Forderungen des VBE zur Digitalisierung

VBE digitale Medien

In einem offenen Brief an die Landesregierung mit Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann fordert der VBE gemeinsam mit weiteren Lehrerverbänden, die Digitalisierung der Schulen zügig voranzutreiben. An der Aktion sind neben dem VBE folgende Verbände beteiligt: Berufsschullehrerverband Baden‐Württemberg (BLV), Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Baden‐Württemberg (GEW), Grundschulverband Baden‐Württemberg sowie der Verein für Gemeinschaftsschulen in Baden‐Württemberg e.V.

In einer sich rasant verändernden Welt stehen auch die Schulen in Baden‐Württemberg vor großen Herausforderungen. Mit Ausbruch des Corona‐Virus treten Entwicklungspotenziale und auch Schwächen wieunter einem Vergrößerungsglas zu Tage. In aller Deutlichkeit erweist sich, dass das Schulsystem in Baden‐Württemberg weder technisch noch inhaltlich darauf vorbereitet ist, einen Online‐gestützten Fernunterricht anzubieten. Dies zeigt, dass eine digitale Grundausstattung an den Bildungseinrichtungen dringend notwendig ist. Dabei muss eine pädagogisch‐didaktische Perspektive immer den Lead eines zeitgemäßen Medieneinsatzes übernehmen. Es gilt die Prämisse: Pädagogik vor Technik. Praxis mit Theorie. Mensch vor Maschine.

In einem Blick nach vorne haben wir als zukunftsorientierte schulische Interessenvertretungen in Baden‐Württemberg, zu einer Initiative zusammengeschlossen. Mit einer Stimme fordern wir die Landesregierung auf, ohne jeglichen Zeitverzug und in einer gemeinsamen Anstrengung, die Digitalisierung der Schulen im Südwesten endlich zu realisieren!

Für die Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen. Für die Zukunft unserer Schulen. Für die Zukunft unseres Landes.

Basale Digitalisierung von Schulen: Technische Grundsicherung, unbürokratische Genehmigungsverfahren, 1:1 Geräteausstattung

Wir fordern bis zu den Sommerferien 2021 eine 100%ige Grund‐Digitalisierung unserer Schulen! Deshalb fordern wir unter Berücksichtigung des Status quo der Einzelschule die prioritäre Einrichtung einer grundlegenden digitalen schulischen Infrastruktur. Dazu gehören

  • verbindliche Vereinbarungen mit den Schulträgern über Qualität und Geschwindigkeit einer Internetversorgung aller Schulen,
  • alltagstaugliche belastbare LAN‐ und WLAN‐Struktur im Haus,
  • pädagogische Server.

Dieser Schritt muss einer beschleunigten und unbürokratischen Zuweisung aus dem Digitalpakt unterliegen. Wir fordern daher, dass das aktuelle Konzept eines Medienentwicklungsplans (MEP) als Grundlage für die Beantragung von Mitteln aus dem Digitalpakt weiterentwickelt wird. Dazu muss ein Standard für die Mindestausstattung einer Schule definiert und dessen zeitnahe unbürokratische Überprüfung forciert werden. Der digitale Status quo sowie die individuelle Zielsetzung und der Umsetzungshorizont der jeweiligen Schule müssen entsprechend berücksichtigt werden.

Die Erstellung des MEP muss dringend entbürokratisiert werden. Rolle und Einfluss des Schulträgers auf die digitale Ausstattung von Schulen müssen neu definiert werden. Hier ist insbesondere der Lead der fachlichen, pädagogischen und innerschulischen Expertise zentral.

Die digitale Leistungsfähigkeit und das Funktionieren der zur Verfügung gestellten Technik müssen gewährleistet sein. Die Benutzerfreundlichkeit von Hard‐ und Software muss gegeben sein, der Funktionsumfang ist auf die Bedürfnisse der jeweiligen Schule abzustimmen. Eine Lösung “one‐size‐ fits‐all” fällt aufgrund der Vielfalt unserer Schullandschaft aus.

Wir fordern die Realisierung einer 1:1‐Ausstattung aller SchülerInnen und Lehrenden mit digitalen Endgeräten, um einen didaktisch begründeten situativen Einsatz moderner Technik zu ermöglichen. Die Lernmittelfreiheit muss dabei gewährleistet sein. Eine verlässliche Wartung und der Support eingesetzter Geräte müssen geregelt und ressourcenmäßig hinreichend unterlegt werden. Dazu gehört insbesondere auch die Systembetreuung vor Ort.

Funktionalität für die Praxis: Zentrale Bereitstellung digitaler Anwendungen durch das Land

Die Digitalisierung unserer Schulen muss auch auf der Anwendungsebene zeitnah umgesetzt werden. Auf dem Markt befindliche Systeme müssen daher auf ihre DSGVO‐Konformität hin geprüft und zügig für den rechtssicheren Einsatz in den Schulen zugelassen werden. Verhandlungen mit professionellen Anbietern zur Absicherung der DVSGO‐Konformität sind zügig in die Wege zu leiten, um bestehende, international anerkannte Lehr‐Lerntechnologien in Deutschland verfügbar zu machen. Hier gilt es insbesondere auf erfolgreiche Cases und Umsetzungen aus der derzeitigen Schule@Home zurückzugreifen und diese zu verstetigen. Eingesetzter Content, Lernmaterialien oder z. B. Apps müssen formal zertifiziert werden.

Für die zeitnahe Realisierung der Anwendungsebene fordern wir die Umsetzung der hier aufgelisteten Schritte. Diese müssen schulartspezifisch unter besonderer Berücksichtigung der Grundschule auf ihre Praxistauglichkeit mittels zeitnaher kompakter Usability‐Tests überprüft werden:

  • Wir fordern die Etablierung einer zuverlässigen und belastbaren E‐Mail‐Kommunikation mit allen Schul‐Akteuren in Baden‐Württemberg über das Landesverwaltungsnetz. Ein entsprechendes Angebot muss Bedienbarkeit und Leistungsspektrum am aktuellen Standard wettbewerbsfähiger Organisationen ausgerichtet sein, um so eine maximale Zukunftsfähigkeit zu gewährleisten.
  • Wir fordern die Einrichtung eines ad hoc‐funktionalen DSGVO‐konformen Messenger‐ Dienstes für alle Schulakteure (Schüler, Eltern, Lehrkräfte, Schulverwaltung). Bei der Auswahl müssen die Bedürfnisse und Erfahrungen aus der Praxis der letzten Wochen Berücksichtigung finden. Wir fordern zudem die Einrichtung eines DSGVO‐konformen Kalender‐Dienstes für alle Schulbeteiligten mit skalierbaren Zugriffsrechten für die einzelne Schule.
  • Wir fordern ebenfalls die Einrichtung eines DSGVO‐konformen Cloud‐Speichers für alle Schulbeteiligten mitskalierbaren Zugriffsrechten für die einzelne Schule. Dieser Cloud‐Speicher muss über mobile Endgeräte nutzbar sein. Er muss weiterhin zeitnah zu einer echten Bildungscloud als unterrichtsorientierte, sowie datenschutz‐ und DSGVO‐konforme Lernplattform mit umfangreichen differenzierten Inhalten ausgebaut werden. Dabei müssen vielfältige Praxiserfahrungen aus der Schulwelt Berücksichtigung finden.
  • Wir fordern auch die Einführung DSGVO‐konformer Chat‐, Telefonkonferenz‐ und Videokonferenz‐Tools für die kollaborative Schulkommunikation. Diese müssen neue Formen und Formate der Zusammenarbeit ermöglichen (z.B. MindMapping, Whiteboard, ) wie sie insbesondere in den letzten Wochen in der Schulwelt erprobt wurden. Entsprechende Server‐Kapazitäten müssen bereitgestellt und abgesichert werden.
Zukunftsorientierte Investitionen: Digitaler Mindeststandard

Wir fordern die zeitnahe Aushandlung und Umsetzung eines gemeinsamen Digitalisierungs‐Mindeststandards. Dieser muss im Zusammenspiel mit den Schulakteuren für sämtliche Schularten (bzgl. Technik, Pädagogik, Didaktik, Aus‐ und Weiterbildung etc.) entstehen und die jeweiligen Besonderheiten der schulischen Phasen Primarstufe, Sek I und Sek II sowie berufliche Aus‐ und Fortbildung adäquat berücksichtigen.

Wir fordern mit Blick auf die Dringlichkeit, dass in der Vergangenheit in Schulversuchen bereits erprobte Technikenund Konzepte zügig in der Fläche umgesetzt werden. In einer möglichst kurzen zusätzlichen Erprobungsphase sind ggf. verschiedene Schularten, diverse Nutzungszeiten, sowie unterschiedliche Voraussetzungen von Lehrenden und Lernenden etc. zu berücksichtigen. Wir erwarten einen zeitnahen und umfassenden Roll-out digitaler State‐of‐the‐art Ausstattung an allen baden‐württembergischen Schulen. Mehrjährige Schulversuche gefährden für dieses Vorhaben das Umsetzungstempo.

Wir fordern, die Standards für schulische Digitalisierung entsprechend der schnellen Innovationszyklen in diesem Bereich regelmäßig zu aktualisieren und mit den Beteiligten vor Ort abzustimmen. Moderne digitale Technologien wie Robotik, Virtual‐Reality‐Systeme oder Industrie 4.0 müssen ebenso in unseren Schulen Einzug halten wie die Arbeit in Maker‐Spaces oder Anwendungen von Artificial Intelligence.

Dem eigenen Anspruch gerecht werden: Professionalisierung und Qualität

Wir fordern für die Digitalisierung unserer Schulen den engen Schulterschluss zwischen Wissenschaft, Schulpraxis und Verwaltung. Dieser muss aktuelle fachdidaktische, medienpädagogische und lernpsychologische Erkenntnisse mit Erfahrungen aus der praktischen Umsetzung von digitaler Bildung an den Schulen verbinden. Best‐Practises und das Lernen von anderen muss bei der Digitalisierung von Schule künftig einezentrale Rolle spielen. Der hierfür notwendige Prozess muss zeitnah aufgesetzt sowie entsprechend moderiert und gestaltet werden.

Wir fordern eine Professionalisierung der digitalen Transformation im schulischen Bereich. Kompetenzen in Digitaler Bildung dürfen nicht länger zufällig aus dem individuellen Interesse der einzelnen Lehrkraft resultieren. Wir erwarten deshalb die fundierte Qualifizierung von Lehrenden sowie adäquate Weiterbildungsformate und ‐angebote.

Wir fordern den Auf‐ und Ausbau eines Studienfachs “Digitale Bildung”. Der Einsatz und die Verwendung digitaler Medien muss Bestandteil der Lehrkräfteausbildung in allen Fächern sein. Zudem müssen Seminare zu den Themen Medienbildung, Mediendidaktik, Medienpädagogik und Medienkompetenz im Curriculum fest verankert werden. In der Lehrerausbildung inklusive des Vorbereitungsdienstes müssen Grundlagen der Medienbildungebenfalls fest verankert sein, idealerweise in jeder Fachdidaktik. (Unterrichts)Konzepte für digitale Bildung müssenvon Praxis und Wissenschaft gemeinsam entwickelt, wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden.

Wir fordern Fortbildungsangebote zur Digitalen Bildung sowie die Absicherung deren Qualität. Dafür ist die Etablierung von zertifizierenden Studiengängen in diesem Themenfeld notwendig.

Wir fordern Entwicklungsräume, um die Digitalisierung von Schule weiter voranzutreiben. Schulentwicklung muss die Frage der Digitalisierung mit in den Blick nehmen. Wir fordern deshalb für die Schulen einen Stundenpool für Innovation und Schulentwicklung, der ebenfalls für die Weiterentwicklung der Digitalisierung verwendet werden kann.

Wir fordern den Anschluss an internationale und nationale Entwicklungen durch die Finanzierung von design‐ based‐research‐Ansätzen in Kooperation von Theorie und Praxis sowie das Scouting und die Förderung gelungener schulischer Innovationsprojekte im Land.

Wir rufen Sie auf: Handeln Sie jetzt!

Als Interessenvertretungen eines Großteils der Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, Eltern und Schulleitungen sowie zahlloser anderer Akteure im Kontext von Schule in Baden‐Württemberg, fordern wir die Landesregierung gemeinsam auf, den Anforderungen unserer Zeit ‐ und nicht zuletzt des geltenden Bildungsplans mit seiner Leitperspektive Medienbildung ‐ gerecht zu werden: Realisieren Sie endlich eine umfassende Digitalisierung unserer Schulen und ermöglichen Sie damit einen modernen und zeitgemäßen Unterricht. Nur so lernen unsere Schülerinnen und Schüler, sich in einer digitalisierten Welt zurechtzufinden.

Wir fordern für die Begleitung der digitalen Transformation an unseren Schulen die Einrichtung eines Beirats unter Beteiligung der schulischen Interessenvertretungen in Baden‐Württemberg.

Bleiben Sie weiter mit uns im Dialog!