Stuttgart. „Die Bewertung schulischer Leistungen in Zeugnissen kann niemals der ganzen Schülerpersönlichkeit gerecht werden – ganz gleich, ob diese als reine Ziffernnote oder als ausführliche verbale Beurteilung erfolgt“, sagt Gerhard Brand, Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg. Ein Schüler sei mehr als die Summe seiner Zeugnisnoten.
Eine Zeugnisnote setzt sich aus verschiedenen Zensuren zusammen, die besonders im Fach Deutsch sehr viele Bereiche abdecken. Gab es früher in Deutsch noch fünf einzeln im Zeugnis ausgewiesene Noten für Lesen, Aufsatz, Sprachkunde, Rechtschreiben und Schrift sowie zwei Zensuren in Mathematik für Rechnen und Raumlehre, so geht der Trend heute zu Fächerverbünden. Da werden Unterrichtsfächer wie Musik, Sport und Bildende Kunst, die eigentlich nicht viel direkt miteinander zu tun haben, zu einem Konstrukt „MSG“ (Musik-Sport-Gestalten) verschweißt und die jeweiligen Leistungen mit einer Gesamtnote gewürdigt.
„Die Bewertung schulischer Leistungen ist grundsätzlich keine rein arithmetische, sondern immer auch eine pädagogische“, versichert der VBE-Chef. Lehrer machten es sich bei der Notenfindung nicht einfach; nicht nur an Gemeinschaftsschulen berücksichtigten die Pädagogen individuelle Lernfortschritte der Schüler. Die berühmt-berüchtigte „Gauß`sche Normalverteilungskurve“ sei nicht das Maß aller Dinge und keine Richtschnur für die Leistungsbewertung, so Brand.
Ein “Versagen“ des Schülers in der Schule hat stets verschiedene Ursachen. Nicht immer sind Faulheit oder Gleichgültigkeit der Grund für schlechte Leistungen. Auch Krankheit, seelische Nöte oder eine ständige Überforderung durch die falsche Schulwahl spielen häufig eine Rolle.
Nach dem Wegfall der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung machten sich etliche Schüler auf den Weg in eine Schule, der sie leistungsmäßig (noch) nicht gewachsen sind. „Obendrein würden an den meisten Schulen viel zu wenig Stütz- und Förderstunden angeboten, weil die entsprechende Lehrerzuweisung fehlt“, moniert der VBE-Chef, „und nicht alle Familien können und wollen sich teuren privaten Nachhilfeunterricht leisten.“ Trotz allem rät Brand bei den Zeugnissen zu mehr Gelassenheit.