VBE: Halbjahreszeugnisse bei Fünftklässlern besonders spannend – Schularten waren zum ersten Mal frei wählbar

Stuttgart. Mit einer gewissen Spannung schauen Schüler, Eltern und Lehrer auf die Halb­jahresinformationen der neuen Fünftklässler. Zum ersten Mal konnten Eltern für ihr Kind die Schulart frei wählen, weil die Grundschulempfehlung in Klasse vier nicht mehr ein verpflichtender „Marschbefehl“, sondern eine echte Empfehlung war. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) wird sehr genau beobachten, ob sich Kinder mit schwächeren Leistungen von der gewählten Schulart verabschie­den müssen oder ob sie dort bis zu einem Abschluss gefördert werden. Das gehe jedoch nicht ohne zusätzliche Lehrerstunden, moniert der VBE-Sprecher.

VBE Pressesprecher Michael Gomolzig

Michael Gomolzig, Sprecher des VBE

Zwischen dem 1. und 10. Februar werden an den Schulen des Landes die Zwischen­zeugnisse, die sogenannten Halbjahresinformationen ausgegeben. Die werden dieses Jahr besonders für die neuen Fünftklässler interessant sein, die trotz einer anders lau­tenden Bildungsempfehlung von ihren Eltern an einer Realschule oder an einem Gym­nasium angemeldet worden sind. Im Realschulbereich haben 23 Prozent der Fünft­klässler lediglich eine Hauptschulempfehlung. In die fünfte Klasse des Gymnasiums gehen 10 Prozent (oder 4159 Schüler) mit einer Realschulempfehlung, ein Prozent hat sogar nur eine Empfehlung für die Hauptschule, das sind immerhin über 400 Schüler.

Durch den Wegfall der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung konnten Eltern die Schulart für ihr Kind selbst wählen, auch gegen den Rat des Grundschulkollegi­ums, wenn etwa die Noten in Deutsch und Mathematik dagegen sprachen. Zeugnisse mussten nicht vorgelegt werden, Aufnahmeprüfungen oder eine Probezeit gab es nicht.

„Es bleibt abzuwarten“, so der VBE-Sprecher, „ob bei schwachen Schulleistungen die Eltern das Kind schon jetzt von der Schule nehmen oder auf das Prinzip Hoffnung setzen, gegebenenfalls die Nichtversetzung am Schuljahresende mit einkalkulieren und den am Schulsystem gescheiterten Fünftklässler vielleicht sogar einen zweiten Versuch an derselben Schulart starten lassen. Erst bei einem wiederholten Sitzenbleiben müsste der Schüler die Schule zwangsweise wechseln, würde „abgeschult“ werden. In einer Gemeinschaftsschule dagegen bleibt kein Schüler mehr sitzen.

Die größere Vielfalt der Schülerpersönlichkeiten an den Realschulen bedingt einen höheren Förderbedarf und sollte zu einer besseren Versorgung mit Lehrerstunden füh­ren. Der Klassenteiler von derzeit 30 Schülern muss umgehend dem der Gemein­schaftsschule mit höchstens 28 Lernenden pro Lerngruppe angepasst werden.

3. Februar 2013

VBE warnt vor einer zu starken Verkopfung der Schule

Bei den Halbjahresinformationen den Fokus nicht nur auf Hauptfächer richten

Stuttgart. Anlässlich der Halbjahresinformationen, die an den Schulen in den ersten Februartagen ausgegeben werden, warnt der Verband Bildung und Erzie­hung (VBE) Baden-Württemberg vor einer zu einseitigen Bevorzugung der auf den Kopf ausgerichteten schulischen Arbeit. Eltern und Lehrer sollten bei der Gewichtung und Würdigung von Schülerleistungen weg von einer zu starken Fokussierung auf die Hauptfächer Deutsch, Mathematik und Fremdsprache(n). Musisch-künstlerische Unterrichtsfächer und Schulsport seien kein schmückendes Beiwerk, sondern für eine positive Entwicklung der Schülerpersönlichkeiten gleichfalls notwendig, warnt der VBE-Spre­cher vor einer Abwertung dieser sogenannten „Nebenfächer“.

VBE Pressesprecher Michael Gomolzig

Michael Gomolzig, Sprecher des VBE

Unterrichtsfächer, die zumindest gefühlsmäßig für das schulische und berufliche „Weiterkommen“ nicht ausschlaggebend sind, werden immer mehr an den Rand gedrängt und verlieren weiter an Bedeutung. So seien die musisch-ästhetische Erziehung und der Schulsport heute oft ungeliebte Kinder, bemängelt der VBE-Sprecher. Deshalb warnt der Lehrerverband vor einer zu starken „Verkopfung“ schulischen Arbeitens. Da auch Eltern mehr denn je auf die „Verwertbarkeit“ der Unterrichtsfächer achten, fallen bei krankheitsbedingtem Lehrermangel in der Regel eher Musik, Sport und Bildende Kunst aus, bevor eine Deutsch- oder Mathematikstunde gestrichen wird. Die Schüler sind jedoch auf eine ganzheitli­che Bildung und Erziehung angewiesen, in der auch Ästhetik, Bewegung und Emotionen eine tragende Rolle spielen sollten. Wenn um die Bedeutung der ein­zelnen Unterrichtsfächer gestritten wird, geht es meist lediglich darum, ob eine sprachliche oder technisch-naturwissenschaftliche Ausrichtung der Schule die wichtigere sei. Der künstlerisch-musisch-sportliche Bereich werde von vielen mehr als schmückendes, aber nicht unbedingt notwendiges Beiwerk betrachtet, bedauert der VBE-Sprecher diese Entwicklung. Pestalozzis 200 Jahre alter päda­gogischer Ansatz ganzheitlichen Lernens „mit Kopf, Herz und Hand“ sollte in der stark technisierten Welt vonheute mehr denn je Maxime unterrichtlichen Tuns sein – und das nicht nur in den Grundschulen.

4. Februar 2012