Lederle spricht Klartext: Macht das eigentlich Spaß?

Klartext

Das kennen Sie sicher von Ihren eigenen Kindern oder von anderen kleinen Kindern. Manchmal können sie Fragen stellen, die an sich sehr einfach sind, deren Beantwortung aber trotzdem sehr anspruchsvoll ist. Genau dies war bei uns am zweiten Tag in den Sommerferien der Fall, als ich wieder einmal aus Stuttgart zurückkehrte. Mein Mittlerer und mein Kleiner kamen voller Freude um die Ecke, um mich zu begrüßen. Der Mittlere sah mich mit großen Augen an: „Woher kommst du denn und warum warst du so lange nicht da?“ „Naja, Papa war mal wieder in Stuttgart und hat mit vielen Menschen über Schule gesprochen.“ Und dann kam sie, die Frage: „Macht dir das eigentlich Spaß?“

Wie erkläre ich ihm das jetzt und vor allem: Macht es mir denn Spaß? Naja, das mit dem Spaß ist so eine Sache. Ich würde ja lügen, wenn ich sagen würde, dass mir jedes dieser Gespräche immer vollumfänglich Spaß gemacht hätte. Es gibt Gesprächspartner im politischen Stuttgart mit teilweise sehr, sagen wir mal, bemerkenswerten Vorstellungen zu guter Schule und guten Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte. Diese sind dann manchmal schon so kontrovers zur Lebenswirklichkeit der meisten Lehrerinnen und Lehrer, dass ich mich dann schon frage, ob man in der Landeshauptstadt wohl in einem Paralleluniversum lebt oder schlicht gewisse Realitäten nicht sehen will. 

Kostprobe gefällig? Hier meine persönliche Top 5, ohne Nennung des/der Interpreten/in:

Platz 5 – Mit einer zentralen Klassenarbeit im Sinne einer Vergleichsarbeit wäre ein „Grundschulabi“ eingeführt. 

Aha. Wenn ich also eine Klassenarbeit durch eine zentral gestellte Klassenarbeit in Deutsch und Mathe gleichwertig ersetze (siehe VBE-Konzept zu mehr Gewicht für die GSE), würde das die Benotung in den Fächern dominieren? Gut, wie schrieb schon mein Mathe-Lehrer mal unter eine meiner Mathe-Klausuren, für die ich 11 Punkte erhielt: Ein blindes Huhn… Will sagen, ich war noch nie der Checker in Mathe, aber so weit reicht es dann doch noch. 1/7 ist garantiert nicht mehr als 6/7. Viel spannender wird es dann noch, wenn man tatsächlich mathematisch betrachtet, was dies dann rechnerisch am Gesamtergebnis auch noch bewirken würde. Aber wie gesagt: Mathe halt. Nicht so ganz mein Ding.

Platz 4 – Förderunterricht an den Grundschulen ist nicht nötig.

Ach so! Ausgerechnet die Schulart mit der heterogensten Schülerschaft braucht also keinen Förderunterricht. Warum gibt es diesen dann sogar an Gymnasien, also der Schulart mit der nachweislich homogensten Schülerschaft? Kann mir das vielleicht mal jemand so erklären, dass ich das auch verstehe? Vielleicht sollte ich mal bei der Interessensvertretung der Gymnasiallehrkräfte nachfragen.

Platz 3 – Eine zusätzliche Entlastung der Schulleitungen wegen der Belastung durch Corona ist nicht nötig. Dann muss man halt priorisieren und auch andere Aufgaben einfach weglassen. Das können ja die Schulleitungen vor Ort selbst entscheiden.

Hä? Da überhäuft man die Schulleitungen mit zusätzlich Aufgaben und kommuniziert diese dann auch noch zur besseren Wochenendgestaltung freitags und dann das? OK, ich soll selbst entscheiden, was nicht so eine hohe Priorität hat und das lasse ich dann weg. Gut. Also der Medienentwicklungsplan, die Schulentwicklung, die Personalentwicklung, die Statistik, Klassenkonferenzen wegen Nachteilsausgleichen, dienstliche Beurteilungen oder was halt sonst noch so an „unwichtigen Themen“ oder nachrangigen Aufgaben ansteht. Nur wer erklärt das meiner Schulrätin oder dem RP? Vielleicht halten sie ja genau das Unwichtige für extrem wichtig und ich muss es dann trotzdem noch machen. Wo bleibt da die Entlastung?

Platz 2 Die Rücknahme der Kürzung des allgemeinen Entlastungskontingents ist nicht vorrangig wichtig.

Also, da gab es mal einen Kultusminister, der hatte eine gute Idee. Man könnte im Kultusbereich durchaus Geld einsparen, indem man das allgemeine Entlastungskontingent kürzt. Das sind genau die sehr wenigen Stunden, die man als Schule für die vielen und in den letzten Jahren immer zahlreicher gewordenen Zusatzaufgaben erhält. Dieser Kultusminister – ja, genau der – hat dann auch eine Untersuchung in Auftrag gegeben, um festzustellen, dass diese Stunden sowieso nicht in vollem Umfang genutzt werden und deshalb auch genau um diesen Betrag an allen Schulen gekürzt werden können. Klar. Und die Erde ist eine Scheibe! Und auch klar, dass wir alle ja überhaupt keine zusätzlichen Aufgaben in den letzten Jahren bekommen hätten. Die sind ja sowieso in der „all-inclusive Arbeitszeit“ der Lehrerinnen und Lehrer mit drin. 

Platz 1 – Die Gestaltung der Corona Verordnungen ist übersichtlich und gut verständlich. 

Jetzt mal unter uns. Wissen Sie eigentlich noch zuverlässig was im Moment gilt und wo das steht? Ist eigentlich in dem ganzen Hin und Her noch nie jemand mal auf die Idee gekommen, den rund 50.000 Lehrkräften im Land und den ca. 4.500 Schulleitungen eine leicht verständliche und übersichtliche Darstellung zu liefern? Von mir aus auch bebildert. Klar kann ich lesen und klar habe ich erfreulicher Weise Abi machen dürfen und dann auch noch studiert. Aber halt nicht Jura. Ich habe mich übrigens bewusst gegen dieses Studienfach entschieden. Klar spreche ich auch gerne mit meinen umliegenden Schulleitungskolleginnen und -kollegen und ich spreche auch echt gerne mit meiner Frau (auch Schulleiterin). Aber viel lieber über andere Themen, als wie man einen Paragrafen wohl wahrscheinlich zu verstehen hätte. Vor allem bin ich es ziemlich leid, zwischen der Corona Verordnung, der Corona Verordnung Schule, der Corona Verordnung Absonderung und den diversen FAQs der diversen beteiligten Ministerien hin und her zu blättern. Vor allem dann, wenn diese dann zur Krönung aufgrund des zeitnahen Erscheinens dort nicht in der konsolidierten Fassung (also im gesamten neuen Text), sondern in der Änderungsversion geliefert werden. Also nach dem Motto: In §X Absatz Y Satz 2 wird das Wort „und“ durch „oder“ ersetzt. Echt jetzt? Mache ich künftig auch so.:

Liebe Eltern, 

in Abänderung zu meinem Elternbrief vom letzten Jahr, streichen Sie bitte in Absatz 3 Satz 5 das Wort „freiwillig“ und ersetzen es durch „verpflichtend“.

Mit freundlichen Grüßen

Ich kann mir das Gesicht meines Elternbeiratsvorsitzenden schon vorstellen. Der zwischen „Ja ist denn heut‘ schon Fasnet?“ und „Ich dachte, Sie trinken das erste Bier immer erst nach vier…“ schwanken würde. 

So betrachtet: Es macht wirklich Spaß. Ich hatte schon immer Spaß an Neuem oder Andersartigem und so habe ich es meinem Sohn auch erklärt: Klar macht mir das Spaß. Es ist immer sehr interessant sich mit Leuten zu unterhalten.

Dirk Lederle, stellvertretender Landesvorsitzender