Hart am Limit: 169 Schulleitungen stellen Überlastungsanzeige

Schulleiterinnen und Schulleiter aus ganz Baden-Württemberg haben im Oktober das Angebot des VBE angenommen, eine vertrauliche Überlastungsanzeige zu stellen. Die bis dato 169 eingegangenen Überlastungsanzeigen berichten von viel zu wenig Personal und Leitungszeit, von zu viel Bürokratie und zahlreichen zusätzlichen Belastungen durch Corona. Die Kolleginnen und Kollegen schildern teilweise dramatische Verhältnisse und zeigen auf, wie ernst die Lage ist.

 

Personalmangel

Jede zweite Schulleitung berichtet in ihrer Überlastungsanzeige von Personalmangel oder von Personalausfall ohne Ersatz. Dies zeigt einmal mehr, dass die Versorgung mit Lehrkräften völlig unzureichend ist. Mit Blick auf Schülerzahlen, Ganztag, Inklusion und Krisenbewältigung wächst der Bedarf an Lehrkräften in den nächsten Jahren noch weiter an. Umso unverständlicher ist es da, dass die Kultusministerin bei den Haushaltsverhandlungen mit ihrer Forderung nach 254 neuen Stellen, um die vorhergesagte Zunahme an Schülerinnen und Schüler abzufedern, ebenso aufgelaufen ist wie mit ihrem Wunsch nach 105 zusätzlichen Stellen für die Krankheitsreserve.

Zu wenig Leitungszeit

Rund 40 Prozent der Schulleitungen geben in ihrer Überlastungsanzeige explizit zu wenig Leitungszeit und eine zu große Unterrichtsverpflichtung als Belastungsfaktor an. Schon vor der Pandemie ist die zugewiesene Leitungszeit völlig inakzeptabel gewesen. Schulleitungen kämpfen heute mit einem noch nie dagewesenen Kommunikations- und Organisationsaufwand. Abhilfe sollte bereits in der letzten Legislaturperiode die zweite Stufe des Konzeptes zur Stärkung und Entlastung der Schulleitungen bringen. Das Land scheint es sich allerdings zur Aufgabe gemacht zu haben, das Konzept immer weiter zu verschleppen.

Aufwand der Digitalisierung

Etwa 30 Prozent der Schulleitungen nennen den Aufwand durch die Digitalisierung als Belastungsfaktor. Schulleiterinnen und Schulleiter mussten sich in den letzten Monaten nicht nur um die Anschaffung der digitalen Endgeräte kümmern. Sie mussten eine komplette digitale Infrastruktur einrichten und einen Medienentwicklungsplan auf die Beine stellen. Die dauerhafte Administration und Pflege von digitalen Geräten, Infrastrukturen und Lernmanagementsystemen ist mit einem ungeheuren Mehraufwand verbunden. Gerade bei größeren Schulen wird das Land langfristig nicht umhinkommen, eigene IT-Abteilungen mit externen Fachkräften einzurichten.

Weitere allgemeine Belastungsfaktoren

Zu den am häufigsten genannten allgemeinen Belastungsfaktoren zählen neben den bereits Genannten: Zu wenig Sekretariatsstunden, kein Konrektor/keine Anrechnungsstunden, immer mehr statistische Abfragen, allgemeine Belastung der Ganztagsschule, hoher Verwaltungsaufwand und hohe Anforderungen von Eltern.

Seit Jahren bürdet das Kultusministerium den Leitungskräften immer mehr Aufgaben auf, ohne hierfür ausreichend Zeit und Personal bereitzustellen. Schulleitungen sollen heute ganz selbstverständlich Ganztag, Digital- und Fernunterricht, Integration und Inklusion leisten können. Gleichzeitig kam in den letzten Jahren eine Welle von Abfragen und immer neuen Verwaltungsaufgaben auf sie zu. In der Pandemie mussten sie darüber hinaus noch Aufgaben des Gesundheitsamtes übernehmen. Und mit dem Programm „Lernen mit Rückenwind“ folgt bereits das nächste Großprojekt oben drauf.

Zusatzbelastungen durch Corona

Neben den allgemeinen Belastungsfaktoren berichten die Überlastungsanzeigen von einer Vielzahl weiterer Belastungen durch Corona. Mit Abstand am häufigsten genannt wird hierbei die Organisation von „Lernen mit Rückenwind“. Auf den Plätzen zwei und drei folgen die Koordination und Dokumentation der Testungen und der Umstand, dass neue Verordnungen am Wochenende kommen. Auf den Plätzen vier bis zehn folgen: Auseinandersetzungen mit Eltern, Absprache mit und Informierung der Eltern, Kontrolle Impfpass und Testung der Lehrkräfte, Corona-Infektionen und Kontaktierung aller Beteiligten, allgemein erhöhter Verwaltungsaufwand, ungenaue Regeln sowie die Absprache mit Kolleginnen und Kollegen über Verordnungen.

Die Rückmeldungen zeigen, wie vielfältig die zusätzlichen Belastungen in der Pandemie ausfallen. Insgesamt ist damit für die ohnehin hochbelasteten Schulleitungen die Grenze des Machbaren erreicht, wenn nicht schon überschritten.

Das Land muss sich dieser Realität stellen!

Forderungen

Damit der Beruf der Schulleitung wieder leistbar wird, fordert der VBE:

  • Eine Erhöhung der Leitungszeit an allen Schulen.
  • Mehr Anrechnungsstunden zur Erfüllung besonderer Aufgaben.
  • Eine bessere personelle Ausstattung mit Lehrkräften und multiprofessionellen Teams.
  • Eine gesicherte Stellvertreter-Regelung.
  • Eine weitere Verzögerung der zweiten Stufe des Konzeptes zur Stärkung und Entlastung der Schulleitungen ist nicht länger hinnehmbar.
Weiterführende Infos

Hier finden Sie die statistische Auswertung der eingegangenen Überlastungsanzeigen.