Läuft bei Ihnen Rückenwind an der Schule? Bestimmt. Aber wie läuft es objektiv betrachtet, sind Sie zufrieden? Wenn Sie bislang alle Fragen mit „Ja“ beantwortet haben, dann deshalb, weil bei Ihnen Rückenwind entweder durch Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen oder durch mehr oder minder gut qualifizierte Hilfskräfte abgedeckt wird. Glückwunsch. Ich will mit Ihnen auch gar nicht über den Sinn des Programms diskutieren. Ich jedenfalls freue mich, dass die Politik innerhalb von sehr kurzer Zeit so viel Geld gefunden hat, um gerade die zu unterstützen, die es am nötigsten haben.
Auch der Aspekt, dass man nicht nur auf der Fachlichkeit rumreitet, sondern auch daran arbeiten kann, was viele Kids noch mehr brauchen, dem sozialemotionalen Bereich, finde ich richtig gut. Bemerkenswert finde ich außerdem, mit wie relativ wenig Bürokratie (gemessen am vielen Geld) wir Schulen ausnahmsweise beschäftigt wurden/werden. Und wie es der chronisch unterbesetzten Schulverwaltung gelingt, doch so relativ viel innerhalb von so kurzer Zeit möglich zu machen.
Chapeau.
Dennoch gibt es da auch die anderen Aspekte. Gerade Rückenwind hat einmal mehr aufgezeigt, wie prekär die Lage im Bildungssystem ist und wie blank wir Schulen im Moment sind. Und ohne den tausendfachen „guten Willen“ und der Gutmütigkeit ganzer Kollegien wäre das Unterfangen wohl schon vor Beginn komplett an die Wand gefahren. Die größte Herausforderung bestand und besteht immer noch in der Personalgewinnung. Sicher sind Studierende zwar eine gute Wahl, nur das Grundproblem ist halt, dass Unterrichtszeiten und Studienzeiten nahezu deckungsgleich sind.
Und auch, dass es diese Personengruppe zwar in den städtischen Ballungsräumen gibt, aber sie auf dem platten Land eher weniger zu finden ist. Studierende sind zudem bei allem konstruktiven Bemühen halt auch Lernende und irgendjemand muss sich um sie kümmern. Im Zweifel sind dies die Kolleginnen und Kollegen land- auf landab, die dies für Gotteslohn tun, nach bestem Wissen und Gewissen. Ob sich dieses Engagement auch dauerhaft auszahlen und das Programm weiter fortgesetzt wird?
Gerade Rückenwind hat einmal mehr aufgezeigt, wie prekär die Lage im Bildungssystem ist
Grundsätzlich zu begrüßen ist, dass das Land den Schulen auch und gerade im Rahmen des Programms sowie im Zuge des VERA- bzw. IQB-Schocks endlich flächendeckend ein Tool zur Lernverlaufsdiagnostik zur Verfügung gestellt hat. Sinnvoll ist das. Nur, wie sehen hier die Konsequenzen und Folgemaßnahmen aus? Förderunterricht? Dauerhafte Etablierung von Rückenwind? Oder schlicht mal genügend schulische Ressourcen? Als ob vom solide dokumentierten Wiegen jemals ein Schwein fetter geworden wäre.
So ähnlich ist das auch mit der sozialindexbasierten Ressourcenzuweisung. An sich schon sinnvoll und einen Modellversuch machen wir gleich auch noch. Die mehr brauchen, bekommen auch mehr. Dieser Idee wird sich wohl niemand verschließen, solange klar ist, nach welchen Kriterien das „mehr Brauchen“ gemessen wird und die Ressourcen dann „on top“ kommen. Wenn es dann aber darum geht, nur den Mangel etwas anders zu verteilen oder die Verteilung zu Lasten anderer geht, solange ist diese Idee wohl eher aus Absurdistan. Wo will man denn Bitteschön die Lehrkräfte (ja, genau darüber reden wir) hierzu aus dem Hut zaubern, wenn man diese weder für Rückenwind noch für flächendeckenden Förderunterricht hat?
An sich unterstützenswert ist auch die gut gemeinte Idee, ein freiwilliges pädagogisches Jahr einzuführen. Vielleicht bleibt da ja auch was an den Schulen hängen. Ich kann mir das gut vorstellen. Unser Großer hatte mit Pädagogik nie wirklich was am Hut, aber seit seinem FSJ in einem Kindergarten ist ihm (zum Glück endlich) klar, was er werden will und diesen Weg geht er nun in aller Konsequenz. Dennoch muss sich auch um diesen Personenkreis jemand kümmern und auch das geht nicht für Umme, zumindest dann, wenn man dies professionell angehen will.
Und so greift man wohl in Stuggi weiter nach jedem sich bietenden Strohhalm oder eröffnet eine Camouflage-Debatte, anstatt mal an Programmen und Strategien zu arbeiten, die über die Legislatur hinaus angelegt sind und nachhaltig etwas bewirken könnten.
Tja.
Dirk Lederle, Stv. Landesvorsitzender