Lederle spricht Klartext: Ich bin mir sicher, Sie kennen den Unterschied

Klartext

„Glückwunsch! Zwei Wochen Urlaub“, hallt es mir beim Hoffest des lokalen Weinguts von einer Bekannten entgegen. Was dann üblicherweise kommt, kenne ich nur zur Genüge. Die ewige Diskussion von wegen Ferien = Urlaub und davon habt ihr Lehrer sowieso viel zu viel. Normalerweise würde ich so eine Diskussion immer gleich mit meinem Killer-Spruch ab:„Tja, die Berufswahl ist halt auch eine Frage der Intelligenz.“ Aber weil ich die Dame echt gut leiden kann und sie eine dann doch relativ junge Freundin meiner Frau ist, verkneife ich mir das diesmal und gebe stattdessen den Erklär-Bär, obwohl ich das eigentlich nicht will. Von wegen Feierabend und tatsächlich Ferien = Urlaub, zumindest ab diesem Wochenende in den Ferien.

Ich erkläre ihr also erst einmal, dass man grundsätzlich zwischen unterrichtsfreier Zeit, Ferien und Urlaub unterscheiden muss. In meinem Fall habe ich die Pfingstferien mit leichten Verwaltungstä- tigkeiten (halt den ganzen Kruscht, der vor den Ferien so liegenge- blieben war), aber vor allem mit den Korrekturen der Prüfungsarbei- ten meiner 10er begonnen. Das eine nahm so etwa einen Arbeitstag in Anspruch, das andere deutlich mehr. Korrekturen von Prüfungen erledigen sich nicht von selbst, sondern beanspruchen mindestens zwölf Arbeitsstunden (also ganze Stunden) und weil meine 10er ziemlich zäh waren dieses Jahr, sind es dann doch 15 geworden, was also fast zwei ganze Arbeitstage sind. Wenn ich mir vorstelle, was das bei meiner Autowerkstatt kosten würde, bei deren Stundensatz, wird mir leicht schwummerig.

Ehrlich gesagt, fand ich weder das Eine, noch das Andere besonders spannend. Es sind aber halt Jobs, die wir Lehrkräfte so in den Ferien oder der vermeintlichen Urlaubs- bzw. Freizeit erledigen. Gesehen wird das ja im Regelfall nicht, aber wehe dem, wenn man den Rasen schon am frühen Nachmittag mäht. Das wird sehr wohl sehr aufmerksam registriert. Typisch morgens recht und mittags frei. Also erkläre ich nochmals in aller Deutlichkeit: Ferien sind für die Kinder, unterrichtsfreie Zeit für uns und Urlaub findet für uns immer in den Ferien statt, nur halt nicht die ganze Zeit, von wegen zwölf Wochen Urlaub und so. Aber wie ist das eigentlich mit der Arbeitszeit bei uns Lehrkräften so? Was es dazu erst einmal bräuchte, wäre eine dezidierte Arbeitsplatzbeschreibung für uns Lehrkräfte. Was gehört dazu und vor allem, was nicht. Ich jedenfalls kenne keine offizielle des Kultusministeriums, aber jede Menge Jobs, die man uns aufs Auge gedrückt hat und die wir nicht so wirklich wollten. Wenn es denn endlich mal eine solche Beschreibung gäbe, könnte man auch tatsächlich beginnen, die Arbeitszeit zu dokumentieren. Das dürfte dann höchst spannend werden, vor allem, wie denn dann mit den wahrscheinlich nicht zu knapp anfallenden Überstunden umzugehen wäre.

Wenn ich mir vorstelle, was das bei meiner Autowerkstatt kosten würde, bei deren Stundensatz, wird mir leicht schwummerig.

Für mich ist klar, dass die Erfassung auf alle Fälle einfach und digital geschehen müsste. Was ich mir auch nicht nehmen lassen möchte, ist die Flexibilität bei der disponiblen Arbeitszeit, also dem, was nicht direkt im Unterricht oder in Konferenzen und somit in zeitlich und örtlich gebundener Arbeitszeit steckt. Das ist mit Sicherheit einer der größten Vorteile unseres Berufes, dass ich mich eben selbst entscheiden kann, wann ich nun den Unterricht vorbereite oder die Korrekturen vornehme. Apropos wann und wie: Eine Arbeits- und Verhaltenskontrolle via App wäre für mich ein absolutes No-Go! Ich möchte keine Gespräche mit Kollegin Müller oder Kollegen Meier führen müssen, um zu eruieren, warum Müller siebeneinhalb Minuten länger für die Korrektur einer Mathe-Arbeit bei ihren 6ern braucht als Meier. Ganz zu schweigen, dass sie das dann auch noch nach 20 Uhr tut (wenn die Kinder im Bett sind), obwohl sie sich doch erholen sollte.

Spannend dürften dann auch solche Unterfangen wie Klassenfahrten werden. Bei einer Mindestruhezeit von elf Stunden würden dann zwei Begleitpersonen wohl kaum genügen. Da müsste eher so eine Art Dreischichtbetrieb stattfinden und das mit der Nachtarbeit dann, also die Bereitschaftszeiten zur Kontrolle, ob die Kids dann tatsächlich auch schlafen oder doch lieber wieder mal eine Party im Zimmer der Mädels anzetteln, wäre dann eine zusätzliche Komplikation. Wenn ich nur daran denke, was das für Unterrichtsausfall zwangsweise generiert, wenn pro Klasse plötzlich sechs Begleitpersonen freigestellt werden müssten. Überhaupt stellt der sogenannte Ferienüberhang die größte Komplikation dar. Alle Mehrarbeit in den Ferien abgelten zu wollen, haut wohl kaum hin. Bei den Stoßzeiten in unserem Beruf, also den Wochen, in denen mal locker 50 Stunden Plus anfallen – was arbeitsschutzrechtlich schon gar nicht geht –, reichen die Ferien neben dem Urlaubsanspruch wohl kaum aus. Wenn ich da alleine an meine Sommerferien denke, wird das ziemlich eng als Abgeltungszeitraum. Von wegen Abwicklung des alten Schuljahres und Planung des neuen, Konferenzen oder Fortbildung etc., eben dem, was genau dort in diesem Zeitraum so anfällt. Kein Wunder, dass unser Dienstherr nicht so wirklich ein Interesse an einer Arbeitsplatzbeschreibung oder einer Arbeitszeiterfassung zeigt und im Moment eher etwas zurückhaltend diesbezüglich agiert. Das würde für ganz schön Unruhe sorgen und den Fachkräftemangel noch zusätzlich verschärfen, sollte die All-Flat-Arbeitszeit von uns Lehrkräften – also das Deputatsmodell – aufgrund der Rechtsprechung fallen müssen.

„Von der Seite her habe ich das noch nie betrachtet“, erwidert die Freundin meiner Frau nach meinem zugegeben etwas langen Vortrag. „Dann sind die Ferien gar nicht automatisch Urlaub für euch Lehrer“, ergänzt sie. Jawohl, sie hat es verstanden. Ich nicke ihr wohlwollend zu, hole mein Handy aus der Tasche und tue so, als würde ich ihr einen Eintrag ins digitale Klassenbuch geben: Mona arbeitet gut mit und kennt nun den Unterschied zwischen Ferien und Urlaub. „Seit wann sind die denn digital, die Dinger?“, fragt sie. „Nun ja, schon seit geraumer Zeit und auch andere Dinge haben sich seit deiner Schulzeit geändert. Aber ab jetzt ist wirklich Urlaub“, erwidere ich.

Dirk Lederle
Schulleiter Johanniterschule Heitersheim, Stellvertretender VBE Landesvorsitzender