Eine hohe Arbeitsbelastung, die Forderung nach kleineren Klassen, einer gerechten Bezahlung und ein desaströses Zeugnis für die Bildungspolitik im Land. So stellt sich die Lage bei den Lehrkräften im Bereich der Grundschule und der Sekundarstufe I dar. Vom 19. bis zum 23. Februar 2024 hat der VBE Baden-Württemberg Lehrkräfte im Primar- und Sekundar-I-Bereich befragt. Die Umfrage verzeichnete eine sehr hohe Rückmeldungsquote (Grundschule: 1.733; Sekundarstufe I: 1.406).
„Die hohe Beteiligung an unserer Umfrage zeigt, dass den Lehrkräften seit einiger Zeit vieles unter den Nägeln brennt und dass es höchste Zeit ist, auf die Sorgen und Nöte der Lehrerinnen und Lehrer vor Ort einzugehen“, sagt der Landesvorsitzende des VBE Baden-Württemberg, Gerhard Brand.
Hohe Arbeitsbelastung in beiden Bereichen
Fast alle Befragten, rund 98 Prozent an den Grundschulen und 99 Prozent an der Sekundarstufe I sagen, dass ihre Arbeitsbelastung eher hoch oder hoch ist. Für den VBE ist damit klar: Die Politik ist gefordert, um gegenzusteuern. Unter den Mehrfachnennungen, wie der Ausfall von Kolleginnen und Kollegen an Schulen aufgefangen wird, war „Mehrarbeit“ mit rund 80 Prozent der Befragten an beiden Schularten die meistgenannte Antwort. „Was sollen Lehrerinnen und Lehrer noch leisten? Die Daten zeigen eindeutig, dass sie entlastet werden müssen. Das Land setzt die Gesundheit der Lehrkräfte aufs Spiel. Entlastung schaffen wir nur durch mehr Lehrkräfte an den Schulen, eine ausreichende Krankheitsreserve und dadurch, den Lehrerinnen und Lehrern mehr Zeit für ihr Kerngeschäft – den Unterricht – zu geben“, betont Brand.
Allgemeine Stimmung der Kollegien an den Schulen
Vor dem Hintergrund der hohen Arbeitsbelastung sagen 63,5 Prozent der Befragten im Grundschulbereich, dass die Stimmung eher gut oder sogar gut ist. Für den Sekundarstufe-I-Bereich sagen dies 46,8 Prozent.
Mehrheit übt den Beruf gerne aus
Trotz der hohen Arbeitsbelastung sagt die Mehrheit (etwa 78 Prozent der Grundschullehrkräfte und 67,4 Prozent der Sekundarstufe-I-Lehrkräfte), dass sie ihren Beruf eher gern oder sehr gern ausüben. „Es zeigt, dass die Lehrerinnen und Lehrer ihren Beruf trotz aller Schwierigkeiten aus Überzeugung ausüben. Aber auch die stärkste Überzeugung kann sich ins Gegenteil verkehren. Bei der Weiterempfehlungsbereitschaft sehen wir, dass die Stimmung gerade kippt“, so Brand. Während noch ein wenig mehr als die Hälfte der Befragten im Grundschulbereich (54 Prozent) ihren Beruf weiterempfehlen würden, würden ca. 60 Prozent der Befragten im Sekundar-I-Bereich ihren Beruf wahrscheinlich nicht oder nicht weiterempfehlen.
Gesellschaftliche Veränderungen
Der VBE hat die Lehrerinnen und Lehrer nach den stärksten Belastungsfaktoren gefragt. Die Heterogenität der Schülerschaft sind für 69 Prozent der Grundschullehrkräfte beziehungsweise 73 Prozent Sekundarstufe-I-Lehrkräfte belastend. Einen sehr ähnlichen Wert erreichen bei den Befragten in der Sekundarstufe I auch Disziplinschwierigkeiten bei Schülerinnen und Schülern.
„Zu große Klassen, eine zunehmend heterogener werdende Schülerschaft bei einem wachsenden Aufgabenfeld der Lehrkräfte – Lehrerinnen und Lehrer haben immer weniger Zeit, auf die Schülerinnen und Schüler einzugehen. Herausforderndes Verhalten wird zum Problem und man muss keine Glaskugel haben, um zu sehen, dass dies nicht gut gehen kann“, sagt Gerhard Brand. Ein Großteil der Befragten an den Grundschulen und der Sekundarstufe I zeigt sich zudem unzufrieden oder eher unzufrieden damit, wie Inklusion an den Schulen umgesetzt wird (etwa 70 Prozent an der Sekundarstufe I und 62 Prozent an den Grundschulen).
Unterstützung und Entlastung
Was ist zu tun, um Lehrkräfte zu unterstützen und zu entlasten? Die Antworten sind eindeutig: Eine echte Krankheitsreserve sowie kleinere Klassen sind für die Befragten im Grundschul- und Sekundar-I-Bereich prioritär. Unter den fünf ersten Antworten finden sich bei beiden Gruppen auch ein geringeres Deputat, beziehungsweise Entbürokratisierung. „Lehrkräfte an den Schulen brauchen wieder Luft zum Atmen – es muss Ruhe ins System kommen und der Beruf muss deutlich an Attraktivität gewinnen“, sagt der VBE-Landesvorsitzende.
Angleichen der Besoldung gewünscht
Mehr als 89 Prozent der Befragten an den Grundschulen und rund zwei Drittel der Befragten der Sekundarstufe I sagen, dass eine höhere Besoldung ihre Arbeitsmotivation steigern würde.
„Baden-Württemberg hat es immer noch nicht geschafft, die Besoldung von Grundschullehrkräften sowie den Bestandslehrkräften an Haupt- und Werkrealschulen anzuheben. Das wäre ein Zeichen der Wertschätzung und Anerkennung für die Arbeit, die dort täglich geleistet wird. A13 für alle Lehrkräfte ist dringend notwendig, bedenkt man, dass andere Bundesländer hier bereits nachgesteuert haben“, erklärt der VBE-Landesvorsitzende.
Schlechte Noten für die Bildungspolitik
Ein schlechtes Zeugnis stellen die Lehrkräfte beider Schulformen der Bildungspolitik der Landesregierung aus: Im Schnitt erhält sie im Grundschulbereich die Note 4,5 und im Sekundar-I-Bereich die Note 4,7. „Die Politik verspielt gerade ihren letzten Kredit bei den Lehrerinnen und Lehrern, die keine Hoffnung mehr auf Verbesserung haben – das Ergebnis ist ein geradezu ernüchterndes Zeugnis“, urteilt Gerhard Brand.
Der VBE fordert:
- Eine wirksame Entlastung der Lehrkräfte und die Bereitstellung der nötigen räumlichen, zeitlichen und personellen Ressourcen.
- Eine bessere Besoldung (A13) für Grundschullehrkräfte und die Bestandslehrkräfte an Haupt- und Werkrealschulen.
- Den flächendeckenden Einsatz von multiprofessionellen Teams.
- Eine angemessene Krankheitsreserve an allen Schulen.
- Eine Verbesserung des Gesundheitsschutzes.
Anlagen:
VBE-Umfrage für Grundschullehrkräfte