine gesetzliche Grundlage. Es ist also höchste Zeit, den Inhalt der Packung gewinnbringend für die 245.000 Realschülerinnen und Realschüler zu gestalten.


Aus diesem Grund fordert der VBE Baden-Württemberg:

Freiheit in der Umsetzung der Differenzierung für die Schulen vor Ort!
Der VBE macht sich schon immer stark dafür, dass eigenständige Schulen nicht nur mit zusätzlichen Pflichten überhäuft werden, sondern dass Schule vor Ort im Umkehrschluss zumindest die nötigen Gestaltungsräume zur Verfügung gestellt bekommt. Die Schulen vor Ort können am besten entscheiden, wie Differenzierung ermöglicht werden soll.

Äußere Differenzierung und Klassenbildung nach Anforderungsniveau ab Klasse 7!
Es muss möglich sein, in getrennten Niveaustufen zu unterrichten. Heterogene Klassen sind kein uneingeschränktes Qualitätsmerkmal! Das ist längst wissenschaftlicher Standard.

Das erweiterte Niveau (E-Niveau) muss auch an Realschulen angeboten werden!
Eine elementar wichtige Forderung. Schließlich erwachsen aus den Realschulen die Schülerinnen und Schüler für das berufliche Gymnasium. Ein Qualitätsverlust stigmatisiert die Realschulen dauerhaft zu neuen Restschulen. Das darf nicht passieren.

Mehr Stunden zur Differenzierung für Realschülerinnen und Realschüler
Erhalt des Status Quo an Differenzierungsstunden für Hauptschülerinnen und Hauptschüler
Die Realschule hat inzwischen die heterogenste Schülerschaft. Sind die 500 Stellen für die in den Werkrealschulen wegfallenden Kolleginnen und Kollegen, denen man nicht sowieso schon längst hätte eine Perspektive aufzeigen müssen? Die Stellen werden gerade einmal ausreichen, um Schülerinnen und Schüler auf den Hauptschulabschluss vorzubereiten, so wie dies bisher in den Werkrealschulen der Fall war. Zwar hat man durch den Wegfall der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung die Werkrealschulen endgültig zerstört, aber die Schülerinnen und Schüler sind längst an GMS und teilweise auch Realschulen angekommen. Somit schichtet man lediglich gut eine Lehrkraft pro Realschule im Land um. Differenzierungsstunden für Realschüler sind somit noch lange nicht eingerechnet!

Der VBE Baden-Württemberg hat das neue Realschulkonzept der Landesregierung als klare Mogelpackung entlarvt. In dieser Form ist die Unterstützung der Realschulen halbherzig, wenn nicht sogar kontraproduktiv und macht die Realschulen zu Gemeinschaftsschulen light. Wenn der Inhalt des Päckchens nicht geändert wird, dann ist es eher als Mogelpackung für die Realschulen zu sehen.

Wir fordern die Landesregierung auf, das neue Realschulkonzept zu überarbeiten und sich endlich uneingeschränkt hinter die Realschulen zu stellen!