Stuttgart/Wiesloch. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg möchte die Kultusministerin gegenüber den Begehrlichkeiten der Finanzpolitik mehr gestärkt wissen, damit deren bildungspolitischen Vorhaben mit Unterstützung der Lehrerschaft durchgeführt werden können. Nur wenn man den Schulen ausreichende Lehrerstellen lässt und den Pädagogen die notwendige Unterstützung und Zeit gewährt, können Reformen auf Dauer erfolgreich umgesetzt werden.
Auf die Lehrerschaft warten gewaltige Aufgaben: Selbst- und Fremdevaluation laufen bereits an den Schulen, neue Bildungspläne werden vorbereitet. Mehr individuelles Lernen der Schüler erfordert ein Mehr an qualitativ hochwertiger Lehrerfortbildung. Zusätzliche Ganztagesgrund- und Gemeinschaftsschulen sowie Inklusion sind eine gewaltige Herkulesaufgabe, die eine intensive Basisarbeit in der Fläche nach sich zieht. Die regionale Schulentwicklung – für manche Kommunen ein schmerzhafter Prozess – steckt noch in den Kinderschuhen. Obendrein will die Landesregierung massiv Lehrerstellen abbauen und bei den Junglehrern weitere Sparmaßnahmen durchdrücken.
Gleichzeitig schwappen immer mehr gesellschaftliche Probleme in die Schulen wie Essstörungen, Suchtverhalten, Mobbing, Ausgrenzungen, Intoleranz und Gewaltbereitschaft.
Gute Schulen sind keine Privatangelegenheit der Lehrerinnen und Lehrer, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die auch gemeinsam finanziert werden muss. Die Empörung an den Schulen über die Sparmaßnahmen ist deshalb so groß, weil alle wissen, dass das Bildungswesen vor gewaltigen Herausforderungen steht. Diese bildungspolitischen Herausforderungen sollte die Kultusministerin dem Ministerpräsidenten und Finanzminister mit belastbarem Zahlmaterial untermauert verständlich machen, bevor die Landesregierung aus rein fiskalischen Gesichtspunkten mit dem Rasenmäher alle zarten Reformpflänzchen rigoros zurückstutzt und damit auch die Kultusministerin schwächt. Der Stuhl jedes Kultusministers ist ein Schleudersitz, denn der Amtsinhaber steht stets im Fokus der zum Teil gegensätzlichen Interessen anderer Politiker, aufmerksamer Schülereltern, aller Lehrer, der Wirtschaft und einer äußerst kritischen Öffentlichkeit. Deshalb muss die Kultusministerin Stärke mit stichhaltigen Argumenten zeigen. Ein charmantes Lächeln hilft wenig bei verbalem Dauerbeschuss.
30. September 2012