Mit dem neuen Sprachförderkonzept „SprachFit“ stellt die Regierungskoalition den Anfang der Schullaufbahn konkret in den Mittelpunkt. Das Ziel: Kinder sollen nur noch schulbereit in die Schule kommen. Seit Längerem ist bekannt, dass zu viele Kinder – auch in Baden-Württemberg – die Mindeststandards verfehlen und zu wenige die Optimalstandards für einen erfolgreichen Schulstart erreichen. Die Lösung, das haben auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler immer wieder betont, liegt am Anfang der Schullaufbahn.
Deshalb ist dieser zunehmend ins Zentrum der Bildungspolitik gerückt. Mit dem neuen Konzept zur Sprachförderung im frühkindlichen Bereich und in der Grundschule zeigt sich dies nun auch ganz konkret in einem nachhaltigen Großvorhaben der Landesregierung. „Wir haben früh den Satz geprägt: Auf den Anfang kommt es an. Deshalb macht mich das klare gemeinsame Bekenntnis stolz, den Schwerpunkt auf den Einstieg der Kinder in die Bildung zu legen. Das unterlegen wir mit erheblichen Summen – und zwar strukturell aufwach- send und dauerhaft“, sagt Kultusministerin Theresa Schopper und fügt an: „Mein Dank gilt allen beteiligten Akteuren. Wir haben hier gemeinsam etwas Großes erreicht und damit eine positive Entwicklung in der Bildungsqualität und in der Bildungsgerechtigkeit für unsere Kinder angestoßen. Das wird sich schon in den nächsten Jahren und dann für die kommenden Jahrzehnte bemerkbar machen.“
Die Landesregierung geht in Bezug auf das gesamte Sprachförderpaket von Kosten in Höhe von 100 Millionen Euro im kommenden Doppelhaushalt aus.
Sprachkompetenz ist die Basis für die schulische Bildung, und je früher Schwierigkeiten erkannt werden, desto früher kann sich eine zielgerichtete Förderung anschließen. Desto geringer ausgeprägt sind in der Folge die Lerndefizite im Verlauf des weiteren Bildungswegs. Sprachförderung muss also früh ansetzen und durchgängig sein von der Kita bis in die Schule. Das Programm „SprachFit“ setzt dies mittels fünf Säulen um und wird sukzessive auf- und ausgebaut. Für diesen schrittweisen Aufbau, der zum kommenden Schuljahr beginnt, wird die Regierungskoalition unter Einbeziehung vorhandener Ressourcen für die Haushaltsjahre 2025/2026 die notwendigen Mittel bereitstellen. Die Förderung ist ab dem Zeitpunkt des Vollausbaus in der Fläche verbindlich.
Doch was verbirgt sich nun genau hinter dem „5-Säulen-Modell“ und woher kom- men die benötigten Fachkräfte für die Schulen und Kitas?
Der VBE Baden-Württemberg hat sich das „5-Säulen-Modell“ angeschaut und möchte nun erläutern, was auf die Kitas und Grundschulen in den nächsten Jahren zukommen wird.
Säule 1: Vor der Einschulung
Wird bei der Einschulungsuntersuchung (ESU) intensiver Sprachförderbedarf festgestellt, folgt an der Schnittstelle von der Kita hin zur Schule eine verpflichtende zusätzliche Sprachförderung im Umfang von vier Wochenstunden in Kleingruppen. Der Einstieg erfolgt im Schuljahr 2024/2025 mit den bis zu 200 Standorten (450 Gruppen) aus Mitteln des Projekts „Schulreifes Kind“ und damit in den Einrichtungen, die bereits am Projekt „Schulreifes Kind“ teilnehmen / teilgenommen haben. Die Anzahl der Schulen und Gruppen soll in den Folgejahren bis auf 4.200 Gruppen im Endausbau (Schuljahr 2027/2028) ansteigen und soll damit dann flächendeckend in Baden-Württemberg sein. Die Verbindlichkeit der Sprachförderung muss bis spätestens zum Schuljahr 2027/2028 im Schulgesetz verankert werden. Damit besteht für die Kinder der Juniorklassen eine Schulpflicht.
Die bislang bestehende Form der Grundschulförderklasse (GFK) wird ab dem Schuljahr 2026/2027 von der Juniorklasse abgelöst. Ein Vorteil der Juniorklasse könnte sein, dass das Angebot flächendeckend sein soll, was derzeit bei der GFK nicht der Fall ist. Unklar ist bislang, wie das Personal der GFK im Bereich der Sprach- förderung fortgebildet werden soll, um die Anforderungen an eine Juniorklasse umsetzen zu können. Nicht klar ist bislang auch, was mit den rückgestellten Kindern geschehen soll, die bislang eine GFK wegen anderer Schwächen besucht haben.
Säule 2: In der Schule
Manche Kinder werden trotz der Förderung vor der Einschulung nicht die für einen erfolgreichen Schuleintritt notwendigen Sprachkompetenzen haben. Hier setzt die Förderung in der Schule an – und zwar mit:
- Juniorklassen (einer Art Klasse 0, die als zusätzliches Jahr der Förderung Rückstellungen ersetzt. Die Verbindlichkeit des Besuchs einer Juniorklasse wird schulgesetzlich verankert),
- zusätzlichen Sprachförderstunden in Klasse 1 und 2 (wenn die Zuweisung zu einer Juniorklasse nicht notwendig ist),
- durchgängiger Sprachbildung (weitere Fördermaßnahmen über die gesamte Grundschulzeit, Begleit- und Fortbildungsangebote sowie Entlastungsstunden für größere Schulen inklusive),
- Sprachförderkursen in Klasse 3 und 4 (für alle Kinder mit Sprachförderbedarf),
- herkunftssprachlichen Lernkursen und Stärkung der Elternarbeit,
- vermehrter Einbeziehung von Seitenei- steigerinnen und Seiteneinsteigern
- Zusatzförderung durch pädagogische Assistentinnen und Assistenten sowie
- dem garantierten Zugang zur Ganztagsschule für Schülerinnen und Schüler der Vorbereitungsklasse (VKL).
Säule 3: Alltagsintegrierte Sprachbildung und Sprachförderung in der Kita
Die alltagsintegrierte Sprachbildung und Sprachförderung für Kinder in Kindertageseinrichtungen wird gestärkt, indem das erfolgreiche Programm „Sprach-Kita“ fortgeführt und ausgebaut wird. So sollen zusätzliche Fachberatungen die Erfolgsfaktoren des Programms in weitere Kindertageseinrichtungen hineintragen, hier ist ein Ausbau um 300 Stellen bis 2028 vorgesehen. Kitas spielen eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der 3. Säule des Sprachförderprogramms.
Ihre Aufgaben umfassen:
1. Alltagsintegrierte Sprachförderung praktizieren
Erzieherinnen und Erzieher in den Kitas nutzen jede Gelegenheit im Alltag, um die Sprachentwicklung der Kinder zu fördern. Dies geschieht durch gezielte sprachliche Anregungen, das Einbinden von Sprache in alle Aktivitäten und die Schaffung einer sprachlich anregenden Umgebung.
2. Elternarbeit und -einbindung:
Kitas arbeiten eng mit den Eltern zusammen, um eine kohärente und unterstützende Sprachförderung sowohl in der Einrichtung als auch zu Hause zu gewährleisten. Sie informieren die Eltern über die Bedeutung der Sprachförderung und geben ihnen Anregungen, wie sie die Sprachentwicklung ihrer Kinder unterstützen können.
3. Qualitätsentwicklung:
Kitas sind verantwortlich für die kontinuierliche Weiterentwicklung ihrer Sprachförderkonzepte und -praktiken. Sie nehmen regelmäßig an Fortbildungen teil und implementieren neue Erkenntnisse und Methoden in ihre tägliche Arbeit.
Durch diese umfassende und kontinuier- liche Sprachförderung im Alltag wird an- gestrebt, dass alle Kinder, unabhängig von ihrer Herkunft und ihren individuellen Vo- raussetzungen, gleiche Chancen auf eine erfolgreiche Sprachentwicklung und somit auf Bildungsteilhabe haben. Eine Koopera- tion mit den Grundschulen ist im Rahmen der 3. Säule des Sprachförderprogramms vorgesehen. Diese Zusammenarbeit soll den Übergang von der Kita zur Grundschule erleichtern und sicherstellen, dass die Sprachförderung nahtlos fortgeführt wird.
Die Grundschulen spielen dabei mehrere wichtige Rollen:
1. Kontinuität der Sprachförderung
Übergangsmanagement: Grundschulen und Kitas arbeiten zusammen, um den Übergang der Kinder so reibungslos wie möglich zu gestalten. Dies umfasst den Austausch von Informationen über den Entwicklungsstand der Kinder, insbesondere in Bezug auf ihre Sprachentwicklung.
Sprachförderpläne weiterführen: Informationen aus der Kita über die Sprachfördermaßnahmen und den individuellen Sprachstand der Kinder werden an die Grundschule weitergegeben. So können Lehrkräfte in der Grundschule die bereits begonnenen Maßnahmen gezielt weiterführen und vertiefen.
2. Gemeinsame Fortbildungen und Austausch
Fachlicher Austausch: Erzieherinnen und Erzieher sowie Grundschullehrkräfte treffen sich regelmäßig, um sich über Methoden der Sprachförderung und aktuelle Entwicklungen auszutauschen.
Gemeinsame Fortbildungen: Beide Gruppen nehmen an gemeinsamen Fortbildungen teil, um ihre Kenntnisse in der Sprachförderung zu erweitern und ein gemeinsames Verständnis sowie einheitliche Standards zu entwickeln.
3. Kooperation bei Projekten und Aktivitäten
Gemeinsame Projekte: Es werden Projekte organisiert, an denen sowohl Kinder aus der Kita als auch Grundschulkinder teilnehmen. Diese Projekte fördern die Sprachentwicklung durch gemeinsame Aktivitäten wie Theaterstücke, Lesepatenprojekte oder Sprachspiele.
Besuche und Schnuppertage: Kinder aus den Kitas besuchen die Grundschulen, um diese kennenzulernen. Solche Besuche be- inhalten oft sprachfördernde Aktivitäten und dienen dazu, den Kindern die Angst vor dem Schulbeginn zu nehmen und ihre Vorfreude zu wecken.
4. Elternarbeit
Informationsveranstaltungen für Eltern:
Grundschulen und Kitas organisieren gemeinsam Informationsveranstaltungen für Eltern, um diese über die Bedeutung der Sprachförderung und die Unterstützungsmöglichkeiten zu Hause aufzuklären.
Beratung und Unterstützung: Beide Institutionen beraten die Eltern in sprachfördernden Maßnahmen und arbeiten daran, das Bewusstsein für die Bedeutung der sprachlichen Entwicklung zu stärken.
5. Individuelle Unterstützung
Förderbedarf identifizieren: Grundschullehrkräfte nutzen die Informationen aus den Kitas, um frühzeitig Kinder mit besonderem Förderbedarf zu identifizieren und gezielte Maßnahmen einzuleiten.
Sprachfördergruppen: In der Grundschule werden spezielle Sprachfördergruppen oder -kurse angeboten, die auf den bereits in der Kita begonnenen Fördermaßnahmen aufbauen und diese weiterentwickeln.
Zusammenfassung
Die Kooperation zwischen Kitas und Grundschulen in der 3. Säule des Sprachförderprogramms in Baden-Württemberg ist von zentraler Bedeutung, um eine kontinuierliche und effektive Sprachförderung sicherzustellen. Grundschulen spielen eine wesentliche Rolle, indem sie die in der Kita begonnenen Fördermaßnahmen fortfüh- ren, durch gemeinsamen Austausch und Fortbildungen die Qualität der Sprachförderung sichern und den Übergang für die Kinder und ihre Eltern so unterstützend wie möglich gestalten.
Säule 4: Fortführung „Lernen mit Rückenwind“
Die Rückmeldungen aus der Praxis zum Programm „Lernen mit Rückenwind“ sind durchweg positiv. Das Kultusministerium möchte deshalb dessen funktionierendes Gesamtsystem und die solide Grundstruk- tur schulartübergreifend weiter nutzen und weiterentwickeln. In den Fokus soll künftig die gezielte Förderung der Basis- kompetenzen rücken. Ziel ist, hierdurch vor allem die Schülerinnen und Schüler in den Blick zu nehmen, die noch nicht von der neuen, ergänzenden Sprachförderung profitieren konnten und durch fehlende sprachliche Kompetenzen bei den Basis- kompetenzen zurückliegen.
Säule 5: Stärkung der Grundschule – Ausweitung „Multi-professionelle Teams“
Der Modellversuch „Multiprofessionelle Teams an Grundschulen“ läuft seit dem vergangenen Schuljahr an 16 Modellstandorten. Mit dessen Ausweitung sollen Lehrkräfte gezielt unterstützt und entlastet werden. Multiprofessionelle Teams tragen zur Verbesserung der Basiskompetenzen und basalen Kompetenzen bei. In diesem Zusammenhang arbeitet das Kultusministerium auch an Synergieeffekten von „SprachFit“ und dem neuen Startchancen-Programm.
In den vergangenen zwei Jahren hat es in Baden-Württembergs weitere Fortschritte im Bildungswesen gegeben. Der digitale Arbeitsplatz steht zur Verfügung, die datengestützte Qualitätsentwicklung für zielgerichteten Unterricht und Fortbildung ist etabliert, multiprofessionelle Teams an Schulen zur Unterstützung und Entlastung von Lehrkräften sind im Aufbau, und es sollen mehr Grundschullehrkräfte ins System kommen, da die Regierung die Studienplätze ausgebaut hat. Mit dem neuen Sprachförderkonzept soll nun ein weiterer großer und wichtiger Schritt vollzogen werden.
„SprachFit“ nimmt besonders die Kinder in den Blick, die mit weniger guten Voraussetzungen ins Leben starten – also etwa die Kleinsten und Kleinen mit Zuwanderungshintergrund, die kein oder wenig Deutsch in der Familie sprechen, Kinder aus bildungsfernen Familien, die nicht schon im Alter von zwei oder drei Jahren mit Büchern vertraut gemacht werden. Sie benötigen im Besonderen Unterstützung, um ihren Anfang so zu gestalten, dass der Bildungsweg erfolgreich sein kann und sie gar nicht erst ins Hintertreffen geraten.
Quelle: Kultusministerium Ba-Wü
Ein Kommentar von:
Susanne Sargk
Leitung Landesreferat Kindertageseinrichtungen im VBE Baden-Württemberg