VBE: Rechtschreibmisere am 26.11.2016 in der Liederhalle Stuttgart

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg hatte am Samstag, dem 26. November 2016 gemeinsam mit dem Institut für deutsche Sprache (IDS) und der Stiftung LERNEN zu einer hochkarätigen Bildungsveranstaltung in den Silchersaal der Liederhalle in Stuttgart geladen. Schirmherr dieser Veranstaltung ist Udo Michalik, der Generalsekretär der Kultusministerkonferenz. Die Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann richtete passionierte Grußworte an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Gerhard Brand, Landesvorsitzender des VBE, und Günther Brinek, Kuratorium der Stiftung LERNEN und Herausgeber der Flohkiste/floh!, eröffneten gemeinsam. Brand sagte: „Das Phänomen mangelhafter Rechtschreibung ist nicht gebunden an gesellschaftliche Zuordnungen, an Schultypen oder an den Intellekt des Schreibers oder der Schreiberin. So finden wir Belege für nachlassende Rechtschreibleistungen nicht nur in der Schule, sondern auch in den Universitäten und dort nicht nur bei den Studenten.“

Brand weiter: „Die gesellschaftliche Ächtung einer mangelhaften Rechtschreibung unterbleibt heute, da es zur modernen Verständigung gehört in Versatzstücken zu kommunizieren und jedwede Art von Fehlern zu ignorieren. Dass dabei auch Sachverhalte fälschlich wiedergegeben werden wird billigend in Kauf genommen.“

Der Landesvorsitzende sagt abschließend: „Zwar schreibt man schon reflexhaft der Schule die Schuld für mangelhafte Rechtschreibung zu, aber ich sage es hier ganz deutlich: Der Grund ist eine Verschiebung gesellschaftlicher Wertmaßstäbe und dafür kann Schule nicht verantwortlich gemacht werden! Im Gegenteil: Schule ist oft der letzte Gralswächter in einer Zeit dahinschwindender Werte und Normen. Schule versucht den Kindern anhand von Regeln und Übungen eine korrekte Schreibweise beizubringen und ihnen vor lauter Regeln und Übungen aber die Freude am Schreiben nicht zu nehmen. Ein Spagat, den Lehrerinnen und Lehrer täglich leisten.“

Dr. Ludwig Eckinger fragte in seinem Impulsreferat „ob das Rechtschreiben noch zu retten ist?“, selbst angehörig im Rat für deutsche Rechtschreibung, der nach intensiven Sacherörterungen vier Vorschläge unterbreitete, die zu einer Weiterentwicklung und Verbesserung der Gesamtsituation des Rechtschreibens führen soll:

  1. Lernen und Üben.
  2. Spiralcurriculum
  3. Regelstandards
  4. Lehrerbildung.

Zum Ende seines Impulsreferats sagte Eckinger: „Am besten für das Rechtschreiben wäre es, wenn wir sagen könnten: Rechtschreiben ist nicht so wichtig, aber man muss es können.“

Die Kultusministerin des Landes Baden-Württemberg, Dr. Susanne Eisenmann gab einen kurzen Einblick in ihre ersten Amtsmonate und versprach Ruhe ins Schul-System zu bringen und die Lehrerinnen und Lehrer tatkräftig bei ihrer Arbeit unterstützen zu wollen. Rechtschreibung ist auch ihr ein hohes Anliegen.

Die souveräne Moderatorin des Bildungstags, Nicole Bündtner-Meyer, bat daraufhin zu einer gehaltvollen Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Dr. h.c. Ludwig Eichinger, Direktor des Instituts für deutsche Sprache Mannheim; Stefan Küpper, Diplom-Volkswirt, Geschäftsführer Arbeitgeberverband Südwestmetall; Michael Gomolzig, Grundschulrektor Geradstetten, stv. VBE-Landesvorsitzender; Jorma Sagner, Lehrer Kepler-Werkrealschule Freudenstadt, Lehrbeauftragter Deutsch am Seminar; Günther Brinek, Kuratorium der Stiftung LERNEN und Herausgeber der FLOHKISTE/floh!; Gerhard Brand, Landesvorsitzender des VBE.

Prof. Dr. Jakob Ossner, Sprecher des Expertenteams FLOH-Rechtschreib-Fitness, Leiter der AG Schule im Rat für deutsche Rechtschreibung rundete mit seinem Vortrag und Workshop zur „FLOH-Rechtschrieb-Fitness“ den kurzweiligen Bildungstag, bravourös ab.

Hintergrund:

Die Reform der deutschen Rechtschreibung trat am 1. Juli 1996 in Kraft – sie ist tatsächlich schon zwanzig Jahre alt.  Was Kultusminister und Wissenschaftler in Konferenzen hinter dem Rücken der Öffentlichkeit ausgeheckt hatten, traf nicht immer auf Zustimmung. Ab 2006 war dann ein Kompromiss gefunden.


Sehen Sie hier Impressionen der Bildungsveranstaltung. Bilder: Michael Gomolzig und Michael Gostovic-Storz.