Stuttgart.
Rund sechs Arbeitswochen vor dem Schuljahresende und den Zeugnissen fängt für Schüler mit schlechteren Zensuren das große Zittern an, ob die Noten für eine Versetzung ausreichen. Trotz dieser für viele sicher berechtigten Sorge warnt der Verband Bildung und Erziehung (VBE) davor, alles Lernen lediglich nach Zeugnissen auszurichten. Eine umfassende Bildung beinhaltet mehr, als gute Klassenarbeitsnoten einzusammeln.
„Leider geht es heute immer weniger um Lern- und Bildungsinhalte als vielmehr um Punkte, Zensuren, Zertifikate und von Computern errechnete Rankinglisten“, bedauert der VBE-Sprecher die ungute gesellschaftliche Entwicklung.
Die meisten Schüler lernen nach dem Motto: In möglichst kurzer Zeit möglichst viel Stoff aufnehmen, diesen „zwischenspeichern“, möglichst präzise in der Klassenarbeit wiedergeben, dadurch gute Noten einheimsen und danach das Gelernte als unnötigen Ballast rasch wieder vergessen. Eine solche zweckoptimierte Vorgehensweise leistet weder einen Beitrag für das geistige Durchdringen eines Fachgebietes noch für vernetztes Forschen.
Am Ende der Grundschulzeit sollten alle Kinder die Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen sicher beherrschen. Für den schulischen Erfolg entscheidend ist dabei das Lernen mit allen Sinnen, also mit Kopf, Herz und Hand. Das ist keine neumodische Erkenntnis, sondern ein methodischer Ansatz, den der Schweizer Pädagoge Pestalozzi schon vor 200 Jahren praktiziert hat. Schüler lernen im Unterricht vor allem durch eigenständiges, praktisches Tun. Sie erfassen dabei Regeln des Lernens, erkennen eigene Stärken und Schwächen, planen und steuern Lernprozesse und überprüfen die Ergebnisse. Dabei lernen die Schüler nicht für Noten, sondern in erster Linie für sich selbst.
Zu einer guten Lernkultur gehört ein entsprechend sensibler Umgang mit Fehlern. Wenn Kinder und Jugendliche ständig Angst vor schlechten Noten haben müssen und glauben, bestimmte Aufgaben nicht bewältigen zu können, bleiben Neugier, Experimentier- und Lernfreude auf der Strecke. „Schüler müssen Fehler machen dürfen“, unterstreicht der VBE-Sprecher. Damit Kinder und Jugendliche individuell gefördert werden können, benötigen Lehrer für jeden einzelnen Schüler sehr viel Zeit. „Deshalb sind deutlich kleinere Klassen und Lerngruppen zwingend notwendig und kein Luxus“, so der VBE-Sprecher.
29.05.2011