VBE moniert: „Schule ohne Leitung handelt kopflos“

Ein freier Chefsessel lockt Lehrer nur ganz selten an

Stuttgart. Ein Schiff ohne Kapitän wird sich nicht auf große Fahrt begeben. Aber so manches „Schulschiff“ in Deutschland musste bisher schon längere Zeit ohne Führungskraft auskommen, beklagt der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg. Das Stellenbesetzungsverfahren ziehe sich hin, und geeignete Bewerber stünden in der Regel nicht Schlange. „An kleineren Schulen gibt es nicht einmal einen Konrektor als ständigen Vertreter, so dass dort Kollegen übergangsweise Schulleitungsaufgaben wahrnehmen müssen“, moniert VBE-Chef Gerhard Brand. Erst jüngst hatte Gemeindetagspräsident Roger Kehle diese ungute Situation gleichfalls angeprangert.

VBE Landesvorsitzender Gerhard Brand

Gerhard Brand, VBE Landesvorsitzender

Immer weniger Pädagogen wollen heute Leiter einer Schule werden. Bei den meis­ten Besetzungsverfahren gibt es nur einen Bewerber für das anspruchsvolle Amt. Manche Rektorenstellen müssen wiederholt ausgeschrieben werden. Häufig hält die Schulaufsicht vergebens Ausschau nach geeignetem Personal, was sicher nicht für die Attraktivität des Leitungsamtes spricht. Die Ursachen für die deprimierende Bewerberlage sind vielfältig. Lehrer sehen bei der Herausforderung „Schulleitung“ mehr Frust als Freude. Rektoren und Konrektoren sollen alles professionell ma­nagen, den Arbeitgeber aber möglichst nicht viel kosten. So werden Rektoren und deren Stellvertreter mit der Übertragung der neuen Aufgaben nicht gleich befördert und entsprechend höher besoldet, sondern erst nach einer monatelangen Wartezeit.

Vor allem im Grundschulbereich gelten Leitungsstellen als finanziell völlig un­attraktiv. Bei höchster Unterrichtsverpflichtung, voller Klassenlehrertätigkeit und gleichzeitiger Schulleitungsverantwortung erhalten Grundschulchefs die geringste Bezahlung. Der Rektor einer kleineren Grundschule und der Leiter eines Gymnasi­ums werden aus laufbahnrechtlichen Gründen monatlich mit bis zu 2000 Euro un­terschiedlich hoch besoldet. Bei Funktionsstellen gilt neben der Schulart die Schü­lerzahl als Maßstab für die Besoldung der Rektoren und Konrektoren.

„Das ganze Besoldungsgefüge an Schulen ist in Schieflage“, kritisiert der VBE-Chef. Und da es bei meist nur einer Bewerbung um die Stelle keine Bestenauswahl geben könne, werde auf Dauer auch die Qualität der Schulen leiden, warnt Brand.

VBE: Frauen in Kindergärten und Schulen überrepräsentiert

Männerbeauftragte oder Männerquote gibt es trotzdem nicht

Stuttgart. Während der Frauenanteil in allen Lehrerseminaren bei 75 Prozent liegt, wollen aktuell 86 Prozent Grundschullehrerin werden, teilte das Statistische Landesamt jetzt mit. Aus diesem Anlass greift der Verband Bildung und Erzie­hung (VBE) Baden-Württemberg wieder einmal die Forde­rung nach mehr Männern in der früh­kind­lichen Erzie­hung und im Schuldienst auf. „Aber auch eine Männerquote und Männer­beauftragte wür­den hierbei wohl kaum Abhilfe schaffen“, so der Sprecher. 

VBE Pressesprecher Michael Gomolzig

Michael Gomolzig, Sprecher des VBE

Dem Männermangel in Grundschulen und Kindertagesstätten durch das Einfüh­ren einer „Quote“ ab­zuhelfen zu wollen, wäre bei allem Charme, den diese Idee ausstrahlt, völlig realitätsfern und indisku­ta­bel, da sich viel zu we­nig Männer in einer Ausbildung für den Ele­men­tar- und Primarbereich befinden und somit kurzfristig auch gar nicht zur Ver­fügung stünden. Selbst eine niedrig angesetzte Quote könnte momentan nicht er­füllt wer­den. Obendrein schaden Quoten eher der Qualität der Einrichtungen, da sie das Prinzip der Bestenauswahl unterlau­fen. „Wenn es von den Arbeitsbe­dingun­gen, der Be­zahlung und der gesell­schaftlichen Anerkennung wirklich attraktiv wäre, Pädagoge zu werden, müsste man sich über eine Männerquote keine Ge­danken mehr ma­chen“, versichert der VBE-Sprecher.

Beim Lehramt für Grundschulen geht der Frau­en­an­teil kontinuierlich auf 90 % zu. Damit sind männliche Lehrkräfte an dieser Schulart abso­lute „Man­gelware“.

Dem VBE liegt es fern, die qualifizierte Arbeit engagierter Lehrerinnen abzu­werten. Trotzdem ist es für die stabile, emotionale Entwicklung der Kinder nicht von Vorteil, wenn sie im Kindergarten und in der Grundschule beinahe aus­­schließlich weib­li­che Be­zugsperso­nen um sich haben und das männliche Ele­ment „als Gegenpart“ Selten­heits­wert besitzt.

Der gesellschaftlich wenig anerkannte Wert der Erziehungsarbeit, der vergleichs­weise geringe Verdienst und die kaum vorhandenen Karrieremög­lichkeiten sind nach Ansicht des VBE der Hauptgrund dafür, dass Erzie­her(in) und Grundschul­lehrer(in) ein klassischer Frauenberuf geblieben ist.

9.08.2013

VBE: Ganztagesschulen sind zwingend notwendig, müssen aber weiterhin Angebotsschulen bleiben

Zur Bertelsmann-Studie 

 

Stuttgart. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg begrüßt, dass es mehr Ganztagesschulen in Land gibt, selbst wenn nur jeder sechste Schüler das Angebot nutzt, wie es aus der heute vorgestellten Studie der Ber­telsmann-Stiftung hervorgeht. Der VBE möchte Ganztagesschulen weiterhin als Angebots- und nicht generell als Pflichtschulen verstanden wissen.

VBE Landesvorsitzender Gerhard Brand

Gerhard Brand, VBE Landesvorsitzender

Der VBE geht vom Ansatz des Grundgesetzes und der Landesverfassung aus, wonach die Erziehung der Kinder „zuvörderst Recht und Pflicht der Eltern“ ist. Die Familien sollten folglich erste Erziehungs- und Sozialisationsinstanz sein, Kin­dergärten und Schulen subsidiär wirken. Das herkömmliche Familienbild „Vater, Mutter und Kind(er)“ ist schon lange nicht mehr Standard. Immer mehr Kinder von Alleinerziehenden, Scheidungs­waisen oder aus Familien, bei denen Vater und Mutter arbeiten gehen, benötigen einen professionellen pädagogischen „Rund-um-Vollservice“.

Zusätzlich ist der Trend, Erziehung an Institutionen abzuschieben, unübersehbar. „Immer mehr Eltern geben ihren Erziehungsauftrag an Kindertagesstätten ab, an die Schulen, sogar an Vereine; sei es, weil beide Elternteile arbeiten gehen (müs­sen), sei es, weil sie überfordert sind oder auch nur, um sich die pädagogische Arbeit etwas zu erleichtern, denn Erziehung bedeutet ständig Auseinandersetzung, Konfrontation und Konflikt und kostet in jedem Fall sehr viel Kraft“, versichert VBE-Landeschef Gerhard Brand.

Immer mehr Schüler wirken heute weniger erzogen, psychisch oder physisch la­bil. Als Konsequenz auf diese Veränderungen und wegen des innovativen pädago­gischen Konzepts begrüßt der VBE die Zunahme von Ganztagesschulen – egal, ob am Gymnasium oder an der Hauptschule angesiedelt -, legt aber Wert darauf, dass diese weiterhin „Angebotsschulen“ bleiben. Der VBE lehnt eine für alle Schüler generell zur Pflicht gemachte Ganztagesschule ab.

VBE besorgt: Kommen Informationen für Schulen auch künftig zuerst in der Presse und dann auf dem Dienstweg?

Stuttgart. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg begrüßt, dass das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft im kommenden Schul­jahr die Berufserprobung von Schülern in überbetrieblichen Bildungsstät­ten landesweit mit insgesamt rund 1,3 Millionen Euro fördert, ist aber er­staunt, dass dies den Schulen wieder einmal zuerst über die Presse mitge­teilt wird, noch bevor es in der Dienstpost ist.

VBE Landesvorsitzender Gerhard Brand

Gerhard Brand, VBE Landesvorsitzender

Tageszeitungen, Radio, Fernsehen und Internet sind heute wichtige und vor allem schnelle Informationsquellen. Trotzdem erstaunt es Schulleitungen und Lehrkräfte immer wieder aufs Neue, dass Schulinterna zuerst in den Zeitungen stehen, bevor die Informationen über die Dienstpost oder in Dienstbesprechun­gen die Verantwortlichen vor Ort erreichen. „Wie leider schon von Schwarz-Gelb gewöhnt, kommen auch bei der grün-roten Regierung dienstliche Neuhei­ten erst einmal groß in der Tagespresse, bevor mit den Personen, die dies in der Praxis umzusetzen haben, darüber gesprochen wird“, kritisiert VBE-Chef Ger­hard Brand. „Wird die Tagespresse so immer öffentlichkeitswirksam die erste Informationsquelle über ministerielle Überlegungen und schulische Entschei­dungen sein, selbst wenn diese nach internen Beratungen wieder revidiert wer­den müssen?“, fragt Brand und mahnt mehr Professionalität an.

VBE schlägt Alarm: Kalkuliert Grün-Rot jetzt ohne Dyskalkulie?

Schwache Grundschüler sollen nicht mehr extra gefördert werden

Stuttgart. Kontinuierlich wurde in den Schulen der Ergänzungsbereich, zu dem Stütz- und Förderstunden gehören, zurückgefahren. Jetzt sollen auch noch die weni­gen, verbliebenen Stunden für benachteiligte Grundschüler mit einer Rechen- oder Rechtschreibschwäche ganz gestrichen werden, hat der Verband Bil­dung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg in Erfahrung gebracht.

VBE Landesvorsitzender Gerhard Brand

Gerhard Brand, VBE Landesvorsitzender

Lernschwächen bei Schülern können dann besonders effektiv angegangen werden, je früher mit der professionellen Unterstützung begonnen wird. Eltern und Lehrer waren froh, wenn Grundschülern mit einer Rechenschwäche (Dyskalkulie) oder mit einer Lese-/Rechtschreibschwäche (LRS) bisher schon in der ersten Klasse Hilfe zuteilwerden konnte. Diese besonderen Stunden aus dem Ergänzungsbereich wurden in letzter Zeit bereits kontinuierlich zurückgefahren. Jetzt sollen die sinn­vollen Unterstützungsmaßnahmen aus finanziellen Gründen ganz gestrichen wer­den, hat der VBE aus dem Kultusministerium gehört. „Das wäre gerade für schwa­che Grundschüler eine mittlere Katastrophe“, moniert VBE-Chef Gerhard Brand. „Eine Landesregierung, die sich Bildungsgerechtigkeit auf die Fahnen geschrieben hat, will jetzt ausgerechnet bei all den Schülern sparen, die zusätzliche schulische Unterstützung dringend benötigen“, sagt Brand und zeigt kein Verständnis für die geplante unsensible Vorgehensweise gegen schwache und benachteiligte Schüler.

Obendrein geht auch im kommenden Schuljahr wieder keine einzige Poolstunde für Klassenlehrerstunden oder Klassenteilungen an die Grundschulen, fehlen wei­terhin Arbeitsgemeinschaften wie Schulchor und Theater sowie ausreichende Ver­tretungslehrkräfte.

Kostspielige private Nachhilfestunden fallen in einem nicht unerheblichen Maße bereits bei Grundschülern an. Unterstützung für schwache Grundschüler wurde von Grün-Rot bisher immer nur versprochen, aber noch nicht umgesetzt. Die Bil­dung der Grundschüler hängt nach wie vor vom Geldbeutel der Eltern ab. „Warum jetzt auch noch LRS- und Dyskalkulie-Stunden wegbrechen sollen, kann man kei­nem vernünftig denkenden Menschen plausibel vermitteln“, sagt Brand.

VBE: Will Grün-Rot jetzt von Lehrern gar keine Stimmen mehr?

Streichung der Altersermäßigung bringt das Fass zum Überlaufen

Stuttgart. „Nicht nur Tausende von Lehrerstellen werden von Grün-Rot sukzessive gestri­chen, ab 2014/15 will man auch der Altersermäßigung der aktiven Pädagogen den Gar­aus machen“, schimpft Gerhard Brand, Landesvorsitzender des Verbandes Bil­dung und Erziehung (VBE). „Das negative Signal, das mit einer solchen An­ord­nung wieder an die Schulen des Landes hinausginge, wäre fatal“, warnt der VBE-Chef. „Wer einen Bil­dungsaufbruch will, darf die Akteure nicht ständig de­moti­vieren“, mahnt Brand.

VBE Landesvorsitzender Gerhard Brand

Gerhard Brand, VBE Landesvorsitzender

Arbeitsmediziner haben die Stresssituation für Pädagogen an der „Schulfront“ mit der eines Rennfahrers verglichen. Da waren die ein, zwei Stunden Altersermäßigung für Vollzeitlehrer ab 58 bzw. ab 60 Jahren ein Zeichen der Wertschätzung und eine in bei­nahe homöopathischer Dosierung verabreichte Entlastung, die ihre (Signal-)Wir­kung trotzdem nicht verfehlte. Diese jetzt aus Haushaltsgründen streichen zu wollen, würde dem angestrebten Bildungsaufbruch der grün-roten Landesregierung einen weiteren herben Dämpfer verpassen. „Wer die Schullandschaft von Grund auf umpflügen will, benötigt dazu motivierte Akteure und keine Mitarbeiter, die sich nicht mehr wert­ge­schätzt fühlen“, geißelt der VBE-Chef weitere Rotstiftmaßnahmen im Bildungs­be­reich. „Nur wenn die Leistungsfähigkeit der Pädagogen erhalten bleibt, wird auch die Schule leistungsfähig sein. Wenn es den Lehrerinnen und Lehrern schlechter geht, kann es der Schule als Ganzes nicht besser gehen. Die Streichung der Altersermäßi­gung ist kontra­produktiv.“

An erster Stelle der schulischen Wunschliste stehen bei Lehrern deutlich kleinere Klassen – derzeit sitzen bis zu 30 Schüler in einer Klasse -, dicht gefolgt von dem Be­dürfnis nach einer spürbaren Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung, da außerunter­richtliche Tätigkeiten der Pädagogen wie Konflikt- und Beratungsgespräche sowie die Teilnahme an Fach- und Teamkonferenzen zur Schulentwicklung und Evaluation in letzter Zeit überproportional zugenommen haben. Weil eine an sich notwendige Depu­tatsreduzierung für Lehrer überhaupt nicht in die finanzpolitische Landschaft passte, war die Gewährung der Altersermäßigung von einer Stunde für Kollegen ab 58 Jah­ren und von zwei Stunden bei 60-Jährigen wenigstens so eine Art symbolischer Akt. „Dar­an zu rütteln, würde viele Lehrkräfte in Rage bringen“, versichert Brand.

VBE wirbt: Schlechte Zeugnisnoten ernst nehmen, aber kein Familiendrama daraus machen

Stuttgart. Spätestens am letzten Schultag vor den Sommerferien bekommen alle Schüler die Jahreszeugnisse. „Eltern, die während des Schuljahres Kontakt mit den Lehrern gepflegt und sich regelmäßig über Lernfortschritte und Leistungen des Kindes informiert haben, dürften am Zeugnistag keine allzu großen Über­raschungen erleben“, versichert der Sprecher des Verbandes Bildung und Er­ziehung (VBE) Baden-Württemberg. Der VBE appelliert an Eltern, Schüler mit schlechten Zeugnisnoten nicht noch zusätzlich zu bestrafen.

VBE Pressesprecher Michael Gomolzig

Michael Gomolzig, Sprecher des VBE

„Warte nur, bis du mittags nach Hause kommst, dann kannst du was erleben!“ Wer mit diesen Worten sein Kind am Zeugnistag zur Schule schicke, habe als Erzie­hungsberechtigter während des Schuljahres wohl selber etwas falsch gemacht, be­hauptet der VBE-Sprecher. Er warnt davor, Kindern mit „gefühlten“ oder echt schlechten Leistungen vor der Zeugnisausgabe Angst einzujagen und sie dann wo­möglich noch mit Liebesentzug zu bestrafen. So schlecht kann kein Schulzeugnis ausgefallen sein, dass Eltern das Kind auf diese Weise abstrafen müssen. Selbst eine Sechs in einem Unterrichtsfach würde es nicht rechtfertigen, sich vom eigenen Kind abzuwenden. Eine schlechte Zeugnisnote oder eine Nichtversetzung signali­sieren vielmehr, dass es in letzter Zeit schulische oder außerschulische Probleme gegeben haben muss und dass spätestens jetzt dringend Gespräche aufgenommen und Hilfsmaßnahmen durchgeführt werden sollten.

Wenn Eltern wegen zu schlechter Zeugnisnoten ein “häusliches Drama“ insze­nieren, nachdem doch alles “gelaufen“ ist, und am Zeugnistag vielleicht sogar die Nerven verlieren, kommt das eher einem Schuldeingeständnis gleich, dass sie sich in letzter Zeit zu wenig um die schulischen Belange des Kindes gekümmert haben.

Auch wenn sich manche Eltern wegen eines deutlich ausgefallenen „Denkzet­tels“ zu Recht Sorgen um ihr Kind machten und zunächst mit Verärgerung reagier­ten, sollten Erziehungsberechtigte daran denken, dass gerade die weniger Erfolg­reichen auf die Unterstützung durch die Familie besonders angewiesen seien, wirbt der VBE-Sprecher um Verständnis und elterliche “Gnade“ für die Strauchelnden.

VBE zur aktuellen Zeugnisausgabe an den Schulen: “Ein Kind ist mehr als die Summe seiner Noten“

Stuttgart. „Die Bewertung schulischer Leistungen in Zeugnissen kann niemals der gan­zen Schülerpersönlichkeit gerecht werden – ganz gleich, ob diese als reine Ziffernnote oder als ausführliche verbale Beurteilung erfolgt“, sagt Gerhard Brand, Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg. Ein Schüler sei mehr als die Summe seiner Zeugnisnoten.

VBE Landesvorsitzender Gerhard Brand

Gerhard Brand, VBE Landesvorsitzender

Eine Zeugnisnote setzt sich aus verschiedenen Zensuren zusammen, die besonders im Fach Deutsch sehr viele Bereiche abdecken. Gab es früher in Deutsch noch fünf einzeln im Zeugnis ausgewiesene Noten für Lesen, Aufsatz, Sprachkunde, Recht­schreiben und Schrift sowie zwei Zensuren in Mathematik für Rechnen und Raum­lehre, so geht der Trend heute zu Fächerverbünden. Da werden Unterrichtsfächer wie Musik, Sport und Bildende Kunst, die eigentlich nicht viel direkt miteinander zu tun haben, zu einem Konstrukt „MSG“ (Musik-Sport-Gestalten) verschweißt und die jeweiligen Leistungen mit einer Gesamtnote gewürdigt.

„Die Bewertung schulischer Leistungen ist grundsätzlich keine rein arithmeti­sche, sondern immer auch eine pädagogische“, versichert der VBE-Chef. Lehrer machten es sich bei der Notenfindung nicht einfach; nicht nur an Gemeinschafts­schulen berücksichtigten die Pädagogen individuelle Lernfortschritte der Schüler. Die berühmt-berüchtigte „Gauß`sche Normalverteilungskurve“ sei nicht das Maß aller Dinge und keine Richtschnur für die Leistungsbewertung, so Brand.

Ein “Versagen“ des Schülers in der Schule hat stets verschiedene Ursachen. Nicht immer sind Faulheit oder Gleichgültigkeit der Grund für schlechte Leistun­gen. Auch Krankheit, seelische Nöte oder eine ständige Überforderung durch die falsche Schulwahl spielen häufig eine Rolle.

Nach dem Wegfall der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung machten sich etliche Schüler auf den Weg in eine Schule, der sie leistungsmäßig (noch) nicht ge­wachsen sind. „Obendrein würden an den meisten Schulen viel zu wenig Stütz- und Förderstunden angeboten, weil die entsprechende Lehrerzuweisung fehlt“, moniert der VBE-Chef, „und nicht alle Familien können und wollen sich teuren privaten Nachhilfeunterricht leisten.“ Trotz allem rät Brand bei den Zeugnissen zu mehr Gelassenheit.


VBE warnt: Die Politik, Wirtschaft und Eltern melden stän­dig neue Ansprüche an – Lehrer sind aber keine Alleskönner

Stuttgart. „Die Lehrer fühlen sich von ständig neu gestellten Forderungen, die von allen Seiten an die Schule herangetragen werden, immer mehr überrollt, obwohl die Pädagogen in der Regel hoch qualifiziert und entsprechend belastbar sind“, sagt der Sprecher des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg. Es sollte unmissverständlich definiert werden, was eine gute Schule heute zu erbringen habe und was sie keinesfalls leisten könne.

Die Aufgaben des Lehrerberufs müssten klar umrissen werden. Die Kluft zwischen den Erwartungen der Eltern, der Wirtschaft und der Politiker an die Lehrerschaft und dem, was Schule wirklich leisten könne, sei gewaltig, stellt der VBE-Sprecher fest. Bei allen auftauchenden gesellschaftlichen Problemen – ob Mobbing, Gewalt, Extremismus, Reizüberflutung, Sucht, Drogen oder allgemeiner Erziehungsnot­stand – werde von der Schule grundsätzlich erwartet, dass diese die Schwierigkei­ten möglichst sofort und vor allem erfolgreich in Angriff nehme. Lehrer würden heute nur in zweiter Linie als Wissensvermittler und Lernbegleiter gesehen, dafür eher als Therapeuten, Seelsorger, Elternersatz, Entertainer und bisweilen sogar als „Dompteure“.

Weil Schule stets “Spaß“ machen müsse, dürften Pädagogen ihre Schüler nur we­nig fordern, sollten aber möglichst alle mit besten Zensuren rasch zum Abitur füh­ren, formuliert es der VBE-Sprecher sarkastisch. Sich langsam entwickelnder Un­terricht und auch kooperatives Lernen in Gruppen schneiden bei den Schülern in Konkur­renz zu den schnellen Schnitten der Videoclips, zu kurzweiligen Youtube-Sequen­zen und rasanten Szenen in Actionfilmen immer schlechter ab. So mancher Schüler hält Stille heute gar nicht mehr aus und zeigt ohne Online-Kontakt mit der Außen­welt deutliche Entzugserscheinungen.

Kinder und Jugendliche können sich immer weniger konzentrieren und stören stattdessen den Unterricht. Die Zahl „Verhaltenskreativer“ steigt ständig. Schüler haben gesundheitliche Beeinträchtigungen, leiden an ADHS und unter LRS, sind sozial, emotional oder psychisch auffällig, haben Entwicklungsverzögerungen oder -störungen. Immer mehr benötigen medizinisch-therapeutische Hilfe.

Man müsse sich darüber einig werden, so der VBE-Sprecher, was man von der Schule erwarten könne und was dies der Gesellschaft von den Kosten her wert sei.

VBE: Lehrer sind nicht die Ausputzer der Nation

Kultusminister versucht, niedere Instinkte in der Bevölkerung anzusprechen

Stuttgart. „Natürlich ist es sinnvoll, wenn Lehrer mitbekommen, wie Industriebosse und Handwerker ticken“, sagt der Sprecher des Verbandes Bildung und Erzie­hung (VBE). „Es gibt aber noch viel mehr Branchen, in denen die `Heulsusen von der Schulfront´ lernen könnten, wie das wahre Leben geht. Sollten Lehrer in den nächsten Ferien nicht auch mal kurz als Copilot in einem Jet mitflie­gen, dem Chefarzt bei einer schwierigen OP assistieren, einem Altenpfleger einen Tag lang bei seiner kräftezehrenden Arbeit über die Schulter schauen? Sollten sich Lehrer nicht auch in den harten Job eines Straßenbauers, eines Polizisten auf einer Montagsdemo, einer Verkäuferin, die den ganzen Tag ste­hen muss, einfühlen können?“

 

VBE Pressesprecher Michael Gomolzig

Michael Gomolzig, Sprecher des VBE

Genügend Ferien haben die „faulen Säcke“ ja, hört man immer wieder. „Und das bisschen Schulehalten bei wohlerzogenen, lernbegierigen Schülern erledi­gen die Lehrer sowieso ganz nebenher am Vormittag, damit sie am Nachmit­tag auf dem Tennisplatz etwas für ihre Gesundheit tun können“, merkt der VBE-Sprecher ironisch süffisant an. Der VBE appelliert an Politik und Gesellschaft, von ständig neuen Forderun­gen an Schule und Lehrerschaft Abstand zu nehmen und realistische Ziele zu setzen. Lehrer können nicht jedes Problem der Gesellschaft lösen und schon gar nicht jeden Wunsch der Wirtschaft erfüllen. Lehrer sind weder die gro­ßen Alleskönner noch magische Wunderheiler, sondern Fachleute für Bildung und Erziehung – Schulmeister im wahrsten Sinne des Wortes.

Es sei traurig, dass ein so gescheiter Politiker wie Andreas Stoch meine, auf der Klaviatur der niederen Instinkte spielen zu müssen, bedauert der VBE-Sprecher. Auf diese Art und Weise könne man zwar kurzfristig den Beifall der Stammtische erheischen, hole aber die SPD nicht aus dem Umfragetief heraus.