VBE: Zum Neusser-Urteil gegen einen Lehrer wegen „Freiheitsberaubung“

Werden Pädagogen bei der Erziehung immer mehr zu zahnlosen Tigern gemacht?

 

Stuttgart. Lehrer haben nicht nur einen Bildungs-, sondern auch einen Erziehungsauftrag. Einerseits laden immer mehr Eltern immer mehr ihre eigenen (Erziehungs-)Auf­gaben auf die Schultern der Lehrer, andererseits werden den Pädagogen juristisch immer mehr die Hände gebunden, Erziehungsmaßnahmen auch durchzuführen, sagt der Sprecher des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württem­berg. „Im Prinzip sollen Lehrer alles richten, was in der Gesellschaft schiefläuft, gleichzeitig macht man sie aber zu zahnlosen Tigern“, moniert der Sprecher.

Natürlich sei es optimal, wenn Schüler schon allein aufgrund der Fächerinhalte mit Feuereifer im Unterricht bei der Sache seien, sagt der VBE-Sprecher. „Im günstigsten Fall stimmt auch die Chemie zwischen Schülern und Lehrern, und die Pädagogen ver­stehen es, die ihnen vom Schulgesetz her anvertrauten Kinder und Jugendlichen zu be­geistern.“ Aber immer mehr treten heute Erziehungsdefizite zu Tage, stören Schüler sich und andere, zeigen wenig oder gar kein Interesse an schulischen Inhalten. Wenn Lehrer dann nicht tätig werden dürfen, weil von Eltern angerufene Gerichte Strafarbei­ten, Nachsitzen oder gar einen Unterrichtsausschluss für unzulässige Erziehungsmaß­nahmen halten, werden den Lehrern die letzten Sanktionsmittel aus der Hand genom­men. Was für Möglichkeiten bleiben den Pädagogen denn noch, wenn alles Reden nichts hilft und die Eltern bei der Erziehungsaufgabe mit der Schule nicht zusammen­arbeiten wollen? Der Lehrer kann dem Schüler nicht mit Taschengeldentzug oder Fern­sehverbot drohen!

Kein vernünftig denkender Mensch wünscht sich den Rohrstock und die Prügelstrafe an die Schulen zurück. Jeder Pädagoge weiß, dass man mit Zuckerbrot mehr erreicht als mit der Peitsche. Aber wenn alles Reden nichts nützt, müssen Konsequenzen folgen, die dem Schüler zeigen, dass er Grenzen überschritten hat. Wenn ein Lehrer darauf besteht, dass die Arbeit zu Ende gebracht wird, sollte das vom Gericht nicht als Freiheitsberau­bung geahndet werden. Wenn ein Schüler in diesem Fall über das Handy, deren Benut­zung laut Schulordnung in der Regel sowie untersagt ist, die Polizei zu Hilfe ruft, zeigt das, dass die Gesellschaft versagt hat. Ein Richter kann nur im Rahmen der bestehenden Gesetze Recht sprechen, aber auch ein Lehrer darf sich an den schulgesetzlichen Rah­men halten und der sieht im Paragraf 90 unter anderen Erziehungs- und Ordnungsmaß­nahmen auch ausdrücklich das Nachsitzen vor. Dass dabei die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt bleiben sollte, dürfte selbstverständlich sein, so der VBE-Sprecher.

25.08.16

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