Steigende Schülerzahlen sind ein dringender Aufruf zum Handeln

Die Prognose von Schülerzahlen ist keine leichte Aufgabe. Das Statistische Landesamt hat sich jedoch daran versucht und seine eigene Vorausberechnung am 13. September noch einmal aktualisiert. Nach dieser Berechnung erwartet das Statistische Landesamt im Jahr 2025/26 in Baden-Württemberg rund 66.000 Schülerinnen und Schüler mehr als jetzt. Der Landesvorsitzende des VBE Baden-Württemberg, Gerhard Brand, mahnt die Politik deswegen zum Handeln.

Rund 1,107 Millionen Schülerinnen und Schüler wurden im vergangenen Schuljahr an den öffentlichen und privaten allgemeinbildenden Schulen unterrichtet. Das entspricht einem Rückgang gegenüber 2005/06 (1,302 Millionen Schülerinnen und Schüler) – und trotzdem herrscht Lehrkräftemangel an den baden-württembergischen Schulen. Das lässt für 2025/26 nichts Gutes erahnen. Denn für dieses Schuljahr prognostiziert das Statistische Landesamt steigende Schülerzahlen und erwartet 1,173 Millionen Schülerinnen und Schüler.

Lehrkräftebedarf wird bis zum Jahr 2025 ansteigen

Die Bertelsmann Stiftung hatte in einer Studie bereits Anfang 2018 darauf hingewiesen, dass die Schülerzahlen steigen werden. „Da nun auch das Statistische Landesamt in seiner Pressemitteilung steigende Schülerzahlen bis zum Jahr 2025 prognostiziert, können wir davon ausgehen, dass der Lehrkräftebedarf ansteigen wird“, meint der Landesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg, Gerhard Brand. Klar ist, dass das Land auf diese Prognosen reagieren und Vorsorge treffen sollte. Das beinhaltet nach Ansicht des VBE unter anderem die Bereitstellung von zusätzlichen Studienplätzen und die Attraktivitätssteigerung des Lehramtes.

Allein die Grundschulen, bereits aktuell Sorgenkind bei der Unterrichtsversorgung, dürfen bis zum Jahr 2025/26 mit knapp 52.000 zusätzlichen Schülerinnen und Schülern rechnen. Wie sollen die Grundschulen das räumlich und vom Personal her leisten? Der Landesvorsitzende des VBE wird deshalb deutlich: „Allein schon aufgrund den vom Statistischen Landesamt prognostizierten Zahlen für die Grundschule müssen wir dringend handeln. Sonst laufen wir in eine prognostizierte Katastrophe.“

Aufgrund von steigenden Schülerzahlen 1.665 Deputate zusätzlich benötigt

Andreas Baudisch, Geschäftsführer des Landesbezirks Nordbaden, verdeutlicht das: „Bei 52.000 Schülerinnen und Schülern mehr müssten 1.829 neue Klassen gebildet werden, wobei von der Obergrenze für die Klassenbildung von 28 Schülerinnen und Schülern ausgegangen wird. Jede Klasse erhält gemäß der aktuellen Kontingentstundentafel dann 25,5 Stunden Unterricht, womit 46.628 Stunden zusätzlich zu erteilen wären. Ein gleichbleibendes Deputat für eine Grundschullehrkraft von 28 Stunden vorausgesetzt, sind wir bei 1.665 zusätzlichen Deputaten, wobei Anrechnungsstunden unter anderem für Schulleitungen bei Einrichtung einer neuen Klasse noch nicht einbezogen sind. Das macht deutlich, wie groß die kommende Herausforderung für die Grundschulen ist.“

Für die Haupt- und Werkrealschulen fällt die Vorausberechnung des Statistischen Landesamt wenig erfreulich aus. 46.900 Schülerinnen und Schüler und damit knapp 21.000 weniger als aktuell sieht das Statistische Landesamt für das Jahr 2025/26. Trotz der prognostizierten sinkenden Schülerzahlen tritt der VBE Baden-Württemberg aber dafür ein, an den Haupt- und Werkrealschulen festzuhalten. „Auch weiterhin wird sich eine nicht unerhebliche Zahl von Schülerinnen und Schüler zunächst an Gymnasien und Realschulen versuchen, bevor sie in den Klassen 7 und 8 in die Werkrealschulen kommen“, erläutert Brand.

Mittlerer Abschluss soll weiterhin der häufigste bleiben

In den Realschulen erwarten die Rechner des Statistischen Landesamtes im Jahr 2025/26 216.700 Schülerinnen und Schüler, damit knapp 2.000 mehr als in diesem Schuljahr (214.777). „Wenn es so kommt, würde das einmal mehr zeigen, dass die Realschulen ihrem Auftrag konstant gerecht werden. Der mittlere Abschluss ist aktuell der häufigste und soll den Prognosen zufolge auch weiterhin der häufigste sein“, weist Brand auf die Leistung der Realschulen hin.

Erfreulich sind die Prognosen auch, was die sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) angeht, für deren Erhalt sich der VBE stark gemacht hat. Diese werden auch weiterhin unabdingbar sein. Obwohl damit zu rechnen ist, dass inklusive Settings ausgebaut werden, geht das Statistische Landesamt davon aus, dass rund 50.000 Schülerinnen und Schüler 2025/26 die SBBZ besuchen werden. Das würde einer leichten Zunahme entsprechen. Deshalb, so meint der VBE-Landesvorsitzende, sei es notwendig, die Lehrkräfteversorgung der SBBZ zu verbessern. „Man muss sich bei den SBBZ einer Bedarfsdeckung im Bereich von 110% annähern“, fordert Brand.

66.000 zusätzliche Schülerinnen und Schüler sind in das Schulsystem zu integrieren

Den Gemeinschaftsschulen prophezeit das Statistische Landesamt deutlich steigende Schülerzahlen. Von aktuell 65.116 soll die Zahl bis 2025/26 auf rund 83.100 Schülerinnen und Schüler ansteigen. Der VBE-Landesvorsitzende sieht deswegen Handlungsbedarf: „Wenn das so zutreffen sollten, dann muss man sich über den Ausbau der Gemeinschaftsschulen Gedanken machen. Aufgrund der personalintensiven Arbeit an den Gemeinschaftsschulen muss man sich dann vor allem die Personalsituation sehr genau ansehen. Es kann nicht sein, dass die Kolleginnen und Kollegen permanent über ihre Grenzen hinaus arbeiten müssen.“

Führt man sich die Zahlen noch einmal vor Augen, wird klar, dass besonders die Grundschulen vor einer gewaltigen Herausforderung stehen. Aber auch insgesamt lassen sich 66.000 zusätzliche Schülerinnen und Schüler nicht so einfach in das bestehende System integrieren. Wie hoch der Lehrkräftebedarf allerdings wirklich ist, lässt sich aus den Schülerzahlen allein nicht ablesen. Gerhard Brand erklärt: „Man wird immer unter dem tatsächlichen Bedarf an Lehrkräften liegen, wenn man in der Berechnung des Lehrkräftebedarfs nicht auch zusätzliche Projekte wie beispielsweise den Ausbau des Ganztags oder den Ausbau der Inklusion berücksichtigt.“

Schulart Schuljahr 2017/18 Prognose 2020/21 Prognose 2025/26 Differenz zwischen 2025/26 und 2017/18
Grundschulen 380.401 393.500 431.600 + 51.199
Haupt- und Werkrealschulen 67.889 47.800 46.900 – 20.989
Realschulen 214.777 209.000 216.700 + 1.923
SBBZ 49.659 48.800 50.000 + 341
Gemeinschaftsschulen 65.116 82.300 83.100 + 17.984

Tabelle: Schülerzahlen für das Jahr 2017/18 und prognostizierte Schülerzahlen für die Schuljahre 2020/21 und 2025/26. Angabe jeweils Schülerinnen und Schüler. Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg: https://www.statistik-bw.de/Presse/Pressemitteilungen/2018211

Bild: © Feel good studio – Fotolia.com