Kennen Sie Sonntagsreden? Nein, nicht das, was Onkel Alfred immer am Geburtstag von Erbtante Hulda so erzählt, wenn man sie sonntags in den Ochsen zum Essen ausführt und sie dann natürlich zahlt. Ich meine die politischen Sonntagsreden, also die Art von politischen Äußerungen, die zwar nach dem Opportunitätsprinzip auf den allgemeinen gesellschaftlichen Konsens, den Wunschzustand abzielen, sich aber in der Realität allzu oft als reines Blabla herausstellen.
Sie fragen sich jetzt sicher, was der Mann eigentlich meint. Naja, ganz einfach: das Ding mit der Teilzeit, den Frauen und der Führungsposition. Klingelt es immer noch nicht? Okay, ich führe dann mal aus. Sie zählen doch wahrscheinlich wie ich auch zu den Fans des monatlich erscheinenden orangen Heftchens. Nein, nicht das Verbandsmagazin. Das ist ja immer so blau mit grau und weiß. Ich meine freilich das Amtsblatt des Kultusministeriums AKA „Kultus und Unterricht“. Ist ihnen da schon mal was Außergewöhnliches aufgefallen? Nein? Dann lesen Sie vermutlich und pflichtgemäß wohl nur die Veröffentlichungen von Verwaltungsvorschriften und Gesetzen. Ich gebe Ihnen Recht. Sehr spannend. Auch meine Lieblingslektüre. Mir wird dabei immer sehr schnell klar, warum die Menschen, die das formuliert haben, Juristen wurden und keine Schriftsteller. Das wären mal richtige Bestseller, also wahrscheinlich.
Ich meine selbstverständlich den Teil mit den ausgeschriebenen Stellen. Also den finde ich immer wieder spannend. Nicht nur, dass ich dadurch immer wieder neue Orte in Baden-Württemberg kennenlerne – kennen Sie etwa Auenwald? Nein, nicht Herr der Ringe! Also ich kannte Auenwald bisher nicht. Sieht nett aus, zumindest auf Bildern und ist garnichtmal so klein. Man bekommt auch mit, wer eine neue Stelle hat oder wer in Pension geht. Ist ja auch mal nett. Hat sowas von den Heftchen, die man immer beim Friseur oder Arzt findet. Ist Ihnen das bei den Stellen schon mal aufgefallen? Gerade im Grundschulbereich steht da immer wieder sehr dezent kursiv und in Klammern „erneute Ausschreibung“. Warum eigentlich? Auch in Auenwald gibt es Kinder und Lehrkräfte, warum will da niemand in eine Leitungsfunktion? Gut, da wäre die Bezahlung und A12Z? Naja. Da kann man ja auch in A12 bleiben. Aber ich glaube nicht, dass genau das der Punkt für die Kolleginnen ist. Teilzeit? Okay. Immerhin sind rund 80 Prozent der Beschäftigten in Teilzeit tätig. Da wird wohl schon mal jemand darunter sein, der den Job will. Statistisch vielleicht schon, aber realistisch offensichtlich nicht.
Und dann wäre da noch das Ding mit den Frauen. Nein, ich schwinge jetzt nicht die Chauvi-Keule, da muss ich Sie enttäuschen. Die „überwiegend Frauen“, die in unserem Bereich tätig sind, arbeiten also in Teilzeit. Viele sogar unterhälftig. Warum das? Weil sie wollen? Naja, kann man diskutieren. Egal wieviel Teilzeit, aber ich beobachte schon, dass zwar das halbe Deputat auf dem Zettel steht und damit das halbe Gehalt, aber der Einsatz dann nicht nur gefühlt auf einem ganz anderen Niveau stattfindet, von wegen eigentlich Vollzeit. Es gibt sie zwar, die teilbaren Aufgaben, aber eben auch die unteilbaren. Und das sind deutlich mehr. Die meisten Kolleginnen und Kollegen sind ja mal angetreten, weil sie das gerne machen und was man gerne macht, das macht man auch mit Überzeugung und Ausdauer, also eher nicht unterhälftig in Teilzeit. Klar betrifft dies eher Kolleginnen mit Familie. Also so wie bei meiner Frau auch. Wir sind schon eine moderne Familie. Meine Frau ist Schulleiterin einer Grundschule, jung, dynamisch, berufserfahren, zwei Kinder, beide im Kindergarten, damit also versorgt und Teilzeit. Würde sie gerne Vollzeit arbeiten? Hat sie vor den Kindern immer. Klar, aber tut sie ja irgendwie eh schon. Vollzeit Schulleitung und reduzierte Unterrichtsverpflichtung. Sie liebt ihren Job. Und obwohl sie sehr modern und emanzipiert ist und auch ich meinen Teil zu leisten versuche, lastet – sind wir mal ehrlich – der Hauptteil der Arbeit im Familienbereich auf ihr.
Das dürfte in so mancher Familie der Fall sein. Mama ist halt Mama und auch wenn Papa die bessere Bolo macht und viel schöner bügelt ist das so. Das Thema der (mangelhaften) Betreuungszeiten und der (fehlenden) familiären Puffermöglichkeiten dürfte den meisten Betroffenen unter Ihnen nicht so ganz fremd sein. Trotz allem will man ja auch noch möglichst viel Zeit mit seinen Kindern verbringen. Genau in diesem Spannungsfeld zwischen Familie und Job zerreißen sich ganz viele auch schon ohne Leitungsfunktion. Ist man dann im Beruf oder gar in Leitung, interessiert dies kaum jemanden. Arbeitsbedingungen? Unterstützung?
Unterhält man sich mit einigen Verantwortlichen, dann denkt man eher, man würde halluzinieren. Die schweben immer noch auf Wolken, die ich eigentlich schon lange aufgelöst geglaubt hatte. Schließlich ist es quasi eine „Gnade“ solch einen Job machen zu dürfen und dann erst der „finanzielle Anreiz“. Ehrlich? Wozu denn? Damit ich an der Wursttheke mit „Grüß Gotte Herr Rektor“ begrüßt werde? Eher peinlich, zumindest heutzutage. Fürs Geld? Glauben Sie es mir. Okay, Pensionsansprüche, Heilfürsorge und die Sicherheit des Arbeitsplatzes sind schon ein Pfund, aber trotzdem ist es besser, dass wir diese Personen, die es nur „fürs Geld“ machen, genau dort nicht haben. Und dann gibt es noch die letzten ihrer Art, die mehr oder minder unverhohlen sagen, dass sie Frauen mit Familien eigentlich und grundsätzlich nicht in solchen Positionen haben wollen. Getreu des Mottos: Kommen Sie wieder, wenn die Kinder aus dem Gröbsten raus sind und studieren. Vorher ist und wird das nichts. Sie meinen das wäre an den Haaren herbeigezogen? Sicher nicht, eher aus interessanten Begegnungen berichtet. Und das sind nicht nur die letzten verbliebenen Chauvi-Dinos, die so denken und agieren. Von wegen reines Männer-Ding und so.
Solange dies noch so ist und es gilt „Durch die Reduktion auf Teilzeit reduziert sich nur die Unterrichtsverpflichtung“ und damit die Bezahlung, solange ausreichende und bedarfsorientierte Betreuungsangebote fehlen, solange nicht an allen Schulen Unterstützungssysteme in Form von etwa ausreichender Verwaltungsassistenz etabliert sind, solange nicht ausreichend Entlastung für Führungspositionen oder Zusatzaufgaben erfolgt, solange werden wir diesen hübschen Zusatz an den Ausschreibungen weitersehen. Und was für Funktionsstellen gilt, gilt ebenso für ganz normale Lehrkräfte, die eigentlich gerne mehr arbeiten würden. Das könnte Politik endlich mal schaffen und nicht nur auch montags, dienstags oder mittwochs davon reden, wie toll Frauen in Führung wären oder wie dringend man Fachkräfte braucht. Ob eine Quote hier helfen würde, kann man sicher diskutieren. Wichtiger und erfolgversprechender aber wäre es, endlich anzupacken und die entsprechenden Bedingungen zu schaffen, anstatt immer nur Lippenbekenntnisse von sich zu geben. Das wäre mein persönlicher Wunschzustand.
Dirk Lederle, Stv. Landesvorsitzender