Die Ergebnisse des nationalen Bildungsberichtes kommentiert Gerhard Brand, stellvertretender Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), wie folgt:
„Wir begrüßen durchaus, dass der Bildungsbericht die bestehenden Herausforderungen des Schulsystems heute klar benannt hat. Dass die Schulen seit Jahren unter einem erheblichen Lehrkräftemangel leiden und das Schulsystem auf Kante genäht ist, ist nichts Neues. Es rächt sich jeden Tag mehr, dass die Politik jahrelang versucht hat, die Situation zu beschönigen. Wie groß der zu erwartende Mangel an Lehrkräften tatsächlich ist, hat die vom VBE in Auftrag gegebene und von Prof. Klemm durchgeführte Expertise gezeigt. Hiernach werden im Jahr 2035 über 127.000 Lehrkräfte fehlen. Und dies bei konservativer Berechnung und ohne die im Koalitionsvertrag verankerten pädagogischen Reformmaßnahmen. Bei Umsetzung von Ganztag, Inklusion und Unterstützung von Kindern in herausfordernden sozialen Lagen, ergibt sich eine Lücke von 158.700 Lehrkräften. Besonders im Ganztag können bereits jetzt die Kapazitäten den Bedarf nicht mehr decken. Auch dies hat der nationale Bildungsbericht gezeigt.“
„Es reicht es nicht mehr aus, an den Symptomen zu kurieren“
„Wenn die Politik nicht endlich Antworten liefert, dann bricht das Kartenhaus Schule zusammen. Der Bildungsbericht zeigt einmal mehr: Es braucht dringend neue Lehrkräfte. Das Potenzial an Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern ist, ebenso wie die Gewinnung von Pensionisten, weitgehend ausgereizt. Ähnliches gilt für die Kapazitäten, die durch Appelle an teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte, sie mögen ihr Stundendeputat erhöhen, aktiviert wurden. All dies ist nur Stückwerk und kaschiert die Hilflosigkeit der politischen Verantwortungsträger. In dieser Frage reicht es nicht mehr aus, weiterhin an den Symptomen zu kurieren, sondern es muss endlich eine bundesweite Fachkräfteoffensive erfolgen, die kurzfristige, mittelfristige und langfristige Perspektiven zur Beseitigung des Lehrkräftemangels aufzeigt. Wenn Ministerin Prien hier davon spricht, dass es in diesem Prozess keine Denkverbote geben dürfe, kann ich nur entgegnen: Wir dürfen die Qualität der Lehrkräfteausbildung nicht weiter aushöhlen. Auch eine verstärkte Digitalisierung der Schulen darf nicht zu dem Trugschluss führen, der Personalbedarf würde dadurch geringer.“
„Massive, nie dagewesene Investitionen nötig“
„Wer mal soeben, wie die Co-Vorsitzende der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission, Frau Prof. Thiel, als Lösung vorschlägt, die Größe der Lerngruppen um einen Schüler zu erhöhen, hat wohl übersehen, dass viele Schulen nicht zuletzt durch die aktuelle Fluchtbewegung aus der Ukraine ihr Limit längst überschritten haben. Zudem hat die Heterogenität in den Lerngruppen massiv zugenommen – Stichwort Inklusion! Was wir dringend brauchen sind kleinere Lerngruppen, wenn der Anspruch auf individuelle Förderung nicht weiter zur Worthülse verkommen und die gesundheitliche Überbelastung der im System befindlichen Kolleginnen und Kollegen nicht zu einer weiteren Reduzierung des Personalangebots führen soll. Ohne massive, nie dagewesene Investitionen in das Bildungssystem, wird sich das Problem nicht lösen lassen. Ein Sondervermögen Bildung, das in einer Verantwortungsgemeinschaft aus Bund, Ländern und Kommunen verwaltet werden soll, ist mehr als überfällig.“