Der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Gerhard Brand, kritisiert die Politik für ihre mangelnde Initiative gegen Gewalt an Schulen. Zudem seien viele Schulen nicht mit einem Amokalarm ausgestattet, um Schülerinnen und Schüler sowie das Personal im Notfall zu warnen. Er fordert, dass Gewaltvorfälle an Schulen endlich bundesweit und einheitlich erfasst werden.
Brand: „Der VBE begleitet das Thema schon seit geraumer Zeit. Unsere repräsentativen Umfragen, die wir seit 2016 in regelmäßigen Abständen durchführen, bestätigen einen Anstieg der Gewalt an unseren Schulen. Wir sehen allgemein eine Verrohung des Miteinanders und der Umgangsformen. Ebenso sehen wir den Rechtsruck in Teilen der Gesellschaft und die damit verbundene Gewalt als zunehmende Gefahr für unsere Demokratie. All diese gefährlichen Entwicklungen müssen wir in einem gesamtgesellschaftlichen Kraftakt anpacken, anstatt nur auf die Schulen zu zeigen.“
Die Herausforderung betreffe eben nicht nur die Schulen, sondern die gesamte Gesellschaft: „Wir alle müssen Verantwortung für eine angemessene Sprache und Reaktion im täglichen Miteinander übernehmen. Besonders die Coronapandemie hat zu einer Verhärtung der gesellschaftlichen Fronten geführt, die sich immer weiter fortsetze. Nach der Wiedereröffnung der Schulen kam es immer wieder zu Vorfällen, in denen Lehrkräfte und Schulleitungen Opfer von Gewalt wurden. Und das nur, weil sie die staatlich angeordneten Hygienemaßnahmen umsetzten. Damals kam es auch vermehrt zu Übergriffen von Menschen, die in keiner Verbindung zur Schule standen.“
„Es gehört zur Fürsorgepflicht des Dienstherrn, seine Beschäftigten zu schützen“
Der VBE-Vorsitzende fordert: „Die Politik muss entschlossen handeln, statt halbherzig erschrocken zu sein“. Dafür brauche es beispielsweise die Unterstützung multiprofessioneller Teams, um insbesondere dort, wo die Herausforderungen am größten sind, präventiv arbeiten zu können. Die Politik stehe in der Pflicht, sich schützend vor Lehrkräfte und Schulleitungen zu stellen und die Unversehrtheit aller an Schule beteiligten Personen sicherzustellen.
Ein Drittel der Schulleitungen gibt in der VBE-Umfrage an, dass Politik und Schulverwaltung sich des Themas nicht ausreichend annehmen. Besonders bedrückend: Viele Schulleitungen sagen, dass die Meldung von Gewaltvorfällen von den Schulbehörden gar nicht gewünscht sei. „Es gehört zur Fürsorgepflicht des Dienstherrn, seine Beschäftigten zu schützen und derartigen Meldungen nachzugehen. Wenn Vorgesetzte sich der Gewalt gegen Lehrkräfte nicht ausreichend annehmen, ist das in meinen Augen ein Dienstvergehen“, so Brand.
Amokalarm fehlt noch immer an vielen Schulen
Angesichts von Meldungen, wonach es keine aktuellen bundesweiten Zahlen zu Gewaltvorfällen aus den Bundesländern gäbe, ergänzt Brand: „In der aktuellen Debatte zeigt sich einmal mehr, dass die Politik das Ausmaß des Problems gar nicht einschätzen kann. Es fehlt weiterhin an aktuellen und bundesweit erhobenen Zahlen. Hier braucht es dringend bundeseinheitliche statistische Erfassungen, die in regelmäßigen Abständen proaktiv von der Politik veröffentlicht werden.“
Nach jüngsten Ereignissen von Gewalt an Schulen, bei denen sich Personen unbefugt Zutritt verschafften, stehen außerdem fehlende Warnsignale in der Kritik. Der VBE-Vorsitzende dazu: „Der Amokalarm fehlt noch immer an vielen Schulen. Es ist ein Unterschied, ob ein Feuer ausbricht und die Schülerinnen und Schüler sich außerhalb des Schulgebäudes in Sicherheit bringen müssen, oder ob es wie im Falle eines Amokverdachts oder -vorfalls, angeraten ist, im Gebäude zu verbleiben.“
Weitere Infos
Die Landesdaten für Baden-Württemberg der VBE-Studie „Gewalt gegen Lehrkräfte“ finden Sie hier. Weiteres Datenmaterial auf Bundesebene können Sie auf der Internetseite des VBE Bundesverbandes einsehen.