Nicht die Schülerzahl macht Sorge, sondern die Begehrlichkeiten anderer
Stuttgart. 429 öffentliche und 65 private Realschulen gibt es in Baden-Württemberg. Seitdem die grün-rote Landesregierung auf die Gemeinschaftsschule setzt, fürchten bestehende Realschulen eine „feindliche Übernahme“ durch die neue Schulart, weiß der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg. Unter den landesweit 120 Anträgen auf Einrichtung einer Gemeinschaftsschule im neuen Schuljahr sind nach Angaben des Kultusministeriums lediglich vier Realschulen. Das Verlangen nach der neuen Schulart scheint bei den Realschulen nicht sonderlich ausgeprägt zu sein.
Obwohl die Realschulen eher zu viel als zu wenig Schüler haben, geht doch die Angst in den Kollegien um, dass der Bestand der Schule gefährdet sein könnte. Grund dafür ist die Hartnäckigkeit, mit der das Kultusministerium versucht, den Realschulen ein Aufgehen in der „Gemeinschaftsschule“ schmackhaft zu machen. „Wenn man jetzt von Seiten der Landesregierung die Realschulen zu der neuen Schulart zu sehr drängt, tut das der Realschule, den Lehrern, Schülern und Eltern nicht gut”, sagt der VBE-Sprecher und verweist auf die alte Wikingerweisheit: „Wirf deinen alten Eimer niemals weg, bevor du nicht weißt, ob der neue wirklich dicht ist.“
„Wir fühlen uns in unserer Arbeit nicht mehr wertgeschätzt“, so eine Realschullehrerin aus Mannheim. Es sei frustrierend, „wenn der oberste Dienstherr eine Schulart mit rund 500 Standorten, 14.000 Lehrkräften und 240.000 Schülern zum Auslaufmodell erklärt, obwohl diese Schulen hervorragend arbeiten und dem Land verlässlich leistungsstarke und leistungsbereite Absolventen bescheren.“
Durch den Wegfall der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung hat die Realschule Schüler hinzugewonnen, ist die Vielfalt an Schülerpersönlichkeiten größer geworden. „Dieser Herausforderung haben sich die Realschulen gestellt“, versichert der VBE-Sprecher.
Der VBE will nicht die Abwicklung der Realschule, sondern deren Stärkung durch den Ausbau des Wahlpflichtbereiches, eine Überarbeitung der Konzeption der Fächer, die Hervorhebung des typischen Profils dieser Schulart, eine zeitliche Entlastung der Kollegien und Schulleitungen, zusätzliche Lehrerstunden und Pädagogische Assistenten, die es bisher nur an Grund- und an Werkrealschulen gibt, sowie die Erweiterung der Realschule um zwei Jahrgangsstufen mit der Möglichkeit, dort die Fachhochschulreife zu erwerben (R8) und eine verstärkte Vernetzung mit den beruflichen Gymnasien.