Der öffentliche Dienst ist immer als erster von Kürzungen betroffen, wenn der Landeshaushalt sparen muss. Dafür sind die Staatsdiener zum Ausgleich oft die letzten, die bei sprudelnden Steuerquellen Segnungen erfahren, die anderen Bevölkerungsgruppen schon lange zuteil wurden. „Wann, wenn nicht jetzt?“ und „Wer, wenn nicht wir?“ fragten sich die Delegierten des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) bei der Sitzung des Hauptvorstandes des Beamtenbundes Baden-Württemberg in Leinfelden.
Die VBE-Garde nutzte die Gelegenheit anlässlich des Besuches des Staatssekretärs im Innenministerium, Julian Würtenberger, um auf eine Ungerechtigkeit hinzuweisen, die vor allem Fachlehrer, Schulleiter und Gymnasiallehrer an Gemeinschaftsschulen trifft. „Weg mit den Wartezeiten und Besetzungssperren“. Darüber hinaus formulierte der BBW-Vorsitzende, Kai Rosenberger, die drängendsten Probleme im öffentlichen Dienst und gab seiner Enttäuschung darüber Ausdruck, dass im Nachtragshaushalt 2018 für Verbesserungen im öffentlichen Dienst nur geringe Mittel eingestellt sind.
Erwartet hatte man bei der BBW-Landeshauptvorstandsitzung Innenminister Thomas Strobl, gekommen war Staatssekretär Julian Würtenberger, der Amtschef des Innenministeriums. Er stand am 14. November 2018 in Leinfelde-Echterdingen in Vertretung des Innenministers den Delegierten des BBW-Landeshauptvorstands Rede und Antwort und musste zum Teil herbe Kritik hinnehmen, trotz seiner Ankündigung, dass das Thema Besoldung und Beihilfe auf der Agenda für die zweite Hälfte der Legislatur stehe.
Gut eine halbe Stunde hatte Würtenberger in Vertretung des verhinderten Innenministers die Position der Landesregierung vorgetragen und minutiös aufgezählt, welche Wohltaten Grün-Schwarz seit Regierungsübernahme dem öffentlichen Dienst und seinen Beamtinnen und Beamten hat angedeihen lassen, angefangen bei der „vorzeitigen Rücknahme der abgesenkten Eingangsbesoldung“ über den BW-Bonus bei der Anpassung von Besoldung und Versorgung, die Reform des Landesbeamtengesetzes, mit der sich das Land unter anderem „zur Vorkasse bei berechtigten Schmerzensgeldansprüchen verpflichte“, bis hin zum Nachtragshaushalt 2018/2019, der immerhin eine Reihe von zusätzlichen Stellen, 1800 Ausbildungsplätze für die Polizei und fünf Millionen für Mehrarbeit der Polizei beinhalte.
Von Wertschätzung sprach Würtenberger auch, von Wertschätzung für den öffentlichen Dienst und seine Beschäftigten und von den Herausforderungen, die im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung auf alle Bereiche des öffentlichen Dienstes zukommen. Zugleich räumte er ein, wie wichtig eine angemessene Besoldung sei, insbesondere in Zeiten, in denen qualifizierter Nachwuchs immer schwerer zu rekrutieren sei. „Geld ist ein Argument und nicht einmal das schlechteste“, sagte Würtenberger und erklärte auf die bevorstehende Tarifrunde 2019 eingehend, er sei sich sicher, dass ein gutes Ergebnis herauskommen werde, das „für alle vertretbar und erträglich“ ist.
Verhalten Mut machte Würtenberger mit seinem Ausblick auf die zweite Hälfte der Legislatur. Der „absolute Schwerpunkt“ sei beim Thema Besoldung gesetzt. „Bei der Besoldung A 5 bis A 7 müssen wir etwas tun“, versicherte der Amtschef des Innenministeriums. Zudem sprach er von strukturellen Maßnahmen, die man in Angriff nehmen müsse und sagte zudem Unterstützung bei der BBW-Forderung zu, die Beihilfebegrenzung auf 50 Prozent im Versorgungsfall (Pension) für neu eingestellte Beamtinnen und Beamte zurückzunehmen. Hier sei es Zeit sich zu fragen: „Warum hat es keiner nachgemacht?“
Trotz versöhnlichem Ton und der versöhnlichen Ankündigungen Würtenbergers am Ende seiner Ausführungen, reagierte BBW-Chef Kai Rosenberger mit Kritik an der Haltung der grün-schwarzen Landesregierung gegenüber seinen Beamtinnen und Beamten. Insbesondere die Tatsache, dass der öffentliche Dienst aus Sicht des BBW im Nachtragshaushalt 2018/2019 nur bescheiden bedacht wird, rief BBW-Chef Kai Rosenberger auf den Plan. Er warf der Landesregierung vor, „zehn Millionen für Radschnellwege sind ihr offensichtlich wichtiger, als eine verfassungskonforme Besoldung“.
Der Landesvorsitzende des BBW ist nachhaltig enttäuscht, dass die Landesregierung den öffentlichen Dienst und insbesondere die Beamtinnen und Beamten im Nachtragshaushalt 2018/2019 nur unwesentlich berücksichtigt. Und so konfrontierte er den Amtschef des Innenministeriums unumwunden mit seinem Unmut: „Keine unserer Hauptforderungen wurde berücksichtigt“, erklärte er und verwies auf das Volumen des Nachtragshaushalts: 2.400 Millionen Euro seien da. Dennoch habe man den öffentlichen Dienst mal wieder auf der Strecke gelassen und dies, obwohl die grün-rote Vorgängerregierung in einer Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs fünf Jahre lang den Beamtinnen und Beamten ein Sparopfer nach dem anderen zugemutet habe. Statt jetzt das Ruder rumzureißen, investiere Grün-Schwarz 10 Millionen in Radeschnellwege, Geld, das locker ausgereicht hätte, um die Besoldungsgruppen A5 und A6 nach A7 anzuheben, oder aber die Beihilfeverschlechterungen für neu eingestellte Beamtinnen und Beamte zurücknehmen. „Hier hat es an politischem Willen gemangelt“, stellte Rosenberger fest und verwies auf Hamburg und Bayern, wo der öffentliche Dienst offensichtlich einen anderen Stellenwert habe. So habe beispielsweise der Stadtstaat Hamburg, der über weit weniger Geld verfüge als Baden-Württemberg, im öffentlichen Dienst 5000 neue Stellen ausgewiesen und er werde zudem die Kostendämpfungspauschale abschaffen.
Bayern ist schon seit langem spitze, wenn es um Zeichen der Wertschätzung für seine Beamtinnen und Beamte geht. Auch daran har BBW-Chef Rosenberger im Verlauf der Landeshauptvorstandssitzung erinnert und er hat auch darauf hingewiesen, dass dies laut dem Koalitionsvertrag zwischen CSU und Freien Wählern auch in Zukunft so bleiben soll. In diesem Koalitionsvertrag finde sich nämlich nicht nur ein klares Bekenntnis zum Beamtentum, sondern auch die Zusage, dass Bayern bei der Besoldung seiner Beamtinnen und Beamten auch künftig im Ländervergleich an der Spitze bleiben wolle.
Von solcherlei Versprechen können die Beamtinnen und Beamten im Land nur träumen. Hatte Baden-Württemberg einst bei der Besoldung im Länderranking Platz 2 hinter Bayern eingenommen, so gehören diese Zeiten längst der Vergangenheit an. Sachsen ist inzwischen am Südweststaat vorbeigezogen. „Beziehe man die längere Wochenarbeitszeit mit ein, rangieren wir inzwischen bestenfalls noch auf Platz 8“, rechnete Rosenberger dem Amtschef des Innenministeriums vor und gab ihm zugleich ein Bündel an BBW-Forderungen mit auf den Weg.
Zu den vorrangigen Forderungen des BBW gehört die Rücknahme der 41-Stunden-Woche, die in Baden-Württemberg 2006 als Reaktion auf die abschmierende Wirtschaftslage eingeführt wurde. Was damals galt, sei nach elf Jahre Aufschwung infolge längst überholt, erklärte Rosenberger und wiederholte die Forderung seiner Organisation, die Arbeitszeit im Beamtenbereich an die im Tarifbereich geltende Wochenarbeitszeit von 39,5 Stunden anzugleichen. Zugleich erinnerte er daran, dass Freizeit heutzutage die neue Währung sei und somit angemessene Arbeitszeiten zur Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Dienstes beitragen.
Attraktiv für Nachwuchskräfte im Beamtenbereich ist nach Einschätzung des BBW auch die Kombination von Beihilfe und privater Krankenversicherung. Vom Hamburger Modell hält man im Beamtenbund hingegen nichts, nicht zuletzt, weil es, wie BBW-Chef Rosenberger erläuterte, keine echte Wahlmöglichkeit darstelle. Zudem ist man beim BBW davon überzeugt, dass das Hamburger Modell ein Einstieg in die Bürgerversicherung ist, die der BBW ablehnt. Deshalb nahm Rosenberger bei der Landeshauptvorstandssitzung die CDU auch in die Pflicht, die sich im Land bisher, anders als die Bündnisgrünen, die mit einer Bürgerversicherung zumindest liebäugeln, zu dem Nebeneinander von GKV und PKV bekannt hat. Dass dies auch künftig so bleibt, hat Staatssekretär Würtenberger den Delegierten im Saal versichert. Sein Kommentar: „Wir sind mit PKV und Beihilfe gut gefahren. So etwas wirft man nicht über Bord, sondern daran hält man fest.“
Würtenberger hatte sich im Verlauf seines Vortrags wiederholt der Fußballsprache bedient, hatte von Toren gesprochen, die der BBW ins Tor der Landesregierung geschossen habe. Als BBW-Chef Rosenberger den Delegierten das Wort für Fragen an den Amtschef des Innenministeriums übergab, erhielt dieser so manche Retourkutsche, insbesondere aus den Reihen der Lehrerverbände, die insbesondere über zu hohe Deputate und über Knausrigkeit des Kultusministeriums bezüglich außerschulischer Veranstaltungen klagten. Da hieß es dann auch in Richtung Landesregierung: die Abwehr sei löchrig, der Sturm ohne Idee. Staatssekretär Würtenberger nahm es sportlich, erwiderte schmunzelnd, „Sie sprechen sicher vom VfB“ und verließ die Veranstaltung erst nach dem gemeinsamen Mittagessen, wo er sich Zeit zum persönlichen Gespräch genommen hat.