Stuttgart. Den Vorsitzenden des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg, Gerhard Brand, erschreckt die Heftigkeit, mit der Befürworter und Gegner die Ergänzungen in den Leitprinzipien des neuen Bildungsplanes zum Umgang mit sexueller Vielfalt angegangen sind. Brand mahnt eine Versachlichung der Diskussion an und ruft zu mehr Besonnenheit auf – in beiden Lagern.
„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“, heißt es im Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. Jetzt soll im neuen Bildungsplan des Landes Baden-Württemberg noch die sexuelle Vielfalt dazu kommen, die in der Wirklichkeit des rauen Alltags immer wieder auch zu Ausgrenzungen führt. „Du bist echt voll schwul“, ist ein leichtfertig abgegebenes Urteil über Mitschüler, oft ohne die Bedeutung der Aussage wirklich verstanden zu haben. „Insofern ist das Anliegen der grün-roten Landesregierung vom Ansatz her durchaus nachvollziehbar“, sagt Brand.
LSBTTIQ ist das Landesnetzwerk von lesbischen-schwulen-bisexuellen-transsexuellen-transgender-intersexuellen und queeren Gruppen, Vereinen und Initiativen. Auf diese sexuelle Vielfalt soll im kommenden Bildungsplan stärker eingegangen werden, als dies bislang der Fall war. Eine Internet-Petition mit bisher weit über 100.000 Unterschriften wendet sich gegen diese Absicht des Kultusministeriums. Mit starken und deutlichen Worten treffen die Kommentare ein. „In einer Heftigkeit, die einen glauben lässt, es herrsche Krieg zwischen den Befürwortern und den Gegnern der Internet-Petition“, so der VBE-Landeschef. Der Leittext in der Vorlage des Bildungsplans lese sich vernünftig. Es komme nun darauf an, was man daraus mache. „Was folgt in den Konkretisierungen?“ fragt Brand.
Die aktuelle Diskussion im Vorfeld sei wichtig, so der VBE-Vorsitzende, denn sie zeige die Spannbreite auf, in der diese Thematik diskutiert werde. Für den VBE stellt sich nicht die Frage, ob sexuelle Vielfalt ein Thema für die Schule ist, denn in der Gesellschaft ist sie schon lange angekommen. Schule muss diese Realität aufgreifen und abbilden. Brand: „Ich frage mich aber, bis in welche Tiefe die Verschiedenheiten sexueller Vielfalt eine Verortung in der Schule finden müssen. Und ich frage mich, ob man den Kindern nicht ein wenig Zeit lassen kann, bis sie so weit sind, um mit dem Thema Sexualität in dieser Intention in Berührung gebracht zu werden. Ich frage mich, ob wir bei der Debatte auch daran denken, dass es primär das Recht der Eltern ist, ihren Kindern die Welt zu erklären. Und denken wir auch daran, dass wir Eltern und Kinder verschiedener Glaubensrichtungen haben?“
Der VBE-Vorsitzende fasst zusammen: „Ich wünsche mir Besonnenheit und Umsicht. Ich wünsche mir eine sachlich faire Diskussion, bei der Befürworter und Gegner Respekt im gegenseitigen Umgang miteinander erkennen lassen. Man kann nicht auf der einen Seite Toleranz für diejenigen einfordern, die nicht in das landläufig übliche Familienbild eingeordnet werden können, aber gleichzeitig Menschen, die eine andere Meinung zu den Lebensvorstellungen des Landesnetzwerks LBSTTIQ haben, als Weltfremde oder Fundamentalisten ausgrenzen. „Dadurch wird man unglaubwürdig“, so Brand.