Schulentwicklung darf nicht wie Schadstoffmessung bei Autos gehen
Stuttgart. Seit dreieinhalb Jahren verändert die grün-rote Landesregierung die Bildungslandschaft in hohem Tempo und großem Umfang. Alle Lehrer müssen das umsetzen, was sich die Regierung vorgenommen hat. Diese ständigen Veränderungen lassen die Schulen kaum noch zur Ruhe kommen, beklagt der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg anlässlich des 21. Weltlehrertages.
Anlässlich des Weltlehrertages am 5. Oktober weist VBE-Vorsitzender Gerhard Brand auf die zunehmende Belastung der Lehrkräfte hin. Die Klage, dass Schule Lehrer krank machen könne, stimmten nicht etwa sensible, pädagogische Weicheier an, sondern sei durch diverse Untersuchungen unabhängiger Wissenschaftler empirisch nachgewiesen. Gerade die engagierteren Lehrer erwische es am heftigsten, so die Studien.
Was früher Aufgabe der Familie und des sozialen Umfelds war, wird heute bedenkenlos den Lehrern aufgebürdet. Obendrein sollen sich Schulen weiterentwickeln in Richtung Ganztagesschule, Gemeinschaftsschule, inklusive Schule, neuer Bildungsplan; … und dann noch Flüchtlingskinder. „Lehrer müssen und können Schulen voranbringen. Sie wollen gemeinsam aufbrechen, aber nicht zusammenbrechen“, warnt der VBE-Chef.
Schulentwicklung nach den Plänen der Landesregierung funktioniert ähnlich wie die Schadstoffmessung in der Autoindustrie: unter optimierten Laborbedingungen bekommt man die geforderten Ergebnisse hin. Der Autokonzern schickt ein Rudel Ingenieure in die USA, die minimieren den Gleitwiderstand des Rollenprüfstandes und streicheln das Motorsteuergerät, bis die gewünschten Werte erreicht sind. Der VBE vermisst das Rudel an Lehrkräften, welches uns die Landesregierung schicken könnte, um die Bedingungen an den Schulen zu optimieren. Stattdessen bekommt die Kollegin in einer kombinierten Klasse vier Inklusionskinder zusätzlich und die Sonderpädagogin aus dem Förderbereich, die zur Doppelbesetzung vorgesehen war, kommt nicht, weil sie längerfristig erkrankt ist. „Die Frage nach einer Krankheitsstellvertretung für eine erkrankte Sonderschullehrkraft löst, je nach persönlicher Disposition, Reaktionen hervor, die von Schnappatmung bis hin zu einem ungläubigen Lächeln gehen“, schildert der VBE-Vorsitzende realen Schulalltag, „ein Lächeln, das dem Schulleiter in Not signalisiert: Was bist du doch für ein verträumter Bildungsromantiker – fern der Wirklichkeit. Denn es gibt keine Vertretungslehrkraft für die eigentlich notwendige Doppelbesetzung.“
Dennoch singt die Landesregierung – nicht nur am Weltlehrertag – das hohe Lied des Bildungsaufbruchs sowie des Schulerfolgs unabhängig von der sozialen Herkunft und vergisst dabei völlig die Fürsorgepflicht und den Gesundheitsschutz für die Pädagogen.