Viele Fragen statt linearer, publizistischer Antworten.

Uschi Mittag, VBE-Referat Sonderschulen
Uschi Mittag, VBE-Referat Sonderschulen

Inklusive Beschulung wirft sehr viele Fragen auf. Lineare Antworten können nicht gegeben werden. Es geht dem Referat primär darum, pragmatische Wege der Umsetzung zu etablieren, die alle Kinder im Focus behalten und ihre möglichst optimale Förderung sichern.

Folgende Fragen müssen dabei reflektiert werden:

Welche Verbindlichkeiten gibt es bei der Schulwahl (noch)?

Welche Rechte haben Eltern behinderter und Eltern nicht-behinderter Kinder?

Welche Verantwortung und damit Pflichten hat die Landesregierung gegenüber der Schulverwaltung, die die Schulen beraten, begleiten, mit Ressourcen ausstatten muss?

Welche Pflichten hat der Schulträger?

Welche Verbindlichkeiten gehen die Schulen ein, wenn sie inklusiv arbeiten?

Wer garantiert, dass regelmäßig und objektiv evaluiert wird, wie die Leistungsentwicklung aller Kinder verläuft?

Kann man von Schulen realistischerweise verlangen, dass sich das Kollegium innerhalb eines Jahres so weit fortbildet, dass sie Kinder inklusiv beschulen können?

Wie soll das möglich sein?

Welche Fortbildungen müssen dafür angeboten und verbindlich besucht werden?

Wer überprüft dabei die Entscheidungsträger?

Zählt Ideologie mehr als pragmatisches Denken und die Sicht auf das einzelne Kind? Theorie mehr als Erfahrungen aus der Praxis?

Reicht ein Sonderschullehrer aus, um ein Berufsschulzentrum von mehr als 1400 Schülerinnen und Schülern sonderpädagogisch zu betreuen?

Können Gemeinschaftsschulen Schüler mit Anspruch auf ein Sonderpädagogisches Bildungsangebot ablehnen?

Von wem erhält der Sonderschullehrer Unterstützung, wenn er Schülerinnen und Schüler fördern muss, für deren Behinderungsart er nicht ausgebildet wurde?

Wie kann man verhindern, dass bei uns Verhältnisse wie in Hamburg, Berlin oder NRW um sich greifen? ( Schließen von Förderschulen, Mindestgrößenfestsetzung für SOS, fehlende Lehrkräfte…)

Wer garantiert, dass Sonderschullehrer, die inklusiv arbeiten, ausschließlich zur Erfüllung sonderpädagogischer Aufgabenbereiche an den Regelschulen eingesetzt werden?

Wer garantiert den inklusiv beschulten Kindern, dass sie dauerhaft an der Regelschule bleiben dürfen?

Wer überprüft, ob alle Kinder gleichberechtigt am Unterricht teilhaben können und ob alle die ihnen zustehende Förderung erhalten?

Was geschieht in inklusiven Klassen, wenn der Sonderschullehrer oder der Klassenlehrer ausfällt?

Woher sollen die notwendigen Sonderschullehrer kommen?(Wir haben in BW schon lange den Mangel verwaltet. Die Sonderschulen waren selten zu 100% versorgt, nicht selten bis zu 50% mit GHS-Lehrkräften!)

Mit welchen zeitlichen Ressourcen soll die Schulverwaltung bei ständigem Personalabbau die inklusiven Kinder gut begleiten, immer mehr inklusive Beschulungsmöglichkeiten einrichten, Eltern professionell beraten und für jedes Kind Bildungswegekonferenzen durchführen?

Wie soll der erhöhte Ressourcenbedarf – sowohl der Lehrkräfte als auch der Schulverwaltung – dauerhaft finanziert werden?

Wie werden die Deputate verändert, um dem erhöhten Beratungsbedarf und den ständig wachsenden Aufgabenfeldern (Inklusion, Informationsabende, zusätzliche Teambesprechungen, Weiterbildungen, Ausweitung der Frühförderung auf 0-3-jährige) gerecht werden zu können? Alles wie gehabt? Alles zusätzlich?

Wann werden die Verantwortlichkeiten der verschiedenen Leistungs- und Kostenträger (Schule / Jugendämter / Eingliederungshilfe / Krankenkasse / Schulträger) eindeutig geregelt sein, um den Kindern die notwendigen Hilfen garantieren zu können?

Fragen über Fragen – weit und breit keine zufriedenstellenden Antworten. Ich frage mich, wohin das führen soll? Dies hat nichts damit zu tun, ob man Inklusion positiv oder negativ gegenübersteht. Es sind Fragen, die die Kollegien umtreiben, die vor Ort in der Verantwortung stehen und die permanent – trotz übermäßigem Einsatz – an ihre Grenzen stoßen.

Krankmachende Arbeitsbedingungen kann sich Baden-Württemberg dauerhaft nicht leisten, genausowenig wie sinkende Leistungsergebnisse der Schülerinnen und Schüler als Resultat nicht geklärter und damit nicht gesicherter Rahmenbedingungen.

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