Lederle spricht Klartext: Warum ich lieber zu Aldi gehe

Klartext

Das kennen sicher viele unter Ihnen auch. Fluch und Segen zugleich – die wohnortnahe Schule. Ehrlich gesagt genieße ich es nach langen Jahren der Pendelei, dass ich nun seit fast 8 Jahren nur ganz wenige Kilometer nach Hause habe. Sechs Kilometer um genau zu sein, also prinzipiell problemlos mit dem Rad zu erledigen. Das Ganze dann auch noch über Land mit perfekter Radwegeinfrastruktur. Wie schön ist es doch, dass ich mittags mal kurz nachhause kann und einfach durchatmen, um dann mit neuem Schwung wieder ins Büro zurück zu kehren.  

Schön an der Nähe ist auch, dass man sich kennt. Damit meine ich nicht nur die Gemeinde oder das ganze Drumrum, sondern auch die Eltern. Gut, wenn ich beim Heckenschneiden oder Straßefegen angesprochen werden, dann ist das schon manchmal lästig, aber mit meinen Nachbarn, die Kinder bei mir haben, habe ich das Thema in beidseitigem Einvernehmen geklärt. Auch wenn ich mich umziehen muss, nur um dem Grünschnitt wegzufahren, weil meine Frau meint, dass ich ja wohl so kaum unter Menschen kann, weil mich würden ja alle kennen. Ganz zu schweigen vom Verbot schmale Single-Trails mit meinem Mountainbike zu fahren. Begründung siehe oben. Ist es wirklich zu viel verlangt, dass man auch als Schulleiter mal einfach nur Mensch sein will und vielleicht über die Fußballergebnisse vom Wochenende sprechen will oder darüber warum eine XT-Schaltung garantiert ausreicht und es nicht immer eine XTR sein muss, aber garantiert nicht darüber, was Herr X / Frau Y schon wieder alles verkehrt macht oder warum Julia-Sophies Mathe-Aufgaben für die Eltern so unfassbar anstrengend sind? Vielleicht gilt für einen Schulleiter aber einfach nur das alte Pfadfindermotto „Allzeit bereit!“.

Für Eltern gilt dies offenkundig auch. Selbst beim Einkaufen. Von Hause aus bin ich ja eher Optimist und so versuchte ich der Pandemie auch etwas Positives abzugewinnen, indem ich mir einredete, dass mich mit Maske bestimmt weniger Mütter beim Einkaufen erkennen würden. Falsch gedacht. Die klassische Gesprächseröffnung besorgter Eltern ist dann häufig  ein „Gut, dass ich Sie gerade sehe“ . Tendenziell ist das Resultat der Affe auf der Schulter. So drückte es einmal eine Kommunikationstrainerin bei einer Fortbildung aus: „Lassen Sie sich nicht immer die Affen von jemanden anderem auf die Schulter setzen!“ Super! Leichter gesagt als getan. Die Standard-Gespräche sind dann warum es Lasse-Finn so schwer fällt und wie das Niveau entweder viel zu überzogen ist oder sich viel zu wenig gekümmert wird. Aber generell schwierig ist, wenn man wohl etwas zu verlangen scheint oder einfach nur ein authentisches „Feedback“ als Lehrkraft gibt, also klar anspricht, was nicht läuft. Gerne auch garniert mit etwas „Das finde ich pädagogisch höchst bedenklich“. Ich frage mich nur immer, warum die vielen Fachkräfte nicht eigentlich bei der Überwindung des Lehrernotstandes helfen. Ich meine so viel Fachkompetenz zwischen den Milchprodukten und  der Wurst-Bedienungstheke ungenutzt zu vergeuden, ist doch wirklich nicht angebracht.

Vielleicht sollten wir beim nächsten Termin im KM mal ein neues Quereinsteigerprogramm ansprechen – Aus dem Supermarkt ins Klassenzimmer. Also kam ich wieder einmal von Edeka nach Hause und erzählte meiner Frau von diversen Begegnungen. „Und ich dachte schon, wo bleibt der denn“, so meine Frau. Wenig später beim Essen sprachen wir nochmal darüber. Meine Frau brachte es auf den Punkt: „Vielleicht solltest du einfach mal zu Aldi gehen. Da gehen die Leute viel zielgerichteter beim Einkaufen vor und bummeln nicht so rum. Rein, Wagen voll und raus. Ein Shopping-Erlebnis mit Bummeln sucht dort kaum einer.“ Nun bin ich aus besagtem Grund und der dort stets herrschenden subtilen Hektik eigentlich kein Freund von Aldi & Co. Im Gegenteil. Ich falle dort immer unangenehm dadurch auf, dass ich mir die Produkte sehr genau anschaue, lese und immer auch gegen den „Strom schwimme“, also den wohl unter Aldi-Käufern unausgesprochenen Konsens über wo man zuerst hingeht und wie man dies tut komplett ignoriere.

Aber probieren kann man es ja mal. Was soll ich sagen: Meine Feldstudie war erfolgreich. Nach diversen Einkaufsexperimenten und einer detaillierten mathematischen Auswertung ergab sich ein signifikant geringerer „Wursttheken-Koeffizient“ als bei Edeka. Er liegt sogar rund um den Faktor 4 niedriger. Wenn ich es nun noch schaffe, durch Anpassung an die Laufwege und Einkaufsgeschwindigkeit in der homogenen Masse der Aldi-Profis mit zu schwimmen und die Masken uns noch ein wenig erhalten bleiben, dann könnte dieser Wert durchaus noch besser werden.

Ich gebe mein Bestes. Aber irgendwie ist Edeka dann doch netter.

Dirk Lederle

Dirk Lederle,
Schulleiter Johanniterschule Heitersheim,
stellvertretender Landesvorsitzender