Meine Güte waren die Sommerferien toll und auch notwendig. Wie jedes Jahr ging es bei mir nach einer Woche Arbeit mit „leichten Verwaltungstätigkeiten“ und der Abwicklung des alten Schuljahres dann auch los mit der Erholung. In diesem Jahr übrigens nach freundlichem Nachdruck meiner Frau – sie hat gesagt, ich soll das mit der Pistole auf der Brust lieber nicht erwähnen – auch etwas länger. Ich habe mir tatsächlich doch drei Wochen frei genommen, um dann Ende August wieder langsam zu beginnen.
Immer getreu dem alten Motto meines ehemaligen Chefs: „Schule kann so schön sein, wenn keine Schüler, Eltern und Lehrer dazwischenfunken.“ Auf alle Fälle war ich gut erholt, bis mich dann die Realität unsanft wieder auffing. Wie ist das eigentlich bei Ihnen so? Haben Sie denn genügend Lehrkräfte an der Schule? Ich für meinen Teil muss die Frage leider verneinen, obwohl sich meine Schule im „gelobten Land“ befindet, wo angeblich alle Lehrkräfte hinwollen.
Und aus einer anderen Perspektive betrachtet würde ich folglich eher als privilegiert gelten – zumindest was die Lehrerversorgung angeht. Immerhin kann ich mich auf meinen „Längst-schon-Pensionär“ verlassen, der mit seinen leicht über 70 immer noch gerne aushilft. Was täte ich denn eigentlich ohne ihn als Feuerwehrmann?
Dann sind wir aber immer noch von einer adäquaten Unterstützung der Regellehrkräfte teilweise ziemlich weit entfernt.
Vor den Ferien noch war ich auf Personalversammlungen unterwegs. Was man da zu hören kriegt, stimmt einen dann doch sehr nachdenklich. Ein Schulleiter eines SBBZ sprach mich bei einer dieser Versammlungen an. Er habe nicht mal 80 Prozent der notwendigen Leute an Bord. Besserung ist nicht in Sicht, da Sonderpädagogen sowieso auf der Roten Liste stehen – und eigentlich seien von denen rund die Hälfte sogenannte Nichterfüller, also Menschen, die die Qualifikation als Lehrkraft nicht mitbrächten, aber trotzdem einen tollen Job machen würden. Einige von ihnen schon seit einigen Jahren.
Diese Menschen zerreißen sich dann im „Dreikampf der Sonderpädagogen“ zwischen Diagnostik, Inklusion und Unterricht im SBBZ. Eigentlich nicht zu schaffen. Also kein Wunder, dass man als Regelschule teilweise unendlich lange darauf wartet, bei schwierigen Schülerinnen und Schülern unterstützt zu werden, sofern die Eltern der Diagnostik überhaupt zustimmen, was bekanntermaßen nicht immer leicht erfolgt und viel Überzeugungsarbeit erfordert. Dann sind wir aber immer noch von einer adäquaten Unterstützung der Regellehrkräfte teilweise ziemlich weit entfernt.
Wer schon einmal versucht hat, einen BufDi zu finden, der sei mal auf das F in BufDi hingewiesen.
Nicht dass wir uns falsch verstehen: Ich gehöre zu den absoluten Befürwortern der Inklusion und habe in den vergangenen Jahren auch an meiner Schule immer wieder sehr gelungene Beispiele in unterschiedlichen Settings, egal ob kooperative Organisationsform oder Einzelinklusion, erleben dürfen. Diese waren durchweg für beide Seiten gewinnbringend und absolut bereichernd.
Eines hat sie aber immer geeint: Sie waren stets mit ausreichenden Ressourcen und multiprofessionellen Teams versorgt. In diesem Jahr ist das teilweise anders. Da gibt es einen Fall, der schlicht daran scheitert, dass sich keine Unterrichtsbegleitung findet, obwohl der Junge, den es betrifft zielgleich unterrichtet wird und nur Unterstützung aufgrund seiner Köperbehinderung braucht.
Alle Seiten mühen sich redlich, aber für Entgeltgruppe S3 jemanden zu finden, ist halt nicht ganz leicht und wer schon einmal versucht hat, einen BufDi zu finden, der sei mal auf das F in BufDi hingewiesen. Leider gibt es nicht genügend junge Menschen, die sich gerne freiwillig sozial einbringen wollen. Sie werden ja auch in nahezu allen Branchen anderweitig gesucht und mit allerlei Annehmlichkeiten umworben. Dingen also, mit denen wir als Schule kaum mithalten können. Also auch hier definitiv kein Bashing der Kids, die ja nur viel zu egoistisch und materialistisch unterwegs wären.
Wann kapiert denn Politik endlich, dass es mit Sonntagsreden und Absichtserklärungen nicht getan ist und dass man für die Umsetzung jedes Projekts entsprechende Ressourcen braucht?
Wie kann es denn eigentlich sein, dass ein wirklich sehr wertvolles gesellschaftliches Projekt wie die Inklusion, die wir alle wollen und auch unterstützen, immer wieder an der gleichen Frage scheitert, nämlich der Frage der Ressourcen? Wann kapiert denn Politik endlich, dass es mit Sonntagsreden und Absichtserklärungen nicht getan ist und dass man für die Umsetzung jedes Projekts entsprechende Ressourcen braucht? Und bis diese Ressourcen nicht da sind, auch das Projekt so nicht umgesetzt werden kann?
Oder haben Sie schon einmal Ihrem lokalen Porsche-Händler versucht im Rahmen Ihres persönlichen Projekts „Freie Fahrt für freie Bürger“ einen 911er aus dem Kreuz zu leiern, ohne das nötige Kleingeld dafür opfern zu wollen? Ich bin mir ziemlich sicher, dass er das Projekt ohne diese wichtige Voraussetzung schlicht scheitern ließe, egal wie toll es klingt oder sinnvoll es aus Ihrer Sicht wäre.
Wann macht sich Politik eigentlich einmal ehrlich und sagt schlicht: „Das wäre total notwendig und zutiefst sinnvoll, aber alles geht halt nicht und vor allem halt auch nicht ohne ausreichend Leute, die das tun können.“
Komisch, nur bei Schulen und Lehrkräften soll das anders funktionieren. Da soll ohne genügend Lehrkräfte selbstverständlich auch alles unterrichtet werden. Ganz nebenbei und für Gotteslohn soll das eine und das andere wichtige Projektle aus der Thouretstraße oder anderen Instituten umgesetzt werden. Wann macht sich Politik eigentlich einmal ehrlich und sagt schlicht: „Das wäre total notwendig und zutiefst sinnvoll, aber alles geht halt nicht und vor allem halt auch nicht ohne ausreichend Leute, die das tun können.“
Von wollen kann hier nämlich kaum die Rede sein, gerade bei so einem zentralen Thema wie Inklusion. Klar, es verkauft sich halt nicht so toll wie die schöne bunte Welt in Hochglanz-Broschüren und ob man damit Wahlen gewinnt, hat vermutlich noch niemand ausprobiert. Und damit wären wir wieder beim Thema Erholung und Ferien. Also meine strebt in Anbetracht dessen eher wieder gegen minus unendlich.