Wir alle sind „The Länd“ – Ein Beitrag für die, die aus dem Staunen nicht mehr herauskommen

Ich hoffe, dass es alle Kolleginnen und Kollegen entschuldigen, wenn ich mich hier nicht in erster Linie mit Corona beschäftige. Schließlich lautet der ursprüngliche Auftrag der Schulen Bildung zu vermitteln. Zumindest war es gefühlt so bis in die 70-er Jahre des letzten Jahrhunderts. Dann kam nach und nach die Erziehung dazu, weil „die Gesellschaft“ immer weniger willens und/oder in der Lage war, die den Familien originär zugedachten Aufgaben wahrzunehmen. Und der VBE war seiner Zeit fast voraus: denn als der Name „Verband Bildung und Erziehung“ kreiert wurde, war die Bildung -meine ich- schon noch vorrangig.

Als dann die Familien merkten, dass die Lehrkräfte mit der Bildung ihrer Kinder nicht genug ausgelastet waren, gaben sie immer mehr Erziehungsaufgaben zuerst an die Schulen ab, dann an die Kommunen. Die Folge? Die vorhandene Unterrichtszeit musste aufgeteilt werden in Bildungsarbeit und Erziehungsarbeit. Wer in Mathematik aufgepasst hat, merkt spätestens jetzt, dass man in dieser neuen Bildungs-„Teil“-Zeit nicht so viel Stoff unterbringen konnte wie in der vorhergehenden Bildungs-„Voll“-Zeit. Seit zwei Jahren nun belästigt uns ein Virus und bis alle klugen Köpfe ihren Senf in Form konträr(st)er Meinungen dazugegeben haben (der ja auch Auswirkungen hat), teilt sich die Unterrichtszeit nun sogar weiter in Unterricht, Erziehung und Hygienezeit. Nichtsdestotrotz meint die Politik, die Schülerinnen und Schüler könnten in der gleichen Unterrichtszeit genau so viel lernen wie vorher. 

Kein Geld war schon immer da

Kommen wir zum Geld, das ja in der Bildungspolitik (k)eine Rolle spielt. Der Bildungshaushalt wurde schon immer auf Schmalspur gehalten. Viele Lehrerstellen gab es in den Haushalten immer nur dann, wenn sie mangels Personen nicht besetzt werden konnten. Ansonsten war angeblich kein Geld da, zumindest nicht für die Bildung. Schmalhans war Küchenmeister in allen Jahren. Nur einmal gab es einen kleinen Lichtblick. 2008 hatte die CDU unter Ministerpräsident Oettinger gemerkt, dass ihr so langsam die politischen Felle davonschwammen. Es wurde für die Bildung ein Sonderprogramm aufgelegt, das mit einer halben Million Euro unterfüttert war. Eines der Ziele war, die Klassenstärken in den Schularten nach und nach zu reduzieren. Und: Das Programm war so angelegt, dass es 2010 erstmals griff, also kein halbes Jahr vor der Landtagswahl, bei der 2011 die Grünen stärkste Fraktion wurden und somit die schwarz-gelbe Regierung von der grün-roten abgelöst wurde. Sofort nach dem Regierungswechsel 2011 wurde das Investitionsprogramm von Grün-Rot zur Ruhe gesetzt, angeblich weil es nicht durchfinanziert war. (Der Finanzminister hieß damals Nils Schmid, SPD) Schlimmer noch: Mit Unterstützung des Rechnungshofes wollte Kretschmann schon im nächsten Haushalt  11 600 Lehrerstellen streichen. Anders könne sein Land die Vorgaben der Schuldenbremse nicht einhalten. Und was hatte er im Wahlkampf versprochen? Einen echten Bildungsaufbruch (kleine Denkpause!)!

Wo aber die Schuldenbremse nicht zum Tragen kam war in der wundersamen Vermehrung neuer Haushaltsstellen in der Regierungs-Verwaltung. Kretschmann: „Mit der Regierungsneubildung werden vorübergehend insgesamt 180 Neustellen in den Ressorts geschaffen.“ Und so kann man es immer weiterverfolgen: Kein Geld ist immer da. Ob es für unsinnige Kampagnen ausgegeben wird (The Länd kostete 21 Millionen) oder für die den Regierungsabsichten zuwiderlaufende Zwecke („De Minischda-Bräsident fährt en Daimler, baschda“), da spielen Investitionen und falsche Anreize plötzlich keine Rolle mehr. Der Beispiele gäbe es noch viele, wie man in den Schwarzbüchern z.B. des Bundes der Steuerzahler nachlesen kann.

Wir haben keine andere Wahl – es braucht deutlich mehr Personal

Und die Schulen und Kitas? Sie warten auf Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher und sie warten auf digitale Infrastruktur, sie warten auf erweiterte kommunale Signale zur Verbesserung der Betreuungs- und sächlichen Infrastruktur. Wie ‚geschätzt‘ das Personal ist, sieht man am jüngsten Ergebnis der Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der Länder, wo die Arbeitgeber nicht einmal den Inflationsausgleich zugestanden haben. Wieder einmal war kein Geld da. Dabei hat (Sorry, jetzt muss ich Corona doch bemühen) die Corona-Krise gezeigt, dass sozusagen über Nacht Millionen und sogar Milliarden aus dem Boden gestampft wurden, die es vorher wegen der Schuldenbremse gar nicht gab. Und es wird auf allen Ebenen weiterinvestiert. Im Juni 2021 finanziert Grün-Schwarz  im baden-württembergischen Nachtragshaushalt weitere 220 Haushaltsstellen für die Ministerien.

Auch die neue Bundesregierung kann es. Am 12. Januar 2022 meldet die Tagesschau: „Die Bundesregierung will weitere 148 neue Stellen in Ministerien und im Kanzleramt schaffen. Damit summieren sich die Planungen von SPD, Grünen und FDP auf 324 weitere Posten. Eine Riesensauerei, so die Union.“ Die Riesensauerei wird bezeichnenderweise immer von der jeweiligen Opposition beklagt. Dabei ist die ‚Riesensauerei‘ ja berechtigt, aber in ganz anderer Weise: Man kann als Regierende egal auf welcher Ebene nicht gleichzeitig im Selbstbedienungsladen aus dem Vollen schöpfen und andererseits die Bediensteten und ihre Arbeitsstätten dahindarben lassen. Entweder gibt es Wein für alle, oder die Regierenden begnügen sich eben auch mit dem Wasser, das die Arbeitskraft des Personals gerade so am Laufen hält.

Wo beginnt gute Bildung? 

Was auch gesagt werden muss: Ich musste schon herzlich lachen, als ich 2021 – mitten in der Corona-Krise(!)- in den Regierungsprogrammen von Grünen und SPD gelesen habe, dass an den Schulen multiprofessionelle Teams eingesetzt werden sollen. In einer Zeit, in der die Millionen zwangsweise in eine ganz andere Richtung fließen mussten. (Ab-) Sicherheitshalber wurde diese Absicht, multiprofessionelle Teams zu installieren, natürlich unter Finanzierungsvorbehalt gesetzt. Somit konnte man sich schon vor der Wahl sicher sein, dass in dieser Legislaturperiode diese Teams nicht mehr zum Einsatz kommen. Leider bezweifle ich auch, dass sie jemals…(pscht!) – Das Land -egal welche Partei gerade die Regierung stellte- war nie bereit, die  ausreichende Anzahl von Personal auszubilden und einzustellen, weder für den absoluten Grundbedarf, noch darüber hinaus. Schon gar nicht für die Lehrerreserve, die in Notfällen einspringen könnte und ansonsten Profil bildende Wirkung für Schulen gehabt hätte. Investitionen in die Bildung fangen eben nicht in der Staatskasse, sondern in den Köpfen der Politiker an!

Josef Klein, Senior Consultant im VBE

Der Autor, Josef Klein, hat Bildungspolitik seit den 1970-er Jahren aktiv miterlebt. Er bekleidete einige  VBE-Ämter im Kreis Waldshut, Schulkreis Lörrach, Landesbezirk Südbaden und im Landesvorstand des VBE Baden-Württemberg. Er durchlief alle Stufen der Personalräte bis zum HPR, wo er 2015 altershalber ausschied. Noch heute forciert er den VBE Baden-Württemberg im Hauptvorstand des BBW-Beamtenbund – Tarifunion.