Schulgipfel im Kanzleramt: Absichtserklärungen reichen nicht

Die Bildungsministerinnen und -minister aus Bund und Ländern haben beim gestrigen Schulgipfel im Kanzleramt über die aktuelle Lage der Schulen in der Corona-Krise und die Digitalisierung der Schulen diskutiert. Der VBE begrüßt ausdrücklich, dass alle Lehrkräfte in Deutschland Dienstlaptops erhalten sollen. Der stellvertretende Landesvorsitzende des VBE und Digitalisierungsexperte Oliver Hintzen warnt allerdings vor erheblichen Problemen bei der Umsetzung.

„Die Politik versucht nun im Eiltempo aufzuholen, was sie zuvor jahrelang versäumt hat. Nach dem Schulgipfel soll nun bis Ende des Jahres auf einmal möglich sein, was die letzten zehn Jahre nicht möglich war. Hierzu fehlt es jedoch allein schon an ausreichend lieferbaren Endgeräten auf dem Markt, hinzu kommt der bürokratische Aufwand. Die Bearbeitungszeit für einen Antrag auf Sofortausstattung im Rahmen des Digitalpakts kann mehrere Wochen dauern, dann müssen die Geräte erstmal ausgeschrieben werden und obendrauf kommen nochmal Lieferzeiten, die momentan bei bis zu zwölf Wochen für 25 Tablets liegen“, erläutert Hintzen.

Experten aus der Praxis einbinden

Der VBE als ein Kernmitglied der Digitalisierungsinitiative untermauert seine Forderung nach einem Beirat, bestehend aus Lehrkräften und Schulleitungen, die sich seit Jahren mit der Digitalisierung der Schulen beschäftigen. „Die Experten aus der Praxis müssen bei den weiteren Planungen dringend mit an Bord sein, um sicherzustellen, dass das Geld zielführend eingesetzt wird. Es darf nicht sein, dass wir jetzt überhastet Geräte kaufen, die in drei Jahren nicht mehr zu gebrauchen sind. Es ist zudem zu klären, wie der Support der Lehrkräfte im technischen Umgang mit den Geräten ablaufen soll und was mit kaputten Geräten passiert“, so Hintzen.

Schulgipfel war kein Schubgipfel

„Der große Wurf ist ausgeblieben. Der Fokus lag auf Digitalisierung; das Thema Hygienekonzept wird ausführlich erst Mittwoch behandelt. Sechs Monate nach den ersten Schulschließungen befinden wir uns noch immer im Stadium der Absichtserklärungen. Lehrkräfte und Schulleitungen stehen im Fokus der Erwartungen von Eltern, Schülerinnen und Schülern. Sie haben aber weder digitale Endgeräte noch Fortbildungen.  Und sie haben keine Zeit, um Anträge zu schreiben oder sich in das komplizierte Antragsverfahren für die Digitalpaktmittel einzulesen. Wer Geschwindigkeit will, muss Hürden rausnehmen“, fordert Hintzen.

Nach dem Gespräch der Bundeskanzlerin Merkel und der SPD-Vorsitzenden Esken mit der Bundesbildungsministerin Karliczek und allen Kultusministerinnen und –ministern hatte die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) gestern eine Erklärung abgegeben, die den Fokus auf Digitalisierung an Schule hatte. Hintzen zeigt sich ernüchtert: „Was komplett fehlte gestern, war ein Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung. Die Diskussion um Schule ist defizitorientiert. Die Leistung der Schulleitungen und Lehrkräfte wird dabei nicht ausreichend gewürdigt. Die Schulleitungen arbeiten permanent mit dem Gesundheitsamt zusammen, leiden unter dem Lehrkräftemangel und organisieren einen Neustart mit stetig wechselnden Organisationsbedingungen. Viele Lehrkräfte laufen auf dem Zahnfleisch. Sie kontrollieren neben ihren Aufgaben des Bildens und Erziehens die Einhaltung der Hygieneregelungen. Sie begleiten Kinder aus Risikogruppen digital und sollen Elternabende unter Pandemiebedingungen ausrichten. Dabei sind sie selbst einem nicht unwesentlichen Risiko ausgesetzt, da in Schulen ja keine Abstandsregelungen gelten. Es werden aber auch keine alternativen Schutzmaßnahmen außer Gruppenbildung und Stoßlüften ergriffen. Wir sind sehr gespannt, was am Mittwoch bei dem Expertengespräch mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft und Praxis besprochen wird.“