Ade, vertraute Rosarote – Ade, vertraute Petrolgrüne

Eine Betrachtung zum Rückzug des Landes 
Baden-Württemberg. Wir alle kennen das Prozedere zum Schuljahresbeginn. Zu einem festen Bestandteil ist das Austeilen der Schüler-Versicherungs-Zettel geworden: im Badischen (bgv) waren sie rosarot, im Württembergischen (wgv) petrolgrün. Zu Schuljahresbeginn 2019/2020 stehen sie vor dem Aus. Wirklich? Nein, sie sterben nur einen halben Tod, aber genau das scheint mir neue Probleme aufzuwerfen. Doch sehen wir uns die neue Lage von ihrer Entwicklung her an.

Wie war es bisher mit der Schülerversicherung?

Zunächst einmal: Die Schülerversicherung war ein Gruppenversicherungsvertrag als Angebot des Landes Baden-Württemberg. Und wie es halt im Laufe von Jahren so ist: „man“ vergisst die Entstehung und wenn niemand im Sinne des Landes aufklärend wirkt, ranken sich immer mehr „Histörchen“ zu einem Gesamtflechtwerk, das dann letztlich nicht mehr im Sinne des Erfinders ist. So war es „eigentlich“ schon immer klar, dass niemand seitens der Schule (seitens des Lehrpersonals) zum Abschluss dieser Versicherung gezwungen werden darf, weder der Siebtklässler, der ins Schullandheim geht, noch der Viertklässler, der die Fahrradprüfung macht. Die Schülerversicherung ist wie alle anderen Versicherungen schlicht und einfach freiwillig und wer sie abschließen will, der tut das. Punkt. Bisher und künftig.

Die Rosarote Petrolgrüne war eine Subsidiärversicherung. Das heißt: Risiken, die die Schule selbst sowieso über die staatliche Pflichtversicherung abdeckte, mussten auch dort geltend gemacht werden. Aber auch: Wer die gleichen Risiken zusätzlich über eine private Haftpflichtversicherung abgedeckt hatte, für den trat diese Subsidiärversicherung nicht ein. Die private Versicherung hatte bei der Schadensbegleichung Vorrang. Das heißt, die Schülerzusatzversicherung deckt nur Risiken ab, die von der gesetzlichen Unfallversicherung nicht abgedeckt sind. Konkret geht es bei den umstrittenen Schülerversicherungen um eine kombinierte Police aus Haftpflicht-, Sachschaden- und Unfallversicherung. Dabei bietet diese Schülerversicherung  auch Leistungen zum Beispiel für Unfälle, die passieren, wenn die Schüler vom Schulweg abweichen und somit nicht mehr den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz genießen. Setzt sich ein Schüler in der Sport-Umkleide versehentlich auf die eigene(!) Brille, so wird diese ersetzt. Auch die zerrissenen Hosen beim Schulhof-Sturz genießen Versicherungsschutz. Somit wird auch denjenigen Schülern eine Möglichkeit auf Versicherungsschutz im Umfeld des Schulbesuchs geboten, die keine weitere Absicherung haben.

Und nun stellt das Ministerium fest (Zitat PM MKS): „Um Missverständnissen vorzubeugen, die sich auch zum neuen Schuljahr ergeben haben, wird das Land die Vereinbarung über einen Gruppenversicherungsvertrag mit einzelnen Versicherungen zum Schuljahr 2019/2020 auslaufen lassen“. …  Durch die Vertragspartnerschaft des Landes und die Verbreitung des Angebots über die Schulen entstehe immer wieder der Eindruck, dass der Abschluss der Schülerzusatzversicherung verbindlich ist. Außerdem sei kritisch angemerkt worden, dass der Anschein erweckt werden könnte, das Land betreibe über die Schulen durch diese Aktivität Werbung für einzelne Versicherungen. „Beides soll durch die für die Schüler-Zusatzversicherung seit 1998 einschlägige Verwaltungsvorschrift eigentlich ausgeschlossen sein“, so die Ministerin. Um ordnungspolitisch Klarheit zu schaffen, nehme das Ministerium künftig von der darauf beruhenden Vereinbarung Abstand.“ (Zitatende)

Weiter stellt Ministerin Eisenmann fest: Ob im Einzelfall ein ergänzender Versicherungsschutz benötigt werde, sei allein Sache der Erziehungsberechtigten. Im Gegenzug sei es die Aufgabe des Versicherungsmarktes, attraktive und passgenaue Ergänzungen des gesetzlichen Versicherungsschutzes anzubieten, nicht des Landes und seiner Lehrkräfte. 

Wirtschaftliche Gesichtspunkte

Der „Bund der Versicherten“ hat im April 2018 die Schülerversicherung als „Versicherungskäse des Jahres“ bezeichnet und dabei die entsprechende Auszeichnung verliehen. 

Als Kriterien begutachtet man u.a. mangelnde Transparenz, lückenhafte und nicht nachvollziehbare Leistungen, zu hohe Beiträge und zweifelhaften Nutzen. Die Juroren stammen von der Verbraucherzentrale Hamburg, der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., dem Bund der Versicherten sowie einer Finanzjournalistin. 

Ja und genau da liegt einer der Hasen im Pfeffer: Die Juroren sind allesamt keine Lehrkräfte, die an der Basis das Geschehen mitbekommen und betrachten es somit durch ihre eigene Brille. Hohe Beiträge? 1 EURO kann natürlich nur in einer Gruppenversicherung als Beitrag gehalten werden. Das heißt: nur wenn sich viele versichern, ist dieser geringe Beitrag überhaupt möglich. Zweifelhaften Nutzen? Sind es nicht die schwächeren Familien, die durch zusätzliche Ausgaben eher davon abgehalten werden, eine private Versicherung abzuschließen? Immerhin haben 15 Prozent aller Haushalte keine Haftpflichtversicherung und die Hälfte aller Haushalte keine private Unfallversicherung. Da war die Rosarote Petrolgrüne schon oftmals die einzige Möglichkeit einen entstandenen Schaden zu begleichen. Mangelnde Transparenz? Wie bei jeder anderen Versicherung auch findet man auf der Rückseite eine Gegenüberstellung, was versichert ist und was nicht.

Dass Lehrkräfte als Versicherungsmakler tätig werden mag fragwürdig sein, hilft aber, die geringen Beiträge zu halten. Sicher war der Zeitaufwand da, aber nach drei bis vier Tagen war der Versicherungsschutz für das ganze Jahr unter Dach und Fach. Da gibt es schlimmere „Zeitfresser“ an Schulen.

Und wie ist es künftig? 

Es gibt eine schlechte und eine gute Nachricht. Die schlechte zuerst: Einzelpersonen können diese Schüler-Gruppenversicherung auch künftig nicht abschließen (Aussage BGV und WGV). Die gute: Nun können Kommunen, Fördervereine, Schulträger, Schulzweckverbände usw. diese Gruppenversicherungen abschließen. Die Beiträge werden zum Teil geringer, die Leistungen höher. Versichert werden alle Schüler/innen der Schulen dieser Träger, für die der Beitrag eingezahlt wird.

Ist der Abschluss notwendig?

Diese Frage kann man immer nur im Einzelfall beantworten. Sinnvoll aber scheint mir der Abschluss schon. Ich beende diesen Beitrag mit ein paar Beispielen, die als Entscheidungshilfe dienen sollen: 

  1. Zahlreiche Unternehmen verlangen bei Schülerpraktika den Nachweis einer privaten Haftpflichtversicherung. Wenn künftig jeder Schüler diesen Nachweis selbst erbringen muss, könnte der Aufwand dafür teurer werden als die bisherige Ein-Euro-Versicherung.
  2. Nachts klettert ein Schüler im Schullandheim über das Dach in ein anderes Zimmer. Hierbei stürzt er ab und ist dadurch querschnittsgelähmt. Nachdem der Schüler hier privat unterwegs war, greift der Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht.
  3. Ein Schüler lehnt sich an einen Pkw, wobei er diesen mit dem Schulranzen unabsichtlich zerkratzt.
Schlussbemerkung

Künftig wird es also eine Zweiklassen-Behandlung geben. Schüler, die Schulträgern angehören, die diese Gruppenversicherung anbieten, haben den Vorteil, dass sie über einen geringen Beitrag den Versicherungsschutz zweifelsohne verbessern können. Die anderen haben keine Chance und müssen sich gegebenenfalls zu höheren Beiträgen privat absichern. Wobei die Rosarote Petrolgrüne zusätzliche Risiken versichert, die privat gar nicht versicherbar sind. Beide Versicherungen (BGV und WGV) haben auf ihren Homepages viele weitere Informationen. Und das ganze Netz ist voller Für und Wider.

Zwei von den vielen Links möchte ich hier beispielhaft anführen:

http://www.jkgweil.de/fileadmin/user_upload/Schuelerzusatzversicherung_WGV.pdf

https://media.bgv.de/www/produkte/kommunal/schuelerversicherungen-uebersicht-gueltig-ab-1.08.2019.pdf