Lederle spricht Klartext: Hä? – 2.0

Klartext

Wie jeden Morgen fahre ich den Computer hoch und öffne die Poststelle der Schule. Bling und 14 neue Mails werden mir als neu seit dem Nachmittag davor angezeigt. Na Mahlzeit, denke ich da so bei mir. Da muss ich wohl mal wieder durch, bevor ich zu meinem persönlichen Postfach komme. Hoffentlich muss ich nicht schon wieder so viel ans Kollegium weiterleiten, sonst zeigen die mir noch irgendwann den Vogel. Wahrscheinlich ist die Hälfte aber eh nur wieder Werbung.

Da stolpere ich über eine Mail des Kultusministeriums zur rechtlichen Würdigung von außerunterrichtlichen Veranstaltungen. Klingt spannend, also öffne ich sie und beginne zu lesen. Soweit ich diese als juristischer Laie richtig verstehe, sollen wir jetzt noch eine zusätzliche Einverständniserklärung der Eltern einholen, die bestätigt, dass wir in deren Auftrag Buchungen vornehmen, damit das Land nicht in Regress treten muss, falls Eltern überrascht feststellen, dass ihnen die Reise doch zu teuer ist oder die Kids zur Einsicht gelangen, dass die Klassenfahrt nach Berlin doch nicht der Bringer ist, und es vorziehen, lieber jetzt doch zu Hause bleiben wollen, und das auch noch entgegen ihrer ursprünglichen Absichtserklärung, die dann wiederum die Lehrkraft eine Buchung vornehmen ließ, die sie als Eltern nun schlicht nicht bezahlen wollen. Aha. Die Konsequenz daraus wäre, dass die Lehrkraft also auf den Kosten sitzen bliebe würde und das Land dann im Rahmen der Amtshaftung einspringen müsste, insofern die Lehrkraft nicht grob fahrlässig oder gar vorsätzlich gehandelt hätte. Soso.

Offensichtlich scheint sich genau diesen eher hypothetischen Vorgang irgendjemand in irgendeiner Amtsstube ausgedacht zu haben. Also, es wird Zeit für das gute alte Beamtenyoga: Tief einatmen und den Kopf schütteln. Jetzt mache ich diesen Job schon 25 Jahre, aber außer während Corona ist mir so eine Reisestornierung im Nachgang zur Buchung noch nie untergekommen. Ich kenne noch nicht einmal jemanden, der mir davon schon einmal erzählt hätte. Aber von mir aus, es gibt ja nichts, was es nichts gibt. Kann ja sein. Zugegeben haben genau die Corona-Reisestornierungen in Stuttgart wirklich richtig Geld gekostet, aber eben nur unter Corona. Dennoch hat man gerade unter diesen sehr besonderen Umständen unbürokratisch mit einer einfachen Regelung geholfen. Da waren wir Lehrkräfte schon richtig dankbar.

„Man bedenke was The Länd alleine gekostet hat.“

Unter normalen Umständen aber dürften rund 99,8 % der Klassenfahrten einfach nur wie geplant ablaufen (mal abgesehen von den Stornierungen wegen Krankheit, die von der obligatorischen Rücktrittsversicherung abgedeckt wird) und die restlichen 0,2 % darf man getrost als überschaubaren Kollateralschaden der außerunterrichtlichen Veranstaltungen an Schulen bezeichnen, der in Anbetracht des doch recht großen Kultushaushalts sicher kaum ins Gewicht fällt. Wenn man bedenkt, was The Länd alleine gekostet hat, dann ist das schon ziemlich pfennigfuchserisch. Dafür nun aber 50.000 Lehrkräfte im Land wuschig zu machen und zusätzli- che bürokratische Hürden aufzustellen, ist weder wertschätzend noch zielführend. Vielmehr führt es eher bei so manchem in die innere Immigration und zu einem herzhaften „Dann-macht-doch-euren-Käse-selbst“. Auch ein deutliches „Wahrscheinlich-geht-es- nur-mal-wieder-darum-einen-Dummen-zu-finden“ wurde mir da entgegengehalten.

Für noch mehr Kopfschütteln sorgte landauf, landab die nächste bürokratische Bombe zur steuerlichen Bewertung von Kuchenver- käufen und sonstigen geschäftlichen Vorgängen an Schulen. Da macht es das Fachchinesisch von wegen „Tax Compliance“ auch nicht wirklich besser. Nur deutlich länger. Um genau zu sein, waren es rund 30 Seiten Handreichung nebst Schaubildern und inklusive einer 12-seitigen Abhandlung zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Kuchenverkäufen an Schulen. Ehrlich gesagt war das dann doch sehr komplex formuliert. So manch einen Absatz musste ich da wiederholt lesen, um ihn zu durchdringen. Ich fühlte mich dabei unweigerlich in Studienzeiten zurückversetzt, konnte mich aber partout nicht daran erinnern, mich für Steuer- und Unternehmensrecht eingeschrieben zu haben.

„Respekt vor dieser juristischen Abhandlung. Toll geschrieben, aber wer soll das verstehen?“

Unsere Anwältin drückte das selbstverständlich deutlich eleganter so aus: „Respekt vor dieser juristischen Abhandlung. Toll geschrieben, aber wer soll das verstehen?“ Damit hat sie wohl recht, aber vielleicht braucht man ja wirklich auch kein abgeschlossenes Jurastudium sondern nur etwas Mathe. Die Kleinunternehmergrenze beläuft sich laut Schreiben auf 22.000 € Jahresumsatz. Diese gilt es unbedingt zu beachten, zumindest wenn man sein unternehmeri- sches Handeln auf regelmäßiger Basis durchführt. Also angenommen, ich wollte mit meiner Klasse das Ziel bei einem durchschnittlichen Kuchenstückpreis von 1 € übertreffen, würde das bedeuten, dass ich bei rund 40 Schulwochen dann doch pro Woche rund 50 Kuchen verkaufen müsste, das wären dann 10 pro Tag. Folglich müsste jede Familie in der Klasse jede Woche rund 2 Kuchen mit jeweils 12 Stücken dafür backen. Mal ganz abgesehen davon, dass ich das Zeug noch an jemanden in der Schule verkaufen müsste, hätte jede Lehrkraft, die dieses ehrgeizige Ziel verfolgen wollte, vor dem Ärger mit dem Finanzamt wohl eher Stress mit der Bäckerin- nung, aber ganz sicher heftige Probleme mit den Eltern, die Woche für Woche für Nachschub sorgen müssten. Bestimmt aber würden die örtlichen Kinderärzte Sturm laufen, ob der Zunahme der an Adipositas erkrankten Kinder.

Da schnapp ich mir doch lieber wieder das sehr übersichtliche 40-seitige Handbuch zur Schulstatistik und freue mich an einfa- chen Sätzen und anleitenden Bildern oder ich schau mir noch ein paar spannende Schulungsvideos zum neuen Schulverwaltungs- programm des Landes an. Die beruhigen wenigstens mit ihrem flachen Spannungsbogen. Das kann mein Blutdruck gut vertragen, bevor ich die beiden Mails an das Kollegium weiterleite.

Dirk Lederle, Schulleiter Johanniterschule Heitersheim, stellvertretender VBE-Landesvorsitzender