Vor einiger Zeit entspann sich in meinem Unterricht eine Unterhaltung über den Status Quo. Die kleine Zweckgemeinschaft beackerte gerade grammatikalische Grundlagen im Fach Deutsch. Die Runde arbeitete zuverlässig vor sich hin, trug munter die Zwischenergebnisse vor. Business as usual eben, sollte man meinen und doch auffällig. Was ging hier gerade ab? „Warum höre ich von euch in den anderen meiner Fächer so gut wie nichts? Wie kommt es, dass es hier so funktioniert?“
Die glorreichen Vier werden gemäß gültigem Bildungsplan ab Klassenstufe 8 im G-Niveau getrennt in den Hauptfächern unterrichtet. Schüleranzahl und Ressourcen verhindern dies in den Nebenfächern. „Herr Kempke, ganz ehrlich, das würden wir in der Klasse mit all den anderen nie machen. Da würde von uns keiner freiwillig was vorlesen oder an die Tafel schreiben. Wir sind da viel zu abgelenkt und können uns gar nicht konzentrieren.“
Es ging noch ein Weilchen hin und her und sie schilderten aufrichtig und nachvollziehbar ihre Situation. Was könnte man daraus lernen, wenn Kindermund doch Wahrheit kundtut? Wir werden den Schülerinnen und Schülern im G-Niveau nicht gerecht. Seit Klasse 5 wird hier nur eines stetig vermehrt, maximaler Bildungsfrust und die scheinbar logische Denke: „Ich bin einfach zu blöd für die Schule.“
Kleine Lerngruppen verbessern den Lernerfolg, eine frühere Differenzierung verhindert Schulfrust und ermöglicht Bildungserfolge – in G- und M-Niveau gleichermaßen. Das sind mittlerweile tatsächlich Binsenweisheiten. Es muss sich endlich etwas ändern, wer Bildungsgerechtigkeit will, wer individuelle Bildungserfolge möglich machen will, muss ermöglichen, was glasklar auf der Hand liegt.
Selbstverständlich liegt es nie nur an den äußeren Umständen und selbstverständlich gehört es auch zur Wahrheit, dass schulische Leistungsfähigkeit und individuelles Vermögen unterschiedlich ausgeprägt sind. Wenn die strukturellen Rahmenbedingungen allerdings mangelhaft ausgestaltet sind, liegt es in der politischen Verantwortung, diese Missstände endlich zu korrigieren. Mit der Konkretisierung des Konzeptes zu einer veränderten Realschule liegen die notwendigen Vorschläge dazu auf dem Tisch.
Ein „Weiter so“ darf es nicht mehr geben!
Markus Kempke, Landesreferatsleiter Realschule im VBE